Der Wolf: Warum hat er so einen schlechten Ruf?
Die Rückkehr des Wolfes in deutschen Wäldern weckt uralte Ängste. Die Geschichte des Wolfes in unserer Kultur reicht weiter zurück als die aktuellen Diskussionen um das wilde und doch so vertraute Tier.
Die Diskussion um den Wolf in unseren Wäldern läuft derzeit heiß, Argumente von Artenschützern sind genauso umstritten wie die der Wolfsgegner, die die Rückkehr dieser Tiere mit Gewehrkugeln eindämmen wollen.
Die Angst vor dem Wolf ist tief im kulturellen Gedächtnis verankert. Bei "Peter und der Wolf" heißt es in der Intromelodie:
Oh, oh! Der Isegrim. Bedrohlich, düster und geheimnisvoll. Der Lupus. Der einsame Jäger. Das Schlitzohr. Der felltragende Verwandlungskünstler mit stinkendem, aber langem Atem.
Auch bei Rotkäppchen spielt der Wolf eine große Rolle:
Großmutter wieso hast du so ein entsetzlich großes Maul? Damit ich dich besser fressen kann!
Ob als Großmutter, kreideschluckend, oder gar im Schafspelz: Oft hat der Wolf in die Trickkiste gegriffen, um sich einzuschleichen. Und spätestens seit Michael Jacksons Werwolf-Video zu dem Welthit "Thriller" war der Wolf, beziehungsweise sein Image, endgültig in den Brunnen gefallen.
Woher kommt der Hass der Wölfe?
Im frühen Mittelalter machte die Aristokratie das Eigentum an allen Wildbeständen geltend und in ihren Jagdgebieten war kein Platz für Wölfe. Diese fielen stattdessen über die Herden der Bauern her und säten damit Hass gegen die Wölfe. Der Wolf, der einsame und nächtliche Jäger, weckt auch Jahrhunderte später noch immer diffuse Ängste - und Märchen und Mythen haben ihren Teil dazu beigetragen: So analysiert der Historiker Martin Rheinheimer schon 1995 in einem Aufsatz die Angst vor dem Wolf, als er sich mit der Ausrottung der Wölfe in Schleswig-Holstein befasste.
Auf diese Weise schlich sich der Wolf, kulturell weitervermittelt, noch heute in unsere Träume, und so kann es schnell geschehen, dass, wenn tatsächlich wieder ein Wolf auftaucht, alle diese Ängste virulent werden, die verdrängte Angst sich an ihm kristallisiert.
Wolf gilt in manchen Kulturen als Symbol für Stärke und Freiheit
Nicht immer hat der Wolf nur Angst und Schrecken verbreitet. Er galt und gilt in manchen Kulturen auch als Symbol für Unabhängigkeit, Stärke und Freiheit. Er ist das Nationaltier Serbiens, viele türkische Völker verehren ihn als Schutzgeist, gar als Ur-Ahn. Auch das Bild des ausgesetzten hilflosen Menschleins, von fürsorglichen Wölfen aufgezogen, ist wohl bekannt. Dschinghis Khan soll unter Wölfen aufgewachsen sein, auch Rudyard Kiplings Dschungelbuch basiert auf diesem Mythos. Fürsorge und Schutz - auch dafür steht der Wolf. Rom wurde vielleicht nicht an einem Tag erbaut, aber es soll eine Wölfin gewesen sein, die die mythischen Stadtgründer Romulus und Remus säugte und großzog.
Städtenamen wie Wolfsburg oder Wolfenbüttel zeugen von dem engen Verhältnis, das wir hierzulande zum Wolf haben. Zahlreiche Sportfans stimmen Wolfsgeheul an, wenn ihr Team, die Wölfe, den Platz oder das Eis betreten. Aber solange Meister Isegrim sich nicht domestizieren lässt, wird er chancenlos bleiben angesichts des sogenannten "kulturellen Gedächtnisses", also der jeder Ratio trotzenden Geschichten über Werwölfe, Wolfsnächte, Wolfsmenschen
Wolf sollte sein schlechtes Image loswerden
Doch es gab auch Rettungsversuche. Zum Beispiel Lupo, eine Comicfigur geschaffen von Rolf Kauka, oft als der deutsche Walt Disney bezeichnet. Lupo ist der Gegenspieler von Fix und Foxi, den schlauen Füchschen, die jahrzehntelang Deutschlands erfolgreichster Comic-Hit waren. Lupo ist jedoch immer der heimliche Held der Geschichten gewesen. Faul und verfressen, aber auch ein Schlawiner und Lebenskünstler - absolut liebenswert. Aber so sehr sich auch die Popkultur um einen Imagewandel bemüht hat: Für die Menschen war der Wolf lange Jahrhunderte eine reale Gefahr - mehr allerdings für deren Tierhaltung, als fürs eigene Leib und Leben. Kaum eine Natur-Doku über den Wolf kommt ohne Erklärungen für seinen schlechten Ruf aus. Kein Geräusch in der Natur hat den Menschen mehr Angst eingejagt und kein Tier wurde so gehasst wie der Wolf..
Wölfe gehören nicht zu gefährlichsten Tieren Deutschlands
Die gefährlichsten Tiere in Deutschland sind übrigens Wespen und Bienen, gefolgt von Zecken und Hunden. Der Wolf taucht gar nicht auf in der Statistik. Immer wieder wird er durch den Wolf gedreht, aber vielleicht findet er ja einen Freund oder eine Freundin, um sich über diese Ungerechtigkeit beim nächsten Vollmond mal richtig auszuheulen. In dem Kinderlied "Zwei kleine Wölfe heißt es:
Zwei kleine Wölfe gehen des Nachts im Dunkeln. Man hört den einen zu dem anderen munkeln: "Warum geh'n wir denn immer nur des Nachts herum? Man tritt sich an den Wurzeln ja die Pfoten krumm! Wenn's nur schon heller wär'! Wenn nur der Wald von Sternen hell erleuchtet wär'!"