Katja Kullmann: Einsatz gegen die Diskriminierung von Single-Frauen
Der ungebundene Mann wird gern als lebensfroher Junggeselle gesehen. Für eine Frau ohne Partnerschaft gibt es gängige Ausdrücke wie "alte Jungfer" oder "Mauerblümchen". Gegen diese Diskriminierung wehrt sich Katja Kullmann mit ihrem Buch "Die Singuläre Frau".
Katja Kullmann, Ihr Buch heißt "Die Singuläre Frau", nicht etwa "Die Single-Frau". Was steckt in diesem Titel mit drin?
Katja Kullmann: Ich spiele mit dem Titel in dem Sinne, dass ich das Alleinleben der Frau ein bisschen aufwerten will. Singulär heißt so viel wie einzigartig, unvergleichbar. Gleichzeitig steckt "single" drin. Es geht also um Frauen ohne Partner. Es gibt eine ganze Masse von Einzelfällen, also verschiedene Gründe, warum Menschen allgemein längere Zeit ohne Partnerschaft durchs Leben gehen. Das kann freiwillig sein, unfreiwillig, nach einer Trennung, nach einem Verlust durch Tod. Oder Frauen kommen selber auf die Idee, lieber ohne Partnerschaft zu leben. Diese Vielfalt wollte ich darstellen.
Wir sehen das an den Scheidungsstatistiken. Jede zweite bis dritte Ehe geht in die Brüche. Die Zahl der Einpersonenhaushalte hat sich fast verdoppelt seit 1991. Das heißt, es ist eine relativ unspektakuläre Lebensrealität von vielen Menschen. Die wollte ich in dem Buch beleuchten. Mit der Single-Frau verbinden wir verschiedene populäre Unterhaltungsformate: "Bridget Jones", "Ally McBeal" oder "Sex and the City". Die suchen immer. Das ist die Vorstellung: Der oder die Single ist immer bei Single-Portalen angemeldet, weil er oder sie händeringend jemanden sucht. Was ist mit dem Leben, in dem man sich allein ganz gut eingerichtet hat, ohne ständig auf der Suche zu sein? Darum ging es mir: diese relative Selbstverständlichkeit zu würdigen und aufzuzeigen, was es damit auf sich hat.
Etwa jeder fünfte Mensch lebt allein. Single-Haushalte machen in Hamburg mehr als 50 Prozent aus. Woher kommt diese Abwertung von Frauen ohne Partnerschaft und die Annahme, dass eine Frau passiv wartet, bis sie, ich sage mal, gepflückt wird von irgendeinem Ritter? Das ist völlig überholt, möchte man meinen, aber anscheinend ist es das doch nicht? Warum sind wir in diesem Bereich so unfassbar traditionell?
Kullmann: Tradition ist das Stichwort. Es gibt im Kollektivgedächtnis sehr fest verhaftete Zuschreibungen. Was ist eine typische, eine echte Frau? Im Kern kann man sagen, ist das Frauenfeindlichkeit, Misogynie, weil es eine dominante Blickweise auf das weibliche Wesen ist. Ihr natürliches Bedürfnis ist es zu pflegen, sich zu kümmern, zu vermissen und zu verführen. Die Frau an sich fühlt viel mehr als der Mann. Durch diese Vorstellung kommt es, dass man denkt, dass Frauen, die keine Partnerschaft haben, ihr Frausein gar nicht ausleben können. An wem wendet sie denn das ganze Gefühlszeug an?
Frauen haben heute natürlich andere Interessen, sind viel besser beruflich ausgebildet als noch Vorgängergenerationen, erkunden selber die Welt, wollen erleben und da kann unter Umständen eine Partnerschaft auch unter ferner liefen laufen - und nicht mehr das Wichtigste ist. Uns an diesen Gedanken zu gewöhnen als Gesellschaft, da tun wir uns immer noch schwer. Deswegen wird die Frau als armes Hascherl gesehen, die das komplette Leben nicht erreicht hat, was für eine Frau angeblich vermeintlich vorgesehen ist - nämlich sich immer auf einen gegenüber zu beziehen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, das Alleinsein sei Ihnen unterlaufen. Sie selbst sind seit über zehn Jahren eine solche singuläre Frau. Was hat Sie veranlasst, dieses Buch zu schreiben? Welche Erfahrungen haben Sie mit Single-Shaming gemacht?
Kullmann: Es war nie ein Plan oder ein Lebensmodell, das ich mir vorgenommen habe, sondern es ist eine Konsequenz, weil ich in Partnerschaften nie richtig glücklich wurde. Bis 35 war ich immer ohne Pause fest liiert, zuletzt zehn Jahre eheähnlich in einer Wohnung. Als diese Beziehung mit Mitte 30 in die Brüche ging, ist mir etwas passiert. Ich kam auf eine Idee, die viele Frauen nach einer Weile, glaube ich, entwickeln. Darum dreht sich meine Recherche: erst einmal Abstand suchen, sich neu finden und, bevor man sich in eine andere Beziehung stürzt, zu sich kommen. Was will ich denn eigentlich? Was macht mir Spaß? Bin ich vielleicht gerne ab und zu alleine am Reisen?
Damit begann ich, das auszuprobieren und fünf, sechs, sieben Jahre später fiel mir auf: Ich bin auch so eine geworden - und mein Leben ist komplett. Ich fühle mich ausgefüllt mit Freundschaften. Ich suche niemanden mehr, mit dem ich zusammenleben will. Es ist überhaupt nicht mein Thema. Dieses Rausrutschen aus diesem Partnerschaftsgefüge und ein anderes Leben aufzubauen, passiert vielen Menschen en passant. Plötzlich erkennen sie, dass sie der Typ sind fürs gesellige Einzelgängerinnentum.
Keine Personen, die ohne feste Partnerschaft lebt, muss alleine im schmerzlichen Sinne leben, sondern es gibt viele Wege sozial, vertraulich, verbindlich mit Menschen in Kontakt zu sein. Das ist, glaube ich, eine Erfahrung, die viele Frauen gemacht haben - vor allen Dingen übrigens Frauen in der mittleren bis späteren Lebenshälfte. Im Schnitt ist eine Frau hierzulande 43, wenn die Ehe in die Brüche geht. Viele entscheiden sich danach nicht mehr so schnell, sich wieder mit einem Mann einzulassen, sondern nunmehr nach ihrem eigenen Gusto ihr Leben zu gestalten.
Alleinstehende Frauen werden auch gerne mal konfrontiert: "Warum ist eine so einzigartige Frau wie du eigentlich immer noch allein?"
Kullmann: Das ist die Monsterfrage im Buch. Ich war überrascht, dass die gar nicht so modern ist, sondern seit über hundert Jahren bekommen allein lebende Frauen die in Varianten gestellt. Man kann diese Frage, wenn sie am Partybuffet gestellt wird, eigentlich gar nicht beantworten. Viele Frauen retten sich mit Scherzen, um diese Übergriffigkeit zu umgehen. Ich habe schon einmal gesagt: Bindungsangst, die besonders ansteckende Form. Das provoziert Lacher, aber es ist ein lahmer Witz. Es sind sehr private Wege, die dahin führen. Umgekehrt gibt es die Frage nicht. Stellen Sie sich vor, Sie stehen am gleichen Partybuffet und fragen ein Paar: Wieso Sie beide zusammen sind? Echt? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wie kommt das denn? Alle anderen trennen sich doch gerade.
Was ist mit den alleinstehenden Frauen, die den gesellschaftlichen Druck spüren und schwer damit klarkommen? Wie können die sich von diesem Druck freimachen?
Kullmann: Das ist ein langjähriger, schwieriger Prozess. Ich war aber relativ überrascht, wenn man genau hinschaut. Ich nenne mal ein populäres Beispiel: "Tatort". Die Kommissarinnen und Ermittlerinnen dort sind unglaublich viele alleinerziehende Frauenfiguren oder quasi Single-Frauen, die ermitteln. Gucken Sie ins Kino! Es gibt weniger solche Single-Komödien, wo sie immer auf den Anruf wartet, sondern mit einer großen Selbstverständlichkeit sind Alleinerziehende dort Hauptfiguren. Der gesellschaftliche Diskurs ist dabei, sich zu verschieben. Über neue Partnerschaftsrealitäten wird ganz anders gesprochen.
Ist diese Frage überhaupt noch so virulent heutzutage, wo es sehr viele Unschärfen und die unterschiedlichsten Beziehungsmodelle und Lebensformen gibt? Wird das nicht allmählich nachlassen, dass man eine singuläre Frau als bedauernswert erlebt?
Kullmann: Das glaube ich auf jeden Fall, genau in diesem Konzert von neuen Begriffen, mit denen wir gerade in der Gesellschaft jonglieren - übrigens auch aus dem queeren Lager, wo neue Begrifflichkeiten gefunden werden. Das ist alles Teil eines großen Aushandlungsprozesses dieser Gesellschaft: Wie leben wir miteinander? Wie wollen wir es gestalten?
Wir fahren in einer Parallelwelt. Die Leute leben und organisieren schon längst anders als die Eltern- und Großelterngenerationen. Wir haben Begriffe wie Co-Parenting - dass zwei Freunde, Freundinnen sich zusammentun, nicht als Liebespaar, aber gemeinsam die Verantwortung für ein Kind übernehmen. All das passiert längst in einer großen Selbstverständlichkeit. Auf der anderen Seite gibt es die alte Unterhaltungsindustrie, die das alte Märchen einer romantischen Beziehung "Irgendwann finden sie sich" weiter erzählt. Es ist ein eine billige Stanze. Zwischen den vielen Anregungen, die die Kultur und die Politik längst bieten und diesem alten Kitsch befinden wir uns gerade.
Die singuläre Frau ist gar nicht mal eine Revolutionärin, sondern mir ging es darum, sich zu entspannen und die Frauen, die sich damit grämen, ein bisschen zu empowern und ihnen zu spiegeln: Ihr seid eine Normalität von vielen verschiedenen Normalitäten. In jedem Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis kennt jede Person sicherlich drei, vier Menschen, die über eine längere Strecke alleine lebten nach einer Trennung. Es ist überhaupt nichts Besonderes. Mir geht es darum, die Aufregung herunterzudimmen und das alles mit Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu unterfüttern. Wo stehen wir in der Gesellschaft und welche Rolle nimmt diese allein lebende Frau ein? Eigentlich eine gar nicht mal so schlechte.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.