"Literatur im Rathaus": "Diese Literatur ergreift die Gäste"
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hat gestern einen Empfang für die norddeutsche Literaturszene gegeben. Mit der Veranstaltung "Literatur im Rathaus" soll eine Tradition wiederbelebt werden.
"Literatur im Rathaus" - das klingt nach einer schönen Idee: Der Bürgermeister lädt Autorinnen und Autoren zu Gesprächen und Lesungen in seinen Amtssitz. In Hamburg hatte das sogar mal Tradition - die aber vor Jahren eingeschlafen ist. Schon in den 80er-Jahren hatte der damalige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt, Klaus von Dohnanyi, zu "Poesie im Rathaus" eingeladen. Dem folgte die Reihe "Satire im Rathaus". Alles längst Vergangenheit. Doch solche Treffen will man in Hamburg nun wiederbeleben und hat vier prominente Hamburger Autorinnen zu einer Lesung ins Rathaus eingeladen.
Beeindruckender Rahmen
Laut war's, voll und riesengroß. Viele waren beeindruckt von der Pracht. Überall Gold - sogar die Decke des Großen Festsaals in 15 Meter Höhe. Dunkles Leder, dunkles Holz, Marmor, die Gemälde! "Direkt, wenn man reinkommt: ein großartiger Saal, den man sonst überhaupt nie sieht. Man darf als Tourist ja auch nicht hier rein. Das ist ein großartiges Ereignis, wenn man das dann mal darf. Dann diese wunderbare Performance von den Vorlesenden. Ein großartiges Event heute Abend", heißt es aus dem Publikum.
Das lag vor allem an den Autorinnen. An Isabel Bogdan, die mit dem "Pfau" einen auch verfilmten Bestseller geschrieben hat. An Simone Buchholz, die mit ihren Krimis und Romanen ebenfalls weit über Hamburg und Deutschland bekannt ist. An Mia Raben, die ihren ersten Roman im Milieu polnischer Pflegekräfte ansiedelt und virtuos mit den Sprach-Akzenten spielt beim Lesen. Und an Karen Köhler, die als gelernte Schauspielerin eine große Darstellerin ihrer eigenen Texte ist.
Dann vergeht die bescheuerte Zeit mit Absicht besonders langsam. So wie jetzt, wenn ich gerade auf meine beste Freundin waaaaaaaaaaaaaarte. Karen Köhler performt ihr Buch "Himmelwärts"
Tschentscher: "Es soll nicht der letzte Literaturabend im Rathaus gewesen sein"
"Diese Literatur ergreift die Gäste, und ich war ja einer dieser vielen Menschen, die sehr angetan waren von den Welten, in die uns die Autorinnen geführt haben." Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher war dieser Abend ein Anliegen, seit er auf der Buchmesse in Frankfurt intensiveren Kontakt zum Hamburger Literaturbetrieb hatte. "Wir werden jetzt Feedback einsammeln und das soll nicht der letzte Literaturabend im Rathaus gewesen sein, sondern wir möchten gerne ein Format kreieren, das der Literatur in Hamburg gerecht wird und das auch die Gäste lieben", so Tschentscher.
Über 400 Buchhändler, Übersetzerinnen, Verlagsvertreter und Autorinnen waren der Einladung ins Rathaus gefolgt. Viel mehr, als von der Senatskanzlei erwartet, sodass man auf den Großen Festsaal ausweichen musste. "Die Akustik hätte etwas besser sein können, fand ich", sagt eine Besucherin und eine andere ergänzt: "Es ist schwer zu verstehen leider, trotz Hörgeräten, weil der Raum zu groß ist. Aber es ist schade: Eigentlich hieß es, man könnte hinterher Bücher signieren lassen. Ist ja leider nicht möglich. Werden ja auch leider keine Bücher verkauft. Hätte ich gerne gemacht." Diese Probleme mit der Akustik werden sicher einfließen in die Nachbesprechung, die Bürgermeister Tschentscher ohnehin vorhatte, um das Veranstaltungsformat wieder fest zu etablieren im Kalender.
Anschließender Empfang im Kaisersaal
Auch beim anschließenden Empfang im Kaisersaal wurde laut und angeregt diese Neuauflage diskutiert. Martina Krauth von der Buchhandlung Felix Jud: "Wir freuen uns, dass die Literatur im Rathaus wiederbelebt wird, und es hat einfach Spaß gemacht. Und viele junge Leute, alle Generationen sind vertreten, was will man mehr."
Für Günter Berg, einst Verlagschef von Suhrkamp und später auch viele Jahre von Hoffmann und Campe, war Hamburg immer eine Musikstadt. Jetzt ist Günter Berg Vorstand der Siegfried Lenz Stiftung. "Hamburg ist mal eine Literaturstadt gewesen. Einer der Ehrenbürger ist Siegfried Lenz und auch der sollte prägend in dieser Stadt wirken, und wenn die Stadtregierung sich das selbst auf die Fahnen schreibt, das ist natürlich toll. Und deswegen ist es auch wichtig, glaube ich, dass der Bürgermeister der Gastgeber war", so Berg.
Das Fazit: Der Neustart von "Literatur in Hamburg" ist gelungen, was auch am opulent prachtvollen Rahmen des Rathauses liegt - den sicher auch ein Publikum genießen möchte, das nicht zum Literaturbetrieb gehört.