"Der Tod stirbt nie" - Poetry-Slam über ein Tabuthema
Der Poetry-Slam mit dem Titel "Der Tod stirbt nie" in der Universität Göttingen stellte das Sterben und den Tod in den Mittelpunkt und brach so mit einem Tabu. Ein Beitrag zum Totensonntag.
Gregor Dreizehnter ist jemand, der täglich mit dem Tod zu tun hat. Er verpackt seine beruflichen Erfahrungen aus der Palliativmedizin in Reime, Gedichte und Texte.
Alles war nur ein Traum,
werde ich mal zu dir meinen.
Wir waren nie zusammen,
also brauchst du nicht zu weinen.
Nicht zu weinen.
Alles ist nur ein Traum sag ich dir hier und jetzt
und darum rate ich: halte dich an deinen Träumen fest.
Halt. Dich. Fest.
Textzitat aus Poetry-Slam von Gregor Dreizehnter
Gregor Dreizehnter steht vor gut 70 Menschen in einem schummrig beleuchteten Hörsaal der Uni Göttingen. Im Publikum: hauptsächlich junge und alte Leute, viele unter 30 Jahre, viele über 70.
Das Sterben zynisch auf die Schippe genommen
Sechs Lyriker:innen präsentieren beim Poetry-Slam ihre Werke über den Tod. Viele handeln von persönlichen Trauergeschichten - manche nehmen das Sterben mal zynisch, mal ironisch auf die Schippe, andere philosophieren über das Leben - so wie auch Gregor Dreizehnter. "Wir erleben das bei der Arbeit bei den Sterbebegleitungen tatsächlich, dass Menschen dem Tod ins Auge sehen müssen aufgrund einer Krankheit und Bilanz ziehen und dann nicht selten bereuen, was sie in ihrem Leben nicht getan haben", erzählt er. Viele im Publikum hören gespannt zu, andere halten sich in den Armen, manchmal hört man ein leises Schluchzen. Doch sobald das letzte Wort verhallt: lauter Applaus, Pfiffe, Trommeln auf den Uni-Bänken.
Kontrast aus Trauer und Jubel
Auch wenn das Thema des Abends keine leichte Kost ist, bleiben die Regeln eines Poetry-Slams bestehen. Je lauter der Applaus, desto besser die Bewertung der Poetryslammer. Dieser Kontrast aus Trauer und Jubel schafft eine ganz eigene Stimmung im Hörsaal.
Kurz vor Schluss erhebt sich eine ältere Dame aus dem Publikum, bittet mit belegter Stimme um eine Schweigeminute für alle, die in diesem Jahr gestorben sind. Für Gesine Benze, Leiterin der Palliativmedizin der Uni Göttingen, ein Zeichen, dass der Poetry-Slam bei den Menschen etwas bewegt: "Wir haben ja tagtäglich mit den Themen Tod und Sterben zu tun, aber wir stellen fest, dass das in der Gesellschaft ein Tabuthema ist. Und da ist es uns ein Anliegen, das aus dieser Tabuzone rauszuholen in das Leben hinein - auf kreative Art und Weise, nämlich mit Poesie und mit Texten."
Den Tagen mehr Leben geben
Den Tod mehr ins Leben holen - das ist auch für Poetryslammer und Palliativpfleger Dreizehnter wichtig, denn: "Es gibt Situationen, da können wir nicht dem Leben mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben, also sprich die Lebensqualität todkranker und sterbender Menschen steigern und dafür lohnt es sich zu kämpfen." Mit einem langen Applaus werden die Lyriker:innen schließlich in die kalte Göttinger Herbstnacht verabschiedet. Viele ihrer Worte scheinen noch nachzuwirken: Vor dem Hörsaal stehen die Menschen zusammen, reden und tauschen sich aus. Die Einnahmen des Abends gehen an die ehrenamtliche Trauerbegleitung der Palliativmedizin in Göttingen.