Ein Mann, verschwommen durch einen Türausschnitt zu sehen, stöbert in einer Bücherkiste. © Literaturhaus Hamburg Foto: Daniel Müller

Longlist-Abend zum Deutschen Buchpreis: Querschnitt der Gegenwartsliteratur

Stand: 07.09.2023 15:47 Uhr

Vorrunde im Rennen um den Deutschen Buchpreis: 16 von 20 Autorinnen und Autoren haben sich beim Longlist-Abend im Hamburger Literaturhaus einem begeisterten Publikum vorgestellt.

von Jens Büchsenmann

Die Frage, wer den Deutschen Buchpreis gewinnt, hat sich mehr und mehr zu einem publikumswirksamen Wettstreit entwickelt. Schließlich geht es neben dem Ruhm und der Ehre, den Roman des Jahres geschrieben zu haben, auch ums Geschäft: Denn der Preis zahlt sich an den Kassen der Buchläden ebenso aus wie an der Position auf der Bestseller-Liste.

Irre Mischung aus Erfahrenen und Debütantinnen

Nur vier konnten nicht nach Hamburg kommen - darunter die erfahrene Terezia Mora, und Raphaela Edelbauer mit ihrem schon viel besprochenen Roman "Die Inkommensurablen". Aber alle anderen ergaben eine irre Mischung von bereits erfolgreichen Autoren und erstaunlich vielen Debütantinnen. Die aus Mainz stammende Elena Fischer ist mit ihrem ersten Roman "Paradise Garden" gleich auf der Bestsellerliste gelandet. Eine Generationen-Geschichte, die vor allem durch die plötzlich auftauchende ungarische Großmutter dramatisch zugespitzt wird.

"Die Großmutter verdirbt deshalb alles, weil sie einen ganz anderen Lebensentwurf hat, als Marika und ihre Tochter und weil sie sich dann einnistet bei den beiden, um sich in Deutschland behandeln zu lassen", erzählt Fischer. "Da stoßen dann die Generationen aufeinander, die unterschiedlichen Ansichten, wie man ein gutes Leben führt und dann wird's bunt und traurig auch."

Spannend vorgetragene Texte wirken

Eine Frau mit breitem Lächeln wird von einer anderen Frau vor einem Publikum interviewt © Literaturhaus Hamburg Foto: Daniel Müller
Die NDR Kultur Moderatorin Julia Westlake (rechts) stellt die Autorin Ulrike Sterblich dem begeisterten Publikum vor.

Julia Westlake von NDR Kultur und Literaturhauschef Rainer Moritz moderierten den Abend. Die Regeln sind einfach: Im Wechsel stellen sich die Autoren und Autorinnen im kurzen Gespräch mit den Moderatoren vor, danach lesen sie etwa zehn Minuten aus ihrem Buch. Dabei zeigt sich schnell, dass nicht so sehr die Bücher und die Texte wirken, sondern die, die sie geschrieben haben.

Luca Kieser, in Tübingen geboren, in Wien lebend, hat wohl die irrste Geschichte des Abends zu erzählen. In seinem Roman spricht zu uns ein Riesenkalmar, ein Tintenfisch also, und auch seine acht Arme haben ein Eigenleben und erzählen jeder seine eigene Geschichte. "Ich glaube, wenn ich anfange, über einen Tintenfisch zu schreiben, dann muss ich auch darüber schreiben, warum ich anfange, über einen Tintenfisch zu schreiben", so Kieser. "Und so spaltet sich dieser Roman auf in viele verschiedene Erzählungen. Als ich dann herausgefunden habe, dass in diesen Armen von Tintenfischen jeweils eigene kleine Gehirne sind, war alles klar."

Das Publikum ist hingerissen

Und dann las der 30-Jährige auch noch so gut, so pointiert aus seinem Roman mit dem Titel "Weil da war etwas im Wasser", dass das Publikum regelrecht hingerissen war. "Besonders gut gefallen hat mir das mit dem Tintenfisch", schwärmt eine Besucherin. "Ich bin da etwas distanziert herangegangen und dann habe ich aber gemerkt, wie sehr mich das berührt und ich könnte mir gut vorstellen, dass das mein Favorit wird."

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Achtstündiger Abend mit vielen Publikumslieblingen

So hatte jeder und jede seinen oder ihren Liebling an dem insgesamt achtstündigen Abend im Literaturhaus. Zu denen gehörte ganz sicher Ulrike Sterblich mit ihrem hinreißenden Roman über eine Männerfreundschaft: "Drifter"

Da fiel mir ein, wo ich den Mann schon gesehen und gehört hatte. Sie sind doch der Taxifahrer, wollte ich sagen, aber nun drängte sich etwas anderes davor. Ulrike Sterblich liest aus ihrem Roman

"Es ist schon relativ lang, aber es war natürlich toll, so viele Leute zu hören, aber man kann natürlich auch nicht alles dann aufnehmen" bemerkt ein Besucher. Die Hälfte hätte ihm auch genügt. Eine Besucherin bezeichnet den Abend als anregend und vielseitig.

Querschnitt durch deutsche Gegenwartsliteratur

Wer bis zum Schluss um Mitternacht ausgeharrt hat, konnte sicher sein, einen Querschnitt durch die deutschsprachige Gegenwartsliteratur erlebt zu haben, nicht mehr und nicht weniger.

Dem Longlist-Abend folgt am 19. September die Bekanntgabe der sogenannten Short-List. Sechs Finalistinnen und Finalisten werden auf dieser Liste stehen. Und wer schließlich den Deutschen Buchpreis gewinnt erfahren wir dann kurz vor der Buchmesse, am 16. Oktober, bei der Preisverleihung in Frankfurt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Vormittag | 07.09.2023 | 09:20 Uhr

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