Kunstgeschichte und KI: Neue Graphic Novels im Oktober
Auf der Frankfurter Buchmesse wurden zahlreiche neue Titel vorgestellt - auch Comics haben eine wichtige Rolle gespielt. Wir stellen drei Graphic Novels vor, die aus der großen Masse der Neuerscheinungen herausstechen.
"Künstliche Intelligenz" - über Einsatzmöglichkeiten und Chancen von KI
Künstliche Intelligenz nimmt immer mehr Einzug in unser Leben und bestimmt auch immer mehr Gespräche mit Freunden, Verwandten oder Kollegen. Die wenigsten wissen, wie sie wirklich funktioniert, wie sie entsteht, wo und wie sie eingesetzt wird. Drei Franzosen wollen das ändern: der KI-Entwickler Arnold Zephir, die Zeichnerin Héloïse Chochois und der Autor Jean-Benoit Ferrant, spezialisiert auf interaktive Fiktion. Sie erzählen unterhaltsam in ihrem Comic von einer Musik-Casting-Show, bei der ein rappender Roboter die Jury überrascht. Das Ding heißt Yurie und ist ein Produkt zweier Tüftler, anhand derer das Kreativ-Trio die Einsatzmöglichkeiten, aber auch das Entstehen beschreibt und versucht zu erklären, was mal mehr oder weniger funktioniert. Oder wissen Sie, wie man einen LSTM-Autoencoder einsetzt, um ein Reinforcement Learning zu erreichen?
Locker und frisch lassen die drei Franzosen das KI-Thema auf uns niederregnen. Da driftet die Story mal in die Nerd-Sprache ab, doch schon im nächsten Panel sind wir wieder an Bord des realen Lebens. Héloïse Chochois schafft verständliche Infografiken gemixt mit klaren, farbigen Zeichnungen der Handlung. "Künstliche Intelligenz", so der Titel der Graphic Novel, lässt uns auf der letzten Seite schlauer sein - ob intelligenter, bleibt offen.
"Louise": Ein Buch wie ein Ausrufezeichen
Alles andere als künstlich ist das Leben der Louise Gütter, geboren 1879 im schweizerischen Hindelbank, etwa 50 Kilometer nördlich von Bern. Hof, Haushalt, Heirat - das Leben scheint für die junge Frau vorbestimmt, doch dann kommt ein Maler ums Eck. Sein Name: Cuno Amiet. Er gehört der Künstlervereinigung "Brücke" an, zu der auch Maler wie Ernst Ludwig Kirchner oder Karl Schmidt-Rottluff zählten. Und plötzlich steht sie Model für ihn und wird mit ihrem Körper in die Kunstgeschichte eingehen.
Ihre Geschichte, wie sie hätte sein können, zeichnet - nein - malt Dinah Wernli nach. Und das macht sie mit Wucht, Kraft und viel Mut. Sie sprengt die Grenzen mit ihren großen, breiten Pinselstrichen. Füllt die Seiten mit Farben, die zu schwimmen scheinen, mal komplementär, mal nicht. Mal schält sich eine klare Darstellung aus dem Farbenrausch, mal verliert sich die Gegenständlichkeit darin. Wernli schafft es, die Kraft der Louise Gütter nicht nur zu zeigen, sondern sie auch mit Farben spürbar zu machen - Johannes Itten, der Begründer der Farbentypenlehre, hätte seine blanke Freude. Die hat man aber als Leser oder Leserin auch und lässt sich gerne in den Strudel der Erzählung mitreißen. "Louise" so der Titel, ist ein Buch wie ein Ausrufezeichen.
"Alison": Die Kunstwelt Londons in den 90ern
Alles andere als wuchtig, dafür zart, sensibel und sehr empathisch erzählt Lizzy Stewart die Geschichte von Alison, genauer Alison Porter. Diese wächst im englischen Dorset auf. Auch bei ihr scheint das Leben, im wahrsten Sinne, vorgezeichnet: frühe Liebe, frühe Ehe, frühe Langeweile. Auch bei ihr verändert die Begegnung mit der Kunst ihr Leben. Sie lernt einen berühmten Maler kennen, verlässt ihren Mann, geht nach London, um dort zu sich selbst zu finden.
Lizzy Stewart erzählt das in einer Mischung aus Prosa, Tagebuch und Comic-Anteilen. Enden die Texte, greifen Zeichnungen oder Panels die Stimmung der Erzählung auf - enden die Zeichnungen, führen die detaillierten Beschreibungen das Leben der jungen Frau und ihres Umfelds tiefer in die Hintergründe der Zeit und der Kunstwelt von London in den 90er-Jahren. Dünne Outlines, ein wenig Tusche und vereinzelt Farben reichen aus, um eine intensive Geschichte lebendig werden zu lassen. Ein Lese- und Blättervergnügen - passend zum Herbst.