"Die Kichererbsen der Señora Dolores": Geschichten vom Kochen
Stevan Paul ist Koch, Foodjournalist und Autor zahlreicher Kochbücher. In seinem Geschichtenband erzählt er von dem, was Menschen mit einem bestimmten Essen verbinden, warum es für sie ein ganz besonderes ist.
"Geschichten vom Kochen" nennt Stevan Paul seine Erzählungen, schlicht und treffend. Denn Kochen verbindet, Kochen hilft erinnern, Kochen ist alltäglich und manchmal besonders.
Begegnungen, die über das Essen entstehen
Ein Postbeamter sehnt sich nach Japan, weiß theoretisch alles über die dortige Küche und reist tatsächlich eines Tages dorthin; ein alter Fischer erinnert sich an eine dramatische Sturmflut vor vielen Jahren und fährt wieder aus; Señora Dolores findet sich im Garten eines jungen Paares wieder, auf einer Liege unter einem Orangenbaum. Wie sie dorthin gekommen ist, weiß sie nicht - aber kochen kann sie. Señora Dolores verleiht dem Eintopf, der gerade auf dem Herd köchelt, mit einem Schluck Sherry eine faszinierende Würze, perforiert geschickt die Chorizos und versenkt sie ebenfalls im Topf. Das Paar ist sprachlos.
"'Die Kichererbsen der Señora Dolores' habe ich ziemlich exakt so mal in Jerez gegessen, bei einem Mittagessen in einer Bodega, und ich habe beim Löffeln Gänsehaut gekriegt", erzählt Stevan Paul. "Diesen wundervollen Eintopf habe ich nie vergessen: ein einfaches Gericht, so vielschichtig, wärmend. Da war ganz klar, dass ich auch mal was darüber machen muss."
Doch zeichnet sich dieser Band nicht dadurch aus, dass Stevan Paul passend zu Rezepten Geschichten erfindet. Er verfährt genau umgekehrt, will vielmehr erzählen von den Begegnungen, die über das Essen, über das Kochen entstehen. Aus denen manchmal sogar Liebe wird.
Stevan Paul verhandelt große und kleine Themen
"Ich hatte große Lust, ein freundliches, auch vielleicht ein tröstliches, in weiten Teilen ein sehr heiteres Buch zu schreiben, ohne dass es irgendwie larifari wird", so Paul. Ein Buch, das gerade in diesen brüchigen Zeiten nicht nur für Trost sorgen, sondern auch zum Nachdenken anregen könne darüber, "wer wir sind, wo wir herkommen, was wir geworden sind und was wir daraus vielleicht auch in Zukunft noch machen können."
Der Ton ist leicht, aber nicht anbiedernd, es geht um große und kleine Themen: Demenz, Verlust, Hundephobie, die Überkorrektheit deutscher Beamten, latente Fremdenfeindlichkeit und natürlich Geschmack. Auch persönliche Erfahrungen aus seiner Zeit als Koch hat Stevan Paul einfließen lassen. Schon vor 25 Jahren hat er sich aus der Restaurantküche verabschiedet, doch die Sehnsucht danach ist geblieben.
Der Traum vom Kochen
In einer Geschichte lässt Paul einen Mann zurückkehren an den Ort, an dem er einst gelernt hat:
Es reut ihn, so viel später überhaupt erst begriffen zu haben, was dieser Beruf bedeutet, bedeuten kann. Was für ein erfüllendes Kunststück das Kochen ist. (...) Er geht gerne essen, und es sind nicht nur die Speisen auf den Tellern, die ihn berühren, es sind die Lichter des Abends, die unbeschwerten Stunden, das Handwerk… (...) Dieses ganze, große feierliche Orchester. Leseprobe
Regelmäßig träumt der Ex-Koch vom Kochen, versagt dabei und wacht schweißgebadet auf. "Dieser wiederkehrende Traum, der in der Geschichte erwähnt wird, hat mich mal ein paar Jahre heimgesucht", erzählt Paul. "Ich habe immer gedacht, ich bin zurück in der Küche, und dieses Mal mache ich es natürlich viel besser als damals, als Lehrling. Ich habe mir erlaubt, das mal auszuschmücken und in einer Erzählung mal konsequent zu Ende zu denken."
Die Rezepte sind teilweise recht einfach und würden in einem Kochbuch sicherlich nicht unbedingt große Beachtung finden. Aber die Geschichten erzählen von dem, was Menschen mit einem bestimmten Essen verbinden, warum es - so einfach es auch sein mag - für sie ein ganz besonderes ist. Und damit sind wir mitten im Leben angekommen.
Die Kichererbsen der Señora Dolores
- Seitenzahl:
- 208 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Mairisch
- Bestellnummer:
- 978-3-948722-33-3
- Preis:
- 24 €