Der Autor, Journalist und Foodstylist Stevan Paul © Vivi D’Angelo
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Der Autor, Journalist und Foodstylist Stevan Paul © Vivi D’Angelo
AUDIO: Stevan Paul feiert das Essen auch mit Worten (55 Min)

Stevan Paul feiert das Essen auch mit Worten

Stand: 06.01.2025 00:01 Uhr

Stevan Paul entwickelt immer wieder neue Rezepte und liebt es, das Harmonische mit dem Disharmonischen zu verbinden. Für Köchin Cornelia Poletto hat er mal ein Gericht konzipiert, das zu ihrer Identität passen sollte.

Die Küche ist seine Lebensphilosophie. Als gebürtiger Ravensburger hat Stevan Paul das Kochen am Herd von Albert Bouley gelernt, arbeitete viele Jahre in führenden Restaurants. Inzwischen kocht Stevan Paul nicht nur, er ist auch Foodstylist, Foodjournalist, schreibt Bücher über das Essen und den Genuss. "Der große Glander" war 2016 sein Debütroman. Jahre zuvor hat er Erzählbände herausgegeben wie "Monsieur, Hummer und ich" oder "Schlaraffenland". In seinem jüngsten Buch "Die Kichererbsen der Señora Dolores" philosophiert er über das Essen, darüber, dass Erinnerungen durch einen bestimmten Geschmack wachgerufen werden können, dass Liebe durch den Magen gehen kann und dass Kochen und Essen eben auch Menschen miteinander verbinden kann.

Sie haben vor rund 30 Jahren in der Sterneküche gelernt. Inzwischen schreiben Sie vor allem übers Kochen, und entwickeln viele Rezepte. Inwiefern braucht es manchmal die Disharmonie, damit es die richtige Würze hat?

Stevan Paul: Das ist eine ganz tolle Frage, weil Disharmonie beim Essen mindestens genauso wichtig ist wie Harmonie. Gerade wenn man ein Menü oder mehrere Gänge plant und kocht, dann macht es großen Spaß, sich nicht nur in Harmonie zu üben, sondern auch Dissonanzen auf dem Teller zu schaffen. Zum Beispiel, indem man Süßes mit Salzigem oder Saurem stark in den Kontrast setzt. Da entsteht tatsächlich die aromatische Spannung in diesem Gericht. Ich arbeite auch wahnsinnig gerne mit Bittersalaten, da ist jetzt Saison. Bittersalate setzen Akzente und machen die anderen Komponenten auf dem Teller spannender. Das ist ein großer Spaß, den man sich leisten sollte.

Im Oktober ist ihr Kochbuch "Green Street" mit vegetarischen und veganen Rezepten für Streetfood erschienen. Das ist schon eine ganze Weile ein Trend, der sich verstetigt hat und immer vielfältiger wird. Vegetarisch und vegan ist auch automatisch eine leichtere Küche. Es sind zum Beispiel viele Rezepte für eine "klassische Brotzeit", ohne Fleisch enthalten. Ein Rezept, dass Sie uns mitgebracht haben, sind "Arancini mit Schwarzkohl und Walnüssen". Wie entwickeln Sie so ein Rezept? Wie entscheiden Sie, wie viel Harmonie und Disharmonie es braucht und wie viele Komponenten Sie reinbringen wollen?

Auf der linken Seite ist ein Bild von einem Gericht und rechts steht dazu das Rezept: Arancini mit Schwarzkohl und Walnüssen. © Stevan Paul Foto: Stevan Paul
Rezept zu Arancini mit Schwarzkohl und Walnüssen.

Paul: Die Arancini sind tatsächlich eine Entdeckung. So geht mir das ganz oft, ich entdecke in anderen Ländern oder anderen Kulturen ein Rezept, das mich fasziniert, das mir Freude macht. Dazu gehören die italienischen Arancini, die einfach ein sehr schöner Straßensnack sind. Die Arancini sind eigentlich Orangen, hier handelt es sich aber um Risottoreis, der in Safran gegart ist. Kalt wird er dann zu einer Kugel geformt und mannigfaltig gefüllt. Das ist ein tolles Streetfood, das wollte ich unbedingt im Buch haben. Dann kommt aber auch der regionale Paul aus dem Lameng und sagt: Mit was füllen wir das? Jetzt ist Schwarzkohlzeit und ich finde Schwarzkohl ist ein so tolles Gemüse, verwandt mit dem Grünkohl, ein bisschen schneller zart, hocharomatisch und super würzig. Dann habe ich noch für eine Nussigkeit und noch mehr Würze die Walnüsse in diese Füllung reingearbeitet. So kommen Norddeutschland und das sonnige Italien in einem Gericht zusammen.

Sie haben eine sehr prominente Köchin mit diesem Essen verwöhnt. In dieser Person sind das deutsche und das italienische Element vereint: Cornelia Poletto. War das wie eine ganz besondere Prüfung, ob dieses Rezept wirklich funktioniert?

Paul: Absolut. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich mich an den Moment erinnere. Ich habe eine Weile lang auf YouTube eine eigene Talkshow gehabt, die nannte sich "Mittagstisch - der Mittagstalk". Da habe ich mir spannende Gäste zum Mittagessen eingeladen. Anhand deren Biografie habe ich den Gästen ein Rezept auf den Leib gekocht. Essen hat sehr viel mit Identität, mit Herkunft und dem eigenen Begriff Heimat zu tun. Als ich Frau Poletto zu Gast hatte, war das für mich schon eine echte Challenge. Ich kann kochen, aber für Frau Poletto zu kochen und dann auch noch italienische Arancini, das war für mich ein sehr aufregender Moment. Bei ihr war dann auch noch Mettwurst drin. Die hat ihr wahnsinnig gut geschmeckt. Das war für mich eines der schönsten Komplimente der vergangenen Jahre, wenn Frau Poletto wohlwollend nickt und sagt: "Toll gekocht!" Da kann man sich schon was darauf einbilden.

Das Gespräch führte Katja Weise.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 06.01.2025 | 13:00 Uhr

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