Graphic Novels im September: "Meute", "Der Schrei", "Der Rabe"
Der Herbst ist da und mit ihm kommen dunklere Tage. NDR Kultur stellt drei Graphic Novels vor, die perfekt in die Jahreszeit passen und die sogar alle drei was mit Norddeutschland zu tun haben.
"Meute": Düstere Werwolf-Geschichte
In einem wissenschaftlichen Labor Ende des 19. Jahrhunderts wird ein Werwolf gefangen gehalten - natürlich aus rein wissenschaftlichen Gründen. Die junge Studentin Margot darf dort den Forschenden behilflich sein, in begrenztem Maße, versteht sich. Sie erkennt allerdings in dem Lebewesen mehr, als es die Herren Doktoren tun, und freundet sich schließlich sogar mit ihm an. Mit roughen Kohle-Strichen, gepaart mit zarten Outlines für die Figuren, zeichnet das Hamburger Grafik-Talent Noëlle Kröger eine Geschichte über Vorurteile und Diskriminierung. Mit viel Leidenschaft und Mut zeigt sie nicht zwingend immer schöne Bilder, aber die richtigen, um der Handlung den Schwung und Raum zu geben, die sie braucht.
"Bei Auftragsarbeiten bin ich meistens auch stolz am Ende, aber es ist nicht zu vergleichen mit diesem Buch - da ist alles so geworden, wie ich es wollte", sagt Kröger. "Auf eine Art betrachte ich es auch als meinen Durchbruch, weil ich damit einen Verlag gefunden habe und im Studium total besorgt war, ob ich das schaffe oder nicht." Sie hat es geschafft. Aus den anfänglichen 50 Seiten bei Semesterende sind nun, zwei Jahre danach, mehr als 230 Seiten geworden. "Meute" ist düster und erhellend, beängstigend und beruhigend zugleich. Noëlle Kröger schafft den Spagat zwischen philosophischer Tiefe und morbider Unterhaltung. Man kann bei dieser Erzählweise nur gespannt auf kommende Bücher sein.
"Der Schrei": Action-geladener Nordic-Noir-Thriller
Kommissarin Sarah Geringen hat eine militärische Spezialausbildung hinter sich und arbeitet nun bei der Osloer Polizei. Sie wird zu einer psychiatrischen Einrichtung mit Hochsicherheitstrakt in einem Vorort von Oslo gerufen. Dort gab es einen Todesfall. Der löst eine Lawine von ungeahnten Machenschaften aus. Die Ermittlerin stößt auf ein Wespennest von Vertuschung, Lügen, Gewalt und Geheimnissen, die weit über die Grenzen Norwegens hinausführen.
Die Bilder dieses Action-geladenen Krimi-Comics mit dem Titel "Der Schrei" könnten aus einem kolorierten Storyboard für einen Hollywood-Blockbuster stammen. Beim Lesen hört man regelrecht die Schläge bei Prügeleien und spürt den Fahrtwind bei den Autoverfolgungsjagden. Richtig hell wird es auf den 144 Seiten nur selten. Kantig aber vor allem lebensnah sind die Zeichnungen von Laval Ng ; sie machen die Graphic Novel, die nach einer Geschichte von Nicolas Beugelt entstanden ist, zu einem spannenden Thriller, bei dem man ganz nebenbei auch noch viel über den Aufbau unseres Gehirns lernt.
"Der Rabe": Illustriertes Gedicht nach Edgar Allan Poe
108 Verse, 18 Strophen, ein Gedicht. Edgar Allen Poe hat vor 180 Jahren ein Gedicht verfasst, das bis heute zu einem der bekanntesten der US-amerikanischen Literatur gehört. "The Raven", zu Deutsch "Der Rabe", ist eine Kurzgeschichte in lyrischer Form, die um den nächtlichen Besuch des Vogels bei einem verzweifelten Mann geht, dessen Geliebte gerade gestorben ist. Das Osnabrücker Künstler-Ehepaar Peter Eickmeyer und Gaby von Borstel hat sich dieses Schwergewicht der Weltliteratur vorgenommen und es auf 64 Seiten illustriert.
Entstanden ist eine grafisch opulente Bebilderung entlang eines sprichwörtlichen roten Fadens. Raben-Motive gibt es genügend, aber eben auch skizzenhafte Illustrationen wie an einem Bindfaden aufgezogen. Eickmeyer und von Borstel lassen das Gedicht zweimal wirken: zuerst in der deutschen, dann in der ursprünglichen englischen Fassung, wie bei einem Foto-Negativ. Düster ist es immer, aber eben auch meisterlich - in Text und Zeichnung. Weltliteratur einmal anders. Ein Muss für Lyrik-Fans und solche, die es werden wollen.