Thomas Mann als Vater: "Ein problematisches Glück"
Ein Kind berühmter Eltern zu sein hat Vor- und Nachteile. Thomas Mann hatte sechs Kinder. Die stellvertretende Leiterin des Buddenbrookhauses Caren Heuer erzählt, was es für die Kinder bedeutete, einen Literaturnobelpreisträger als Vater zu haben.
Man kann sich seine Familie nicht aussuchen, heißt es so schön. Und jedes Kind hat eine ganz individuelle Beziehung zu Vater und Mutter. Die Manns sind eine Familie, über die viel bekannt ist. Auch die Kinder standen oft im Rampenlicht: Erika, Klaus, Michael, Golo, Monika und Elisabeth. Thomas Mann als Vater zu haben, nannte Golo Mann einst "ein problematisches Glück".
Caren Heuer gehört zur Leitung des Buddenbrookhauses in Lübeck und ist Expertin für Thomas Mann - und seine Nachfahren. NDR Kultur hat mit ihr darüber gesprochen, wie es ist, ein Leben als Kind berühmter Eltern zu führen.
Im Falle der Familie von Thomas Mann sind fast alle der sechs Kinder auf ihre eigene Art ziemlich berühmt geworden. Würden Sie da von Fluch oder Segen sprechen?
Caren Heuer: Man muss wohl sagen, dass es beides zugleich war. Klaus Mann hat sehr früh gesagt: Man beurteilt mich immer als den Sohn. Das stimmt. Schon in den 1920er-Jahren hat Klaus Mann sein erstes Buch veröffentlicht. Und natürlich wurde er auch deshalb sofort verlegt und veröffentlicht, weil er der Sohn von Thomas Mann war. Dann ist er aber literarisch immer an dem großen Vater gemessen worden. Und ich kann als Leiterin des Buddenbrookhauses sagen: Daran muss man scheitern.
Wir haben zum Beispiel Elisabeth - der Liebling, Erika - die fleißige, älteste, der labile Klaus, der schlaue Golo. Man weiß sehr viel über diese Kinder von Thomas Mann. Warum ist das Interesse an diesen Kindern so riesig?
Caren Heuer: Ich glaube, weil sie wirklich so spannend sind. Jeder hat einen sehr eigenwilligen Lebenslauf. Jedes dieser sechs Kinder hat das 20. Jahrhundert begleitet und in ihren zahlreichen Texten begleitet. Sie sind alle irgendwie schreibend tätig geworden. Das heißt, sie haben auch alle ein öffentliches Leben geführt. Wir sind also alle auch Zeugen und Zeuginnen dieser spannenden Familie geworden. Ich glaube, das ist einer der Gründe. Und dann konnten die natürlich auch alle noch gut schreiben.
Sie sagen, sie haben ein öffentliches Leben geführt. Wurden sie schon als Kinder waren auf der Straße erkannt?
Caren Heuer: Ich glaube, das war nicht mit der gleichen Berühmtheit verbunden, wie wir das heute kennen. Bei Kindern von Berühmtheiten in München war man natürlich bekannt. Man gehörte zu den oberen Hundert der Stadt, und auch die Kinder der Manns waren bekannt. Aber es gab in München auch eine so angesagte Boheme in dieser Zeit, dass da viele andere prominente Kinder dabei waren. Nein, so viel Aufmerksamkeit gab es da für die noch nicht, das fing eigentlich erst an, als sie erwachsen wurden.
Es ist bekannt, dass Thomas Mann manche seiner Kinder sehr geliebt haben, andere dagegen ganz unverhohlen abgelehnt haben soll. Ist das der damaligen Zeit geschuldet oder doch eher der Exzentrik dieses Mannes?
Caren Heuer: Für uns Nachgeborene ist das natürlich schwer zu beurteilen. Ich glaube, es hat schon etwas mit Thomas Mann und seiner Persönlichkeit zu tun. Monika Mann war eines dieser ungeliebten Kinder. Sie hat mal gesagt, mein Vater hatte mich nicht weiter ungern, aber er hatte mich eben auch nicht weiter gern. Ich glaube, das zu spüren ist traumatisch genug. Andere Kinder waren von Thomas Mann sehr geliebt. Gerade die jüngste Tochter Elisabeth, die nachher zur Retterin der Weltmeere wird. Ist das unfair? Ja. Ist das menschlich? Ich glaube, leider auch ja. Aber es ist eben nicht populär, etwas Derartiges zu äußern. Natürlich hat das Thomas Mann seinen Kindern so auch nicht gesagt. Wir wissen das größtenteils überliefert aus den Tagebüchern, und die sind ja erst posthum veröffentlicht worden.
Wie ist Ihr Eindruck: Haben die heutigen Nachfahren mit all dem Frieden geschlossen?
Caren Heuer: Ich glaube, eine Ausnahme stellt Frido Mann dar, der seit den 1980er-Jahren ein sehr erfolgreicher Autor wurde und der sehr eng mit Thomas Mann stand. Er ist bei Thomas und Katia Mann aufgewachsen, bei den Großeltern, nicht bei seinen Eltern. Er ist literarisch verewigt worden im Doktor Faustus. Ich glaube, Friedemann hat schon eine Sonderrolle. Aber wenn wir uns im Buddenbrookhaus mit den Enkeln und vor allem nun schon den Urenkel oder Ururenkeln unterhalten, dann ist das für die nur noch ein fun fact auf Partys. Die Leute sind entzückt, einen "Mann"-Erben vor sich stehen zu haben. Aber es ist für deren Lebensläufe nicht mehr relevant.
Das Gespräch führte NDR Kultur Moderator Jan Wiedemann.