Spitze Feder, große Kunst: Die Hamburger Karikaturistin Maren Amini
Die politische Karikatur ist "ein Schatz für unsere Gesellschaft", sagt die Hamburger Zeichnerin Maren Amini. Sie arbeitet als Illustratorin und Cartoonistin unter anderem für "Die Zeit" und den "Spiegel". Doch die Wertschätzung sei kaum gegeben. Ein Atelierbesuch.
Die Wohlwillstraße auf St. Pauli. Voll, eng, alt, abgeranzte Fassaden. Hausnummer 22, der Torweg zur "Jägerpassage": hier entstand das berühmte Plattencover-Foto von John Lennon. Gleich nebenan ein Laden, der zugleich Galerie und Atelier von Maren Amini ist.
Die Künstlerin zeigt einem interessierten Besucher ihre Zeichnungen. Wir stehen vor einer beeindruckenden Fülle gerahmter Zeichnungen, Cartoons, Illustrationen. Ein Bild fällt ins Auge: ein Sturzbach pechschwarzer Streifen, unten, winzig klein, eine Gestalt: "Das ist eine Figur die in einem gelben Regenmantel mit gelbem Regenschirm in einem unglaublichen Regensturz steht. Sie hat ein Telefon in der Hand und sagt "Yes, i’m fine". Dieses Bild habe ich zu einer politischen Zeit gezeichnet als in Afghanistan der Widerstand gefallen ist. Das hab ich dann gezeichnet, um mein Gefühl auszudrücken."
Großer Zeichen-Schatz mit knappen Gesten
Angst und Verzweiflung mit knappen Strichen. Sie verwendet viel düsteres Schwarz, wenig leuchtendes Gelb, nur die eine Zeile Text: "Ja, mir geht es gut". Maren Amini hat in Hamburg Illustration studiert, Freie Kunst und Comic gehörte zum Lehrplan: "Aber was nicht unterrichtet worden ist, ist Karikatur und Cartoon. Ich bin entsetzt, dass das so stiefmütterlich behandelt und nicht wertgeschätzt wird. Das ist so ein Schatz und sowas Wertvolles für unsere Gesellschaft."
Diesen Schatz hebt die Zeichnerin immer wieder - oben, am Tisch auf der Empore des kleinen Ateliers, das sie sich mit drei anderen Illustratorinnen teilt. Sie zeigt auf den Cartoon an der Wand. Wo sie mit knappen Gesten ihren oft mühsamen Weg zum perfekten Strich als Bildergeschichte erzählt: "Die Aufgabe. Dann der Schock. Die Wut. Die Verzweiflung. Der Blitz. Das Machen. Und das Ergebnis. Ein Tag im Leben von Maren Amini", sagt die Zeichnerin und lacht.
Pointierte, spitze Feder von Maren Amini ist gefragt
Die Mutter von zwei Kindern kann von ihrem Job recht gut leben. Sie hat schon Titel von "Zeit" und "Spiegel" illustriert. Thema Fachkräftemangel: "Wo sind sind sie nur alle hin" steht auf der fast leeren Seite, nur vom Rand lugt ein Bäcker ratlos ins Bild, ein Pilot, ein Kellner und eine Krankenschwester. Auf den Punkt bringen: das ist es, was gerade die politische Karikatur vermag. Eigentlich müssten Cartoons Hochkonjunktur haben - wo Bilder schneller wirken als Texte.
Laut dem Verband Cartoon Lobby e.V. zahlen kleinere Zeitungen nur 25 oder 35 Euro pro Cartoon, obwohl Honorare von 50 bis 150 Euro die Regel sind. "Ich finde es traurig, dass in Deutschland der Cartoon und die Karikatur so wenig Beachtung bekommt und auch so schlecht bezahlt wird, obwohl es für mich wirklich die Königsklasse der Zeichenkunst ist, weil du etwas auf den Punkt bringst", erzählt Amini. "Du lockst eine Körperreaktion hervor - du bist aktuell. Du beziehst dich auf eine politische, aktuelle Thematik und das ist so gesellschaftlich wichtig. Es wird in Deutschland kaum beachtet und wertgeschätzt. Nicht finanziell und auch in Zeitungen, und es findet immer weniger statt." Wie gut, dass die pointierte, die spitze Feder von Maren Amini gefragt ist. Gerade sitzt sie schon über einem neuen Motiv: Thema Einsamkeit. Eine alte Frau mit Gehwagen - unter einer Glasglocke. Um sie herum tobt das Leben.