"Der Sonne so nah": Roman über den Traum vom Fliegen
In seinem neuen Roman nimmt sich Axel S. Meyer der wetteifernden Flugpioniere Otto Lilienthal und Ferdinand Graf von Zeppelin an. Bei aller thematischen Schwere bleibt "Der Sonne so nah" ein sehr gut recherchierter Unterhaltungsroman.
Hunderte Menschen sterben 1848 beim Berliner Barrikadenaufstand am Alexanderplatz. Genau in dieser Zeit erwarten der Tuchhändler Gustav Lilienthal und seine Frau ihr erstes von acht Kindern: Otto Lilienthal - der 1891 zum ersten erfolgreichen Flieger werden wird. Hineingeboren in die Ausläufer und Klauen eines heftigen Hungerwinters, von dem sich die Familie nie richtig erholen wird. Von den acht Kinder überleben nur drei.
Ganz anders verläuft das Leben des jungen Ferdinand Graf von Zeppelin. Der wird zehn Jahre zuvor in Konstanz geboren und wächst somit, aus preußischer Sicht, im Feindesland Württemberg auf. So unterschiedlich die Lebensverhältnisse von Ferdinand und Otto auch sind: Beide wachsen bei Müttern auf, die ihre Kinder mit Abenteuer- und Fluggeschichten regelrecht füttern und so schon früh den Entdeckergeist wecken, der später Berge versetzen wird.
Der Wettlauf zweier Flugpioniere
Während Otto Lilienthal sein gesamtes Leben darauf auslegt, einmal den Himmel zu erklimmen und das erste Luftfluggerät zu bauen, verschreibt sich Ferdinand, dem Vater zuliebe, dem Militär. Dort legt er eine beeindruckende Karriere hin, ist aber auch nie wirklich gut, in dem, was er tut. Vielleicht weil sein Herz Zeit seines Lebens einzig für die Luftfahrt schlägt. Erst im fortgeschrittenen Alter von 52 Jahren folgt er seinem Lebenstraum: der Konstruktion eines steuerbaren Luftschiffes.
Die Methode, nach der der Vogelflieger vorging - das musste Ferdinand ihm zugestehen, war die schlauere. (…) Der hatte jahrelang mit seinen albernen Flügeln experimentiert, hatte Luftwiderstände, Tragflächenwölbungen und so was berechnet, bevor er sich an die praktischen Flugversuche gewagt hatte. (…) Ferdinand hingegen, ruhe- und rastlos, wie er war, wollte sofort mit dem Bau des Luftschiffs beginnen, ohne langwierige theoretische Vorarbeiten. Leseprobe
Doch Ferdinand Graf von Zeppelin sieht sich nicht nur seinem größten Konkurrenten, dem - wie er ihn nennt - "irren Vogelflieger" Lilienthal gegenüber. Ende des 19. Jahrhunderts drängen Wissenschaftler weltweit in den Himmel. So ist es nur noch eine Frage der Zeit, wer als erster Flugpionier in die Geschichtsbücher eingehen wird.
"Der Sonne so nah": Sehr gut recherchierter Unterhaltungsroman
Indem sich Axel S. Meyer der wetteifernden Flugpioniere Otto Lilienthal und Ferdinand Graf von Zeppelin erzählerisch annimmt, bleibt er seinem Genre, dem historischen Roman, treu. Der Autor und Historiker nimmt den Leser anhand der beiden Biografien auch mit in den Amerikanischen Bürgerkrieg und den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Besonders aber lebt das Buch von den kleinen Anekdoten und historischen Randnotizen, die Axel S. Meyer immer wieder gekonnt einstreut.
Antilopen, Kamele und Zebras landeten auf der Schlachtbank beim Metzger und auf den Tellern ausgewählter gastronomischer Betriebe. Die wenigen Pariser, die es sich leisten konnten, labten sich an gebratenem Kamel, getrüffelter Antilopenterrine, Kängururagout oder Bärenkotelett. Nicht einmal die beliebten Elefanten Castor und Pollux wurden verschont und die Speisekarten mit Elefantenfleischsuppen bereichert: Consommé d'Eléphant, das klang exklusiv, schmeckte aber fade und zäh wie Leder. Leseprobe
Aber zäh wie Leder ist die Lektüre keinesfalls. Axel S. Meyer weiß atmosphärisch zu erzählen, schafft es, vor dem inneren Auge filmische Sequenzen ablaufen zu lassen, sodass man sich schon in einem Kinosaal sitzen sieht. Auch wenn sich sein Roman erzählerisch über zwei Kriege erstreckt, bleibt es bei aller thematischen Schwere ein sehr gut recherchierter Unterhaltungsroman. Ein großes Vergnügen.
Der Sonne so nah
- Seitenzahl:
- 480 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kindler
- Bestellnummer:
- 978-3-463-00033-6
- Preis:
- 24 €