Mirna Funk: "Nur als Autorin könnte ich mich nicht finanzieren"
Gerade erst hat die Sängerin Miu alias Nina Graf in einem Interview die schlechten Bedingungen der Pop-Branche kritisiert. Bei Autor*innen sieht es laut Mirna Funk auch nicht besser aus. Vor Kurzem hat sie sich deshalb bei Onlyfans angemeldet.
Bei Mirna Funk läuft es - könnte man meinen. Die Roman- und Sachbuchautorin schreibt eine eigene Sex-Kolumne für eine beliebte Frauenzeitschrift, gehört zu den gefragtesten jüdischen Stimmen des Landes, wird als Texterin und Rednerin gebucht. Gerade arbeitet sie an einem Reiseführer über ihre zweite Heimat Tel Aviv. Und trotzdem muss sie immer wieder neue Wege finden, ihr Leben zu finanzieren.
Kannst du allein von deinen Autorinnen-Tätigkeiten leben?
Mirna Funk: Das muss man trennen. Ich schreibe Bücher, ich schreibe Artikel, ich schreibe zum Beispiel auch Texte als Copywriter für den kommunikativen Bereich. Nur als Autorin, die Bücher schreibt - davon könnte ich nicht leben. Genauso wenig könnte ich von meiner Tätigkeit als freie Journalistin leben. Ich kann nur existieren, weil ich vieles parallel mache. Ich publiziere also Bücher und Artikel, und ich arbeite für Unternehmen und Marken als Beraterin und Texterin. Diese Kombination ermöglicht es mir, als Journalistin und Schriftstellerin tätig sein zu können.
Du gehörst ja nun definitiv zu den bekannteren Autorinnen und Journalistinnen in Deutschland. Was läuft schief, wenn du davon nicht leben kannst?
Funk: Das habe ich mich ehrlich gesagt heute Morgen auch gefragt, als ich aufgewacht bin (lacht). Eigentlich kann das doch echt nicht sein. Ein Problem sind unter anderem die Vorschüsse. Ich weiß nicht, wie die Vorschüsse in anderen Ländern aussehen. Ein Vorschuss ist eine Art Honorar für ein Buch, das man schreibt. Diese Vorschüsse sind in Deutschland extrem niedrig. Das will ich allerdings meinem Verlag nicht vorwerfen. Auch der muss schließlich schauen, wie er überlebt. Man schreibt ja monatelang oder auch ein Jahr an einem Roman oder einem Sachbuch. Dieser Vorschuss ist nicht hoch genug, damit man davon die gesamte Zeit überleben kann. Die Frage ist dann natürlich auch, wie viele Bücher man verkauft bekommt. Man ist aber auch nicht in der Lage, im Jahr drei Bücher zu schreiben. Ein guter Roman braucht Zeit. Eventuell schafft man es, alle drei bis fünf Jahre einen Roman zu schreiben. Wenn man das hochrechnet, müsste man ja einen Vorschuss erhalten, den kein Verlag hier in Deutschland zahlt.
Ein Buch zu schreiben, bringt einem als Autor monetär überhaupt nichts. Der zeitlich Aufwand ist einfach so hoch. Wenn man das mal hochrechnen würde, käme man vermutlich noch nicht mal auf einen Mindestlohn. Es hilft einem aber dabei, Bekanntheit zu bekommen. Die hilft einem dann auch! Dass ich unterschiedliche Kolumnen habe und relativ viel als freie Journalistin arbeite, das liegt unter anderem daran, dass ich Bücher publiziere. Das muss man machen, damit man überhaupt noch andere Aufträge bekommt. Es ist fast wie so eine Symbiose von zwei Fischen: Der eine macht sauber und ernährt sich davon und der andere gibt Schutz.
So ähnlich ist es ja vermutlich auch mit Instagram, wo du - unbezahlt - immer neuen Content hochladen musst ...
Funk: Ohne so eine große Community auf Instagram würde ich auch nicht so viele Bücher verkaufen. Wer heute Autor ist oder gerade anfängt, an einem Debütroman zu arbeiten und keine Instagram-Community hat, der wird vom Verlag Schwierigkeiten bekommen. Verlage kaufen dich als Autor ein, wenn du schon in der Lage warst, selbst eine Community zu kreieren. Das ist in den letzten fünf bis acht Jahren viel wichtiger geworden. Ich habe meinen ersten Roman 2015 publiziert und ein Jahr vorher verkauft. Da gab es Instagram gerade erst zwei Jahre, damals hatte ich natürlich keine große Community. Aber heute ist das ein absolutes Muss: Wenn du das nicht geschafft hast, eine Marke aus dir zu machen, wirst du Probleme haben, deine Bücher zu verkaufen.
Wie viel Zeit verbringst du am Tag mit dieser wichtigen, aber nicht bezahlten Arbeit?
Funk: Da kommt einiges zusammen: Email-Anfragen, Podcasts und Interviews für den NDR (lacht). Das sind locker drei Stunden am Tag.
Das ist viel Zeit! Auf vielen anderen Plattformen gibt es Geld für die Content-Creators. In den USA läuft jetzt ein entsprechender Pilotversuch mit Abonnements für Instagram ...
Funk: Das habe ich auch gesehen, weil ich einigen amerikanischen Accounts folge. Da habe ich sofort versucht, das auch zu finden. Das wäre wirklich genial für mich, wenn Instagram dieses Abonnement-System auch in Deutschland einführt.
Eine Plattform, die ja schon mit so einem Abo-Modell funktioniert, ist Onlyfans. Auch dort hast du dich vor Kurzem angemeldet. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Funk: Ich bin sowieso immer an neuen Entwicklungen interessiert, egal ob sie nun technologisch oder kulturell sind. Gerade über die Corona-Zeit ist Onlyfans ja enorm durch die Decke gegangen. In Amerika sind ganz viele große Stars und Rapper auf Onlyfans, Cardi B. zum Beispiel. Die zeigen dort privatere Einblicke aus ihrem Leben oder besondere Ausschnitte von ihren Konzerten. Es gibt natürlich auch Adult-Content, also klassische Pornografie. In den USA wird es aber eher wie Patreon benutzt. Das habe ich auch mal eine Zeit probiert. Allerdings ist es echt ein Problem, wenn du auf einer Plattform groß bist, egal ob TikTok, Twitter oder Instagram - meine Community ist zum Beispiel auf Instagram, dort habe ich über 30.000 Follower. Die auf eine andere Plattform zu bringen und dann parallel auf beiden Plattform Content zu publizieren, das macht es nochmal komplizierter. Wenn ich jetzt auf Instagram die Möglichkeit hätte, meinen Content für ein Abo in Höhe von 99 Cent zu publizieren, würde mir das wirklich enorm helfen, mich zu finanzieren.
Onlyfans wird hier zulande ja ziemlich belächelt, das steht in der Schmuddelecke. Hattest du keine Bedenken, dass dir dein Account dort auch schaden könnte?
Funk: Ich habe seit zweieinhalb Jahren eine Sex-Kolumne in der Cosmopolitan. Konformität interessiert mich nicht. Mich interessiert auch nicht, ob irgendjemand meint, dass ich keinen Essay mehr in der FAZ publizieren kann, nur weil ich money auf Onlyfans generieren würde. Dieser Blick darauf ist mir ehrlich gesagt zu deutsch, zu langweilig und zu altbacken.
Wie läuft es denn bisher für dich?
Funk: Ich habe das ausprobiert, ich habe dazu einen Artikel geschrieben und dort einen Account kreiert. Ich habe das ziemlich teuer gemacht: 49,90 Euro im Monat. Am Anfang hatte ich so zehn bis fünfzehn Abonnenten. Das waren hauptsächlich Männer, die Nacktbilder haben wollen. Das war aber nicht mein Interesse. Dann haben die sich auch relativ schnell verabschiedet.
Der Interview führte Anina Pommerenke.