"Heldin": Leonie Benesch und Petra Volpe über die Last der Pflege
Die Schweizer Regisseurin Petra Volpe hat mit der Hamburger Schauspielerin Leonie Benesch einen packenden Film über eine "Heldin" gedreht. Warum Film so wichtig ist als Empathieauslöser, wie auch Pflegende für die Gesellschaft, erzählen beide im Gespräch.
Die Idee zum Film, der bei der kürzlich zu Ende gegangenen Berlinale Weltpremiere gefeiert hat, kam Regisseurin Volpe bereits vor vielen Jahren. Gemeinsam mit ihrer engen Freundin, der preisgekrönten Kamerafrau Judith Kaufmann ("Erbsen auf halb sechs", "Das Lehrerzimmer"), sprachen beide über die Filmidee, eine Pflegerin eine Nacht lang bei ihrer Schicht im Krankenhaus zu begleiten. Aus der Idee wurde das Drama "Heldin".
Kaufmanns Kamera begleitet die Pflegerin Floria, dargestellt von der Hamburgerin Benesch, eine Nacht lang in ihrer schier endlosen Schicht mit vielen Patientinnen und Patienten. Sie alle sind dringend auf Aufmerksamkeit, Pflege und Wissen der Pflegekraft angewiesen.
Preisverdächtige Darstellung eines Pflegealltags
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Wie so oft ist die Schicht auf der Station unterbesetzt, umso mehr hängt Wohl und Wehe der Patientinnen und Patienten von dem Personal ab. Schauspielerin Benesch verkörpert Floria im blauen Kittel mit jeder Faser. Ein Grund, mitzuspielen, war die Regisseurin: "Ich liebe Petras Blick auf Menschen. Ich finde den sehr liebevoll und warm und schön und berührend", meint Benesch. "Und dann war da die Herausforderung, diesen Beruf möglichst wahrheitsgetreu darzustellen." Für die korrekten Handgriffe und Details stand dem Team ein Profi zur Seite.
"Wir hatten eine medizinische Beraterin am Set, Nadja Habicht. Sie hat selbst 20 Jahre lang auf der Intensivstation gearbeitet, sie war jeden Tag bei uns - und unentbehrlich", erinnert sich Benesch. "Sie hat mir gezeigt, wie man einen Zugang legt. Wie die Wunden aussehen oder wie man das Pflaster am besten klebt, welches Pflaster welcher Verletzung entspricht und all solche Sachen." Sie habe der Schauspielerin spezielle Griffe beigebracht, vom Ampullen-Aufbrechen bis hin zum Händedesinfizieren. "Wann macht man das? Wie macht man das? Ist es korrekt? Wo würde man vielleicht, wenn man in Eile ist, einmal etwas nicht tun oder weniger gründlich sein?". Die sechs Wochen während der Drehzeit sei ihre Wohnung in Zürich "voll mit Schläuchen und Spritzen" gewesen.
Krankenhausflur wie eine Eislaufbahn mit einer Athletin
Der lange Flur auf der chirurgischen Station wurde kreativ angelegt, "wie eine Eislaufbahn", auf der "eine Athletin" agiere. Schockierend in der Recherche war für Benesch, "von Pflegefachkräften zu hören, dass die Schicht, die wir in unserem Film zeigen, sogar noch als eine okaye Schicht zählen würde. Ich habe, wie auch die Zuschauer, ein klareres Bild davon, was der Begriff Pflegenotstand reell bedeutet."
Das Ergebnis ist ein zutiefst humanistischer Blick auf den Pflegeberuf. Es würde niemanden wundern, wenn Benesch, Kamerafrau Judith Kaufmann und die Schweizer Regisserin Volpe es in die Oscar-Runde 2026 schaffen.
Ursprung des Filmes: Volpe lebte in WG mit Pflegekraft
"Ich habe lange mit einer deutschen Pflegefachkraft in Berlin zusammengewohnt", erzählt Volpe über die Motivation zum Thema. "Die hat ambulante Krankenpflege gemacht. Ich habe jeden Tag miterlebt, wie sie nach Hause kam, was die beschäftigt hat, wie sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben. Mir kam alles so Banane vor, was ich im Vergleich selber gemacht habe, mit dem, was sie jeden Tag so erlebt hat."
Gedreht wurde in der Schweiz - und zwar in einem echten Krankenhaus, was sehr zur dichten Atmosphäre des Filmes beiträgt. "Wir haben in einem Krankenhaus gedreht, das stillgelegt ist und abgerissen werden soll", erklärt die Regisseurin. Die Tatsache, dass es abgerissen werden solle, zeige, der Schweiz fehle es "nicht unbedingt an Geld. Das wird viel in Gebäudetechnik gesteckt, aber eben nicht in die Pflege. Das ist auch eine Frage der Prioritäten", so Volpe.
"Ich 'backe' Filme - und Kunst ist essenziell für eine zivile Gesellschaft"
Volpe hofft, dass der Film etwas beim Publikum bewirkt. Gerade jetzt. "Ich empfinde die Kunst und das Filmemachen als etwas Existenzielles für die Gesellschaft. Mein Opa war Bäcker und hat Brote gebacken. Und ich backe Filme." Das höre sich etwas kitschig an. "Aber ich finde, dass Kunst und die Reflektion über die Welt und das Präsentieren von anderen Perspektiven, das Kreieren von Empathie, was das Kino kann, aber dass das essenziell ist für eine zivile Gesellschaft."
Es sei gerade heute extrem wichtig, "wo wir so über konsumieren und gar nichts mehr fühlen, ist dieser Moment im Kino, diese 90 Minuten am Lagefeuer, wo alle zusammen eine Erfahrung teilen". Das sei der Moment, im dem alle etwas Ähnliches fühlten. "Wo die Frau neben mir, egal, welche politische Gesinnung sie hat: Sie weint, und ich weine, auch das ist eine wichtige Erfahrung. Wenn wir das verlieren, dann verlieren wir in einen Zusammenhalt. Wir können diese Grausamkeit und Hässlichkeit nicht siegen lassen, die gerade um sich greift. Ich lebe ja in den Vereinigten Staaten, das ist wirklich krass, dass wir da gerade erleben."
Eine Liebeserklärung an die Pflegenden: Sie gehören bewundert!
Sie hofft nun als Filmemacherin, dass möglichst viele Leute "Heldin" gucken gehen: "Der Film ist wirklich eine Liebeserklärung an die Pflegenden. Und zeigt die Härte des Berufs, aber auch das Schöne und das Heldenhafte. Für mich ist der Titel auch provokativ.". Sie wisse, der Begriff sei auch in der Pflege-Community umstritten.
"Dass diese Leute unter diesem Druck arbeiten und dann trotzdem noch jeden Tag auf der Matte stehen und sich Zeit nehmen, hat hat für mich etwas Heldenhaftes. Und ich hoffe, dass die Menschen sich dafür interessieren - diese Leute sind essenziell für uns. Und sie gehören gefeiert und bewundert!" hofft Regisseurin Volpe.
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