Isabel Bogdan experimentiert beim Schreiben
Wenn sie schreibt, dann mit Erfolg. Ihre Romane sind Bestseller, werden verfilmt, haben Witz, berühren und gehen ans Herz. Isabel Bogdan nimmt es messerscharf mit den Wörtern.
Viele Jahre hat Isabel Bogdan ausschließlich als Übersetzerin gearbeitet, hat Texte von Jonathan Safran Foer, Nick Hornby oder Jane Gardam ins Deutsche übertragen. Bis sie 2016 ihren Debütroman "Der Pfau" veröffentlichte. Die Geschichte über einen Pfau, der in den schottischen Highlands sein Unwesen treibt. Seitdem beglückt Isabel Bogdan ihr Lesepublikum mit neuen, sehr unterschiedlich anmutenden Geschichten. Jüngst erschien ihr Roman "Wohnverwandtschaften". Mit Claudia Christophersen spricht Isabel Bogdan in NDR Kultur à la carte über Erfolg, über das Schreiben, über Wohnmodelle, die womöglich auch eine Initiative gegen Einsamkeit sein könnten.
Im deinem Roman "Wohnverwandtschaften" verflechtest du tragische und sehr ernste Momente, oder?
Isabel Bogdan: Ich glaube, dass das Leben immer beide Seiten hat. Es ist immer tragisch und komisch, aber auch traurig und lustig. Ich freue mich, wenn das in dem Buch so rüberkommt. Es geht um eine WG, darin wohnen vier Erwachsene unterschiedlichen Alters, und der Älteste wird dement. Die drei anderen müssen sich überlegen, wie sie damit umgehen wollen. Sie stellen sich die Frage, wie sie das wuppen können und ob sie das überhaupt wollen. Erst mal müssen sie es überhaupt akzeptieren, dass sie jetzt ein Problem haben. Dummerweise gehört ihm auch noch die Wohnung, was natürlich ein zusätzliches Problem darstellt.
Jörg ist der, der dement geworden ist, er ist 68 Jahre alt.
Bogdan: Er hat große Pläne und er ist auch noch sehr jung für eine Demenz. Eigentlich möchte er mit seinem Bulli große Reisen machen und nach Georgien fahren. Das klappt leider alles nicht mehr.
Die Leute, die im Roman zusammengewürfelt werden, sind sehr unterschiedlich. Es ist eine Art Zweckgemeinschaft. "Wohnenverwandtschaften", bei dem Wort schwingt natürlich Goethe mit seinem Titel "Wahlverwandtschaften" mit. Das ist aber gar nicht von dir beabsichtigt. Und bei Goethe ist ja auch alles sehr harmonisch und dann kommt plötzlich die Störung, bei dir ist es eher umgekehrt. Die Menschen wohnen zusammen und jeder hat sein Problem und seine Geschichte, die er mit in die WG bringt. Aber am Ende sind sie so herzlich und so fürsorglich miteinander, dass es eine konträre Entwicklung ist. Wie kam es zu dem Titel?
Bogdan: Interessant, dass du das so sagst. So hatte ich das noch nicht gesehen. Der Titel war ehrlich gesagt, am Anfang eher ein Scherz, als ich noch keinen Titel hatte. Da habe ich ein bisschen herumgealbert. Im Verlag sagten sie alle: "Toll, super Titel, nehmen wir." Alle waren ganz aus dem Häuschen. Ich dachte: 'Im Ernst? Ich kann mich nicht in Goethes Fußstapfen stellen.' Nach allen möglichen Irrungen und Wirrungen, was den Titel angeht, sind wir dann doch immer wieder darauf zurückgekommen. Es passt ein bisschen. Ich bin kein Fan des direkten Vergleichs: Freunde, Familie, was ist besser? Aber eigentlich sind die WG-Bewohnerinnen und Bewohner wie eine Familie, eine Wahlfamilie. Insofern passt das schon. Andere sagen, es passt, weil es bei Goethe auch zwei Männer und zwei Frauen sind, aber da geht es eher um amouröse Verwicklungen, was bei mir gar keine Rolle spielt.
Am Rande schon, oder?
Bogdan: Das verraten wir aber nicht.
Bist du ein WG-Typ?
Bogdan: Ich habe als Studentin in einer WG gewohnt. Ich glaube, wenn ich alleine wäre, dann wäre ich vielleicht der WG-Typ. Ich glaube, dass das auf jeden Fall ein politisches Thema ist, weil Wohnen in den großen Städten mit einem mittleren oder kleinen Einkommen ist kaum noch zu bezahlen. Erst mal ist es in der Stadt, zum Beispiel in Hamburg, überhaupt schwierig eine Wohnung zu finden, da ist es quasi unmöglich. Wir haben eine zunehmende Zahl von Single-Haushalten und ein zunehmendes Einsamkeitsproblem. Ich glaube, dass alternative Wohnformen, Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften, Wohnprojekte und Generationenwohnen, in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen werden. Außerdem glaube ich, dass das eine sehr gute Entwicklung ist. Wir haben alle gelernt, dass das große Ziel im Leben ist, die romantische Liebe zu finden und diese eine Person, diejenige oder derjenige ist, mit der man bis an sein Lebensende glücklich ist. Jeder Blick in irgendeine Statistik zeigt, so ist es in den allerwenigsten Fällen. Das funktioniert sehr oft nicht. Ich glaube, noch vor 50 Jahren war man mehr oder weniger gezwungen, in der Kernfamilien-Konstellation zu bleiben. Für viele war das die Hölle. Jetzt ist man nicht mehr gezwungen. Man kann raus und sich etwas anderes suchen. Ich glaube, das ist gut.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.