Stevan Paul: Beinahe Erdbeereis
Auch Profi-Köchen misslingt mal etwas. Wie es ihm mit der Herstellung eines Erdbeereises ergangen ist, erzählt Koch und Autor Stevan Paul in "Die Kichererbsen der Señora Dolores". Ein exklusiver Auszug aus dem Buch.
An dieser Stelle dürften Sie, nach der Logik dieses Buches, ein Rezept für ein Erdbeereis erwarten, zumindest aber für ein Himbeereis, vielleicht. Zu meiner Entschuldigung sei vorangestellt: Ich war motiviert!
Es sollte ein cremiges Erdbeereis sein, das ohne Eismaschine zu Hause gelingen würde, denn wer hat schon eine Eismaschine, ich habe nicht mal den Platz dafür, meine Küche ist winzig und eher minimalistisch in der Ausstattung. Der Schuster hat immer die schlechtesten Schuhe, pflegte meine hessische Großmutter zu sagen.
Das soll nun aber nicht das Problem der geschätzten Leserinnen und Leser dieses Buches sein, und so habe ich alles gegeben, für ein gutes Erdbeereis ohne Eismaschine. Ich habe Erdbeeren in unterschiedlichsten Reifegraden gekauft, gewaschen und klein geschnippelt, ich habe sie mit Erdbeerkonfitüre geschmort, ein anderes Mal mit Rohrzucker. Ich habe Sahne aufgeschlagen, Sahne gekocht und eingekocht, ich habe mit gesüßter Kondensmilch experimentiert.
Der Ablauf war immer der gleiche: Die Masse hoffnungsvoll in ein Behältnis abgefüllt, mühsam in die volle Tiefkühlschublade reingefriemelt und alle halbe Stunde mit dem Schneebesen durch den entstehenden Frost gerührt. Und auch das Ergebnis war jedes Mal das gleiche: rosaroter Beton in Metallschüssel. Unerweichlich. Hören Sie nicht auf Menschen, die Sachen sagen wie: "Die Schüssel vor dem Servieren einfach eine Stunde antauen lassen - der Lohn ist cremiges Erdbeereis!" Ist er nicht. Vielleicht am Rand. Ein Teelöffel cremiges Erdbeereis pro Stunde. Im Internet, dem ja ohnehin in Rezeptfragen nur bedingt zu trauen ist, die Hoffnung stirbt aber zuletzt, fand ich ein Rezept für Nicecream. Dafür habe ich nach Anleitung gefrorene Erdbeeren und Bananen im Mixer zu "Erdbeereis" püriert. Schmeckte es nach Erdbeereis? Teilweise.
Zwischen Bananenschlotz und Erdbeerbeton erfuhr ich dann Erleuchtung: Das Handwerk der italienischen Eismacherinnen ist heilig und eine Kunst. Diese gelobten Menschen sind Herrscherinnen über Details und Kühlgrade, sie tragen das übermittelte Wissen von Generationen weiter, aus dem italienischen Val di Zoldo und dem Val di Cadore, den Tälern der Gelatieri. Gedulden wir uns und warten, bis sie im Frühjahr über den Brennerpass wieder zu uns kommen, Ladentüren aufschließen, das Schild mit der Winterpause abnehmen, die Schaufenster putzen, die Markisen ausfahren, die Terrasse fegen. Und dann brummen drinnen die Eismaschinen, mit verheißungsvoll klingenden Namen wie Frigomat, Telme, Carpigiani! Und irgendwann wälzt sich das erste cremige Eis der Saison aus dem kühlen Stahl, hinein in den Eiscremebehälter. Wer davon direkt einen Löffel probiert, kommt immer wieder. Ehren wir das Handwerk der Gelatieri, und reihen wir uns ein in die Schlange vor der Eisdiele, klaglos und voller Vorfreude.