Thomas Medicus über Klaus Mann: "Er war ein tragischer Held"
Der 1949 verstorbene Schriftsteller Klaus Mann ist vielen erst in den 80er-Jahren bekannt geworden. Thomas Medicus hat eine Biografie über den Sohn von Thomas Mann veröffentlicht. Heute Abend liest er daraus im Hamburger Literaturhaus.
Der Autor und Journalist Thomas Medicus porträtiert Klaus Mann in seinen Rollen als Dandy, Antifaschist, Schriftsteller, Soldat, Sohn und Bruder. Das Leben des schillernden Bohemiens und umtriebigen Schriftstellers steht sinnbildlich für die bewegte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen der Veranstaltung "Tage des Exils - Ein Klaus-Mann-Abend" liest Thomas Medicus im Literaturhaus Hamburg aus der Biografie "Klaus Mann. Ein Leben".
Herr Medicus, warum hat Sie Klaus Mann so sehr interessiert?
Thomas Medicus: Der äußere Anlass, die Biografie zu schreiben, war sein 75. Todestag am 21. Mai im letzten Jahr. Aber inhaltlich kam hinzu, dass ich mich schon seit vielen Jahrzehnten für Klaus Mann interessiere. Ich gehöre der Generation an, die quasi zu den Entdeckern von Klaus Mann gehört. Denn Klaus Mann war bis Anfang der 80er-Jahre ein vergessener, ein unbekannter Autor, und durch "Mephisto" wurde er den westdeutschen Lesern bekannt. "Mephisto" wurde dann auch verfilmt und bekam den Auslands-Oscar. Es wurden ganz viele Romane von ihm publiziert, und das hat eine große Begeisterung bei sehr vielen Lesern erzeugt - und eben auch bei mir. Diese gute Erinnerung an diesen interessanten Schriftsteller Klaus Mann ist geblieben, bis ich dann anfing, die Biografie schreiben zu wollen.
Trotzdem aber hat Klaus Mann immer - und das hat er zeitlebens auch selbst häufig beklagt - unter dem Schatten seines extrem erfolgreichen und bekannten Vaters gestanden. Warum ist es ihm nicht gelungen, diesen familiären Bonus für sich zu nutzen? War seine Abstammung Fluch und Segen zugleich?
Medicus: Ja, das war es. Er hat es genauso in anderen Worten auch gesagt. Anlässlich des 50. Geburtstages seines Vaters, 1925, hat er einen Artikel geschrieben, und da hat er von einem problematischen Glück gesprochen, wenn man der Sohn von Thomas Mann ist. Und so ist es auch immer geblieben. Es war mal mehr, mal weniger problematisch - es war aber auch mal glücklich, das darf man nicht vergessen.
Also ist Klaus Mann ein tragischer Held, der letzten Endes nach mehreren Suizidversuchen an einer Überdosis Schlaftabletten umgekommen ist?
Medicus: Ja, das würde ich sagen. Er ist tatsächlich ein tragischer Held mit einem sehr tragischen Schicksal. Tragisch deshalb, weil er oft Entscheidungen getroffen hat, die falsch waren, wo man sich im Nachhinein an den Kopf greift und denkt: Klaus, warum hast du das gemacht? Warum hast du dich nicht anders entschieden? Es ist doch ganz offensichtlich, dass es falsch ist.
Er stand immer im Schatten seines Vaters. Er hat Anstrengungen versucht, aus dem Schatten herauszukommen. Er hat auch Hassausbrüche gegenüber seinem Vater gehabt, gegenüber der Gefühlskälte. Die Hassausbrüche waren aber nur schriftlich in seinem Tagebuch; es kam niemals zu einem Konflikt, der offen ausgetragen wurde, weder von Klaus Manns Seite noch von des Vaters Seite. Im Schatten Thomas Manns stand eigentlich die ganze Familie. Das war der Titan und ein weltweit anerkannter Schriftsteller - allerspätestens, seit er den Literaturnobelpreis 1929 bekommen hat.
Das lag aber vielleicht auch ein bisschen an der Zeit, in der Klaus Mann gelebt hat, weil man noch völlig anders gedacht hat über solche Dinge, die die Psyche eines Menschen so sehr betreffen können, oder?
Medicus: Man muss sich vorstellen, dass die Familie Mann prominent gewesen ist. Wo Klaus Mann hinkam, spätestens ab 1925, als er selbst als Schriftsteller hervorgetreten war, da kannte man ihn. Das war eine unglaubliche Belastung. Er wurde, wenn er zum Beispiel in einen Verlag ging oder in eine Zeitungsredaktion, immer als der Sohn Thomas Manns bezeichnet, und das ärgerte ihn auch - das hat er öffentlich öfter mal gesagt und sich darüber beschwert. Aber er profitierte auch von diesem Prominentenstatus, denn es war auch erleichternd, bestimmte Texte, die er geschrieben hat, unterzubringen. Das öffnete Türen. Er kannte alle prominenten Schriftsteller und Künstler in der Weimarer Republik, und als er 1927 mit seiner Schwester Erika eine Weltreise machte, die sich allerdings hauptsächlich in den USA abspielte, da war es für ihn überhaupt kein Problem, in Hollywood die Stars kennenzulernen.
Was sollte man von Klaus Mann unbedingt lesen?
Man sollte unbedingt seinen Roman "Mephisto" kennen - das ist die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Da geht es um Gustaf Gründgens, den berühmten Schauspieler, der 1933 in Deutschland geblieben ist. Er war ein sehr guter Freund von Klaus Mann, der sogar seine Schwester Erika geheiratet hatte. Später ließen sie sich scheiden. Er setzte sich dann mit der Künstlerexistenz unter den Bedingungen des Nationalsozialismus auseinander. Das lehnt er natürlich ab. Er lehnt auch Gustaf Gründgens ab, obwohl er eine sehr ambivalente Beziehung zu ihm hatte und er in der Emigration immer noch gerne an ihn dachte und seine Filme ansah.
Man sollte auch den Roman "Treffpunkt im Unendlichen" kennen, der letzte, den er in der Weimarer Republik geschrieben hat. Den würde ich unbedingt empfehlen. Das ist ein Großstadtroman, der hauptsächlich in Berlin und in Paris spielt. Da kommt man auf das Tragische an der Existenz von Klaus Mann, denn die Entwicklung, die in diesem Roman begonnen hat, brach dann ab, weil dann das Jahr 1933 kam und er im März emigriert ist.
Das Gespräch führte Keno Bergholz.
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