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Hamburger Initiative "Nice Dry!" für Suchtprävention in Hamburg

Stand: 13.01.2025 13:02 Uhr

Maurice Rieger ist Hamburger Musiker, Podcaster, Hochzeitsfotograf, Partyveranstalter und Tattoosammler. "Nice Dry!" ist die von ihm gegründete Initiative für Trockenheit und Suchtprävention.

von Alexandra Friedrich

Er glaubt an eine Welt, in der Nüchternheit und Klarheit für viele Menschen relevant ist. Deshalb arbeitet Rieger mit "Nice Dry!" an kreativen Maßnahmen, die das Image von Nüchternheit positiv belegen und die Stigmatisierung von Suchterkrankungen abbauen.

Initiative für ein Leben ohne Alkohol

Ein Mann mit Tattos und Käppi sitzt vor einem Lapttop, daneben sitzt ein älterer Mann und schaut ihn an © NDR Foto: Alexandra Friedrich
Der gelernte Erzieher Maurice Rieger will mit der Initiative "Nice Dry!" explizit auch junge Menschen erreichen. Daher bietet diese Präventionsworkshops für Schüler*innen.

Im Rahmen des sogenannten "Dry January" findet ein zweitägiges Event des Vereins "Nice Dry!" in Hamburg statt. In verschiedenen künstlerischen Darstellungsformen (Ausstellung, Live Podcast, Live-Talks, Tattoo und vieles mehr) geht es um das Leben ohne Alkohol. Ziel ist ein vorurteilsfreier Austausch und Aufklärungsarbeit zu riskantem Alkoholkonsum. "Nice Dry!" versteht sich als "Begegnungsraum für die verschiedenen Formen des Verzichts zur Hilfe zur Selbsthilfe".

Wenn's festlich wird, lassen wir die Korken knallen, wir stoßen an auf Erfolge und belohnen uns nach getaner Arbeit mit dem Feierabendbier. Alles, was Spaß macht, muss scheinbar feucht-fröhlich sein.

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Nüchtern und trocken hingegen: Das sind Begriffe, die wir mit fantasielos, schmucklos, fad und kalt verbinden. So stellen sich noch immer viele das Leben ohne Alkohol vor. Das kennt auch Maurice Rieger. Er ist Kommunikationsdesigner, Erzieher und Musiker in Hamburg - ein energiegeladener junger Typ mit vielen Tattoos und blondierten Haaren.

Als der kreative Tausendsassa 2018 erkennt, dass er ein Problem mit Alkohol hat und besser nicht mehr trinken sollte, ist das mit einer großen Angst verbunden, wie er erzählt, nämlich "dass das Leben, wie ich es geführt habe, 'rum ist und ich langweilig werde. Und alle meine alten Freund*innen aufgeben muss."

Das Internet bietet Wegbegleiter der "sober community"

Aber dann entdeckt er im World Wide Web eine sehr aktive Gemeinde nüchtern lebender Menschen. In Podcasts, Blogs und auf Social-Media-Kanälen erzählt die "sober community" von der Schönheit des Lebens ohne Promille. Maurice Rieger mischt begeistert mit und entwickelt schließlich eine Idee: diese Netz-Gemeinschaft im echten Leben zu versammeln.

Rieger überlegt, dort könne man ein Event gestalten, "wo coole Kulturschaffende, die nüchtern leben, sich treffen, das ganz niederschwellig ist." Wo Kunst an den Wänden hänge, gleichzeitig Tätowierer*innen am Start seien, "die auch nüchtern leben und Motive zum Thema stechen." Die Idee sei, dass über das Angebot, was wie ein Lifestyle-Event herüberkomme, "Gespräche und Netzwerke entstehen, und ich mich mit dem nüchternen Leben anfreunden und das positiv belegen kann."

"Nice Dry": Social-Media-Account mit fröhlichen Grafiken

"Nice Dry!" will Maurice Rieger die Veranstaltung nennen. Und weil sich so ein Projekt allein schwer stemmen lässt, erstellt er 2022 ein Instagram-Profil mit knallbunten und fröhlichen Grafiken, die zeigen: das trockene Leben sieht gar nicht grau und trist aus. Schnell finden sich Verbündete - wie Barbara Meier. "Wenn du entscheidest, dass Alkohol nicht mehr so eine richtig tolle Sache ist, dann bist du erstmal alleine damit. Die ganze Gesellschaft ist Alkohol geprägt. Und dann fängt man an, mit offenen Augen irgendwie zu gucken. Wo gibt es da noch was?".

Dabei entdeckt Meier Maurice Riegers Aufruf, "Nice Dry!" suche künstlerischen Support. "Dann habe ich Maurice angeschrieben und meine Hilfe angeboten." Sie habe gesagt, sie sei Innenarchitektin und Künstlerin, könne bei der Planung helfen, beim Aufhängen. "Und dann war ich gleich im Team", erzählt Meier.

Die Hamburgerin kümmert sich um die Ausstellung mit Werken unterschiedlicher sober lebender Künstler*innen. Auch der Illustrator und Graffiti-Künstler Robert Bohnstengel gehört zu der sehr diversen Crew und freut sich über "Nice Dry!" als Begegnungsort mit Gleichgesinnten.

"Ich war lange sober, ohne wirklichen Kontakt zu anderen Leuten, die auch sober waren, weil mir da so ein künstlerischer Bezug zu gefehlt hat. Ich habe mich in meinem künstlerischen Umfeld total falsch gefühlt." Er habe immer das Gefühl gehabt, es gäbe kaum Leute, die sober seien, die gestalten könnten. "Als Künstler geht man immer an Grenzen. Drogen und Alkohol sind da viel mit im Spiel. Es gab einfach kaum Leute, die sich mal anders positioniert haben."

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Liebdruck, Live-Podcasts, Lesungen, Modeschauen

Robert Bohnstengel leitet einen Graffiti-Workshop für Jugendliche. Bei "Nice Dry!" kann man auch Siebdruck machen. Es gibt Live-Podcasts und Lesungen, Modenschauen und Lachyoga, DJ-Sets und Konzerte - natürlich nur von trockenen Künstler*innen.

Über den Zusammenhang zwischen Musikwelt und Alkohol diskutieren in einer Talkrunde unter anderem die Rapper*innen Harris und Sookee. Sie spricht offen über ihre frühere Alkoholabhängigkeit, wie hier in dem Podcast auf Augenhöhe. "Da wo eine Bühne ist, ist ein Backstage. Da wo ein Backstage ist, ist ein Kühlschrank. In diesem Kühlschrank ist immer Alkohol. Und wenn der alle ist, wird er nachgefüllt", erzählt Sookee.

Der gelernte Erzieher Maurice Rieger hofft, mit diesen Stimmen auch ein junges Publikum zu erreichen. Zusätzlich zum Festivalwochenende gibt es deshalb auch Präventionsworkshops für Schüler*innen. Künstler, Autorinnen und Schauspieler*innen beweisen den Kids, dass Kunst der bessere Stoff ist, als Alkohol.

Zur etablierten Selbsthilfe-Organisationen will "Nice Dry!" aber keine Konkurrenz sein, sondern eine Ergänzung. Rieger möchte, "dass man ein Selbsthilfeangebot schafft, was sich cool anfühlt, am Puls der Zeit und auch Jugendliche abholt. Und dass man in dieser Gemeinschaft einmal vorlebt, dass ein nüchternes Leben machbar ist, dass es sich gut anfühlt und ein bisschen nach Lifestyle anfühlt und man nicht mehr so in dem Defizit rumwühlt, sondern eine Perspektive hat, wo man hinwill."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur - Das Journal | 13.01.2025 | 16:20 Uhr

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