Sabine Schief © Sandra Wolf Fotografie Foto: Sandra Wolf
Sabine Schief © Sandra Wolf Fotografie Foto: Sandra Wolf
Sabine Schief © Sandra Wolf Fotografie Foto: Sandra Wolf
AUDIO: "Eine Gratwanderung": Sabine Schief gestaltet humorvolle Trauerreden (7 Min)

"Eine Gratwanderung": Sabine Schief gestaltet humorvolle Trauerreden

Stand: 22.11.2024 15:36 Uhr

Sabine Schief ist "schwäbische Herzhumoristin und schräge Kabarettistin" - so bezeichnet sie sich selbst auf ihrer Website. Seit 2021 ist sie als freie Rednerin für Trauerfeiern und für Trauungen aktiv.

In ihre Trauerreden webt sie auch eine Prise Humor mit ein. "Es passieren einem auch lustige Dinge im Leben, und das darf man dann auch erzählen", findet Schief.

Frau Schief, Sie sagen, Lachen und Weinen seien gar nicht so weit voneinander entfernt, richtig?

Sabine Schief: Nein, überhaupt nicht. Man sagt ja auch, das sei ein ganz schmaler Grat. Am schönsten beobachten kann man das bei Kindern. Wenn ein Kind einen Lachflash hat, dann kann man manchmal erleben, dass daraus urplötzlich ein Weinen wird. Wir Erwachsene lassen das nicht mehr so zu, aber wir sind da gleich gepolt.

Wie sind Sie zu Ihrem Zweitberuf als Trauerrednerin gekommen?

Schief: Ich würde sagen, die Pandemie hat mich gezwungen. Ich bin hauptberuflich Kabarettistin, schon seit vielen Jahrzehnten, und ich durfte ja nicht arbeiten, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch nicht. Dann war die Frage: Wovon könnte ich denn leben in dieser Zeit? Es war mir sehr schnell klar, dass es eine längere Sache sein wird. Ich habe mit zwei Jahren gerechnet - dass es nun drei geworden sind, in denen wir nicht so richtig arbeiten konnten, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wollte Menschen verheiraten, aber man durfte keine richtige Hochzeitsfeier abhalten. Und so bin ich auf die Idee der Trauerrednerin gekommen.

Weitere Informationen
Renske Steen © Ina Mortsiefer Foto: Ina Mortsiefer

Richtig trauern - Gespräch mit der Bestatterin Renske Steen

Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag - der November steht ganz im Zeichen der Trauer. Für Renske Steen gilt das an jedem Tag. mehr

Es gibt etwas, das Hochzeitsfeste und das letzte Lebensfest eint: Die Menschen brauchen jeweils Worte, die ihnen guttun. Was macht für Sie eine gute Trauerrede aus?

Schief: Für mich macht eine gute Trauerrede aus, dass ich im Gespräch herausfinde, zu dem ich mir sehr viel Zeit nehme, was die Menschen brauchen und was ihnen guttun könnte. Das, was mir gut tut, muss ja für die Leute nicht das Richtige sein. Das verquicke ich dann mit der Biografie der verstorbenen Person, sodass man alles findet: sowohl die Familie, die nahen Angehörigen, als auch die Person, die gegangen ist. Wenn sich alle in dieser Rede wiederfinden und mich hinterher fragen, ob ich den Verstorbenen gekannt habe, dann ist die Rede gelungen.

Sie selbst haben zwei Internetseiten: Die eine heißt schiefgelacht - das ist die Kabarettistin, die andere heißt schiefgeherzt für die Trauerrednerin. Wo ziehen Sie persönlich die Grenze zwischen heilsamem Humor und eher unpassendem Witz in einem doch sehr sensiblen Kontext?

Schief: Das ist eine Gratwanderung. Die Grenze ist eindeutig, dass ich keine Witze mache, sondern der Humor entsteht aus der Erzählung. Vielleicht habe ich eine Gabe, Lebensgeschichten so wiederzugeben, dass sie eine Heiterkeit erzeugen. Wenn das dann noch gespickt ist mit Zitaten - und weil ich aus dem Stuttgarter Raum komme, zitiere ich bei schwäbischen Menschen auch in Mundart -, bekommt das Ganze eine leichtere, heitere Note. Es passieren einem auch lustige Dinge im Leben, und das darf man dann auch erzählen.

Weitere Informationen
Sonne bricht hinter einer dicken Wolke hervor. Man sieht schon die kräftigen Strahlen. © IMAGO / Bihlmayerfotografie

Mitmach-Aktion: Was hilft in Zeiten tiefer Trauer?

In Zeiten der Trauer können unterschiedliche Dinge Trost und Halt bieten - was hilft, ist individuell verschieden. Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit. mehr

Humor ändert grundsätzlich nichts an der Situation, aber Humor lässt uns vieles besser ertragen. Gibt es etwas, was Sie sich für Ihre eigene Trauerfeier wünschen würden?

Schief: Ich würde mir wünschen, dass die Leute ihre Gefühle zulassen, dass sie einfach rauslassen, wie es ihnen geht. Sie dürfen lachen, sie dürfen weinen. Was man nicht kann: Man kann nicht verordnen, dass die Leute fröhlich sein sollen. Das geht einfach nicht. Man hat den Schmerz, dass man jemanden verloren hat. Sehr häufig steht in den Aufzeichnungen der verstorbenen Menschen: Die Leute sollen feiern! Aber das kann man nicht verordnen. Wenn dann Menschen zusammenkommen, die sich vielleicht schon länger nicht mehr gesehen haben, und sich gerne an mich zurückerinnern, dann wäre es das Schönste für mich. Aber ich kriege es vermutlich nicht mit.

Grundsätzlich ist Trauer etwas sehr Individuelles. Wie empfinden Sie mit Ihrer Erfahrung die heutige Trauerkultur? Gibt es etwas, das wir als Gesellschaft vielleicht besser machen könnten?

Schief: Ich glaube, wir können ganz viel besser machen. Ich habe das Gefühl, dass wir uns mit dem Tod und mit dem Sterben nicht mehr beschäftigten möchten. Das, was früher so selbstverständlich war: dass man zu Hause versorgt wurde, dort auch gestorben ist, dann die Nachbarn gekommen sind und sich noch verabschiedet haben, dass man so zusammensaß. Das würden wir heute als Leichenschmaus beziffern - aber auch dieses Wort wird heute vermieden. Man sagt Nachkaffee oder nettes Zusammensitzen. Das hatte alles seine Berechtigung, und da hatte der Tod Platz im Leben. Heute beschäftigt man sich nicht mehr damit, und man geht sich lieber aus dem Weg. Ich glaube, da ist ganz viel Unsicherheit. Trauernden kann man helfen, indem man fragt: Was kannst du brauchen? Soll ich dich in Ruhe lassen? Hast du die Kraft, dich zu melden, wenn du mich brauchst? Dass man einfach drüber spricht und nicht so tut, als ob nichts passiert ist.

Das Gespräch führte Philipp Cavert.

Weitere Informationen
Mitreden!-Moderator Christoph Kober (r.) und Gäste der Sendung zum Thema Trauer © NDR/RBB Foto: Livestream-Screenshot
103 Min

Mitreden!: Trauer, TikTok und Co - Ändert sich Umgang mit dem Tod?

Hörerinnen und Hörer haben bei Mitreden! mit Experten über neue Trends in der Trauer diskutiert. Die Sendung als Video-Mitschnitt. 103 Min

Grabkerzen leuchten abends auf einem Münchner Friedhof © picture alliance / Wolfgang Maria Weber | Wolfgang Maria Weber

Gedichte über das Trauern - von Lessing bis Baudelaire

Trauer ist eine der tiefsten Erfahrungen im Leben eines Menschen - gerade die Poesie kann den Schmerz in Worte fassen. mehr

Der Grabstein einer Gedenkstätte für tot geborene Kinder. © Astrid Wulf Foto: Astrid Wulf

Sternenkinder: Trauerorte wie in Lübeck sollen Eltern helfen

Schwangerschaften enden oft mit dem Tod des ungeborenen Babys. Würdevolle Bestattungen können helfen, den Verlust zu verarbeiten. mehr

NDR 1 Radio MV - Dorf Stadt Kreis: Annette Ewen und Mirja Freye © iStock Foto: golero
40 Min

#69 Neue letzte Wege - Trauer kann auch bunt sein

Alles in schwarz und dazu der Trauermarsch, das wollen viele Menschen heute nicht mehr. Doch Beerdigungen können auch ganz anders sein - die Bestattungskultur in MV ist im Wandel. 40 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 22.11.2024 | 16:15 Uhr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Zwei Männer und zwei Frauen in Glitzerkostümen umgarnen eine blonde Frau im blauen Kostüm. © Schmidt Theater / Morris Mac Matzen Foto: Morris Mac Matzen

"Winterglitzer": Fröhliche Abwechslung für nasskalte Abende

Die Revue im Hamburger Schmidt Theater verbreitet mit Comedy, Akrobatik und Musik famosen Unsinn - und gute Laune. mehr