"Eine Gratwanderung": Sabine Schief gestaltet humorvolle Trauerreden
Sabine Schief ist "schwäbische Herzhumoristin und schräge Kabarettistin" - so bezeichnet sie sich selbst auf ihrer Website. Seit 2021 ist sie als freie Rednerin für Trauerfeiern und für Trauungen aktiv.
In ihre Trauerreden webt sie auch eine Prise Humor mit ein. "Es passieren einem auch lustige Dinge im Leben, und das darf man dann auch erzählen", findet Schief.
Frau Schief, Sie sagen, Lachen und Weinen seien gar nicht so weit voneinander entfernt, richtig?
Sabine Schief: Nein, überhaupt nicht. Man sagt ja auch, das sei ein ganz schmaler Grat. Am schönsten beobachten kann man das bei Kindern. Wenn ein Kind einen Lachflash hat, dann kann man manchmal erleben, dass daraus urplötzlich ein Weinen wird. Wir Erwachsene lassen das nicht mehr so zu, aber wir sind da gleich gepolt.
Wie sind Sie zu Ihrem Zweitberuf als Trauerrednerin gekommen?
Schief: Ich würde sagen, die Pandemie hat mich gezwungen. Ich bin hauptberuflich Kabarettistin, schon seit vielen Jahrzehnten, und ich durfte ja nicht arbeiten, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch nicht. Dann war die Frage: Wovon könnte ich denn leben in dieser Zeit? Es war mir sehr schnell klar, dass es eine längere Sache sein wird. Ich habe mit zwei Jahren gerechnet - dass es nun drei geworden sind, in denen wir nicht so richtig arbeiten konnten, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wollte Menschen verheiraten, aber man durfte keine richtige Hochzeitsfeier abhalten. Und so bin ich auf die Idee der Trauerrednerin gekommen.
Es gibt etwas, das Hochzeitsfeste und das letzte Lebensfest eint: Die Menschen brauchen jeweils Worte, die ihnen guttun. Was macht für Sie eine gute Trauerrede aus?
Schief: Für mich macht eine gute Trauerrede aus, dass ich im Gespräch herausfinde, zu dem ich mir sehr viel Zeit nehme, was die Menschen brauchen und was ihnen guttun könnte. Das, was mir gut tut, muss ja für die Leute nicht das Richtige sein. Das verquicke ich dann mit der Biografie der verstorbenen Person, sodass man alles findet: sowohl die Familie, die nahen Angehörigen, als auch die Person, die gegangen ist. Wenn sich alle in dieser Rede wiederfinden und mich hinterher fragen, ob ich den Verstorbenen gekannt habe, dann ist die Rede gelungen.
Sie selbst haben zwei Internetseiten: Die eine heißt schiefgelacht - das ist die Kabarettistin, die andere heißt schiefgeherzt für die Trauerrednerin. Wo ziehen Sie persönlich die Grenze zwischen heilsamem Humor und eher unpassendem Witz in einem doch sehr sensiblen Kontext?
Schief: Das ist eine Gratwanderung. Die Grenze ist eindeutig, dass ich keine Witze mache, sondern der Humor entsteht aus der Erzählung. Vielleicht habe ich eine Gabe, Lebensgeschichten so wiederzugeben, dass sie eine Heiterkeit erzeugen. Wenn das dann noch gespickt ist mit Zitaten - und weil ich aus dem Stuttgarter Raum komme, zitiere ich bei schwäbischen Menschen auch in Mundart -, bekommt das Ganze eine leichtere, heitere Note. Es passieren einem auch lustige Dinge im Leben, und das darf man dann auch erzählen.
Humor ändert grundsätzlich nichts an der Situation, aber Humor lässt uns vieles besser ertragen. Gibt es etwas, was Sie sich für Ihre eigene Trauerfeier wünschen würden?
Schief: Ich würde mir wünschen, dass die Leute ihre Gefühle zulassen, dass sie einfach rauslassen, wie es ihnen geht. Sie dürfen lachen, sie dürfen weinen. Was man nicht kann: Man kann nicht verordnen, dass die Leute fröhlich sein sollen. Das geht einfach nicht. Man hat den Schmerz, dass man jemanden verloren hat. Sehr häufig steht in den Aufzeichnungen der verstorbenen Menschen: Die Leute sollen feiern! Aber das kann man nicht verordnen. Wenn dann Menschen zusammenkommen, die sich vielleicht schon länger nicht mehr gesehen haben, und sich gerne an mich zurückerinnern, dann wäre es das Schönste für mich. Aber ich kriege es vermutlich nicht mit.
Grundsätzlich ist Trauer etwas sehr Individuelles. Wie empfinden Sie mit Ihrer Erfahrung die heutige Trauerkultur? Gibt es etwas, das wir als Gesellschaft vielleicht besser machen könnten?
Schief: Ich glaube, wir können ganz viel besser machen. Ich habe das Gefühl, dass wir uns mit dem Tod und mit dem Sterben nicht mehr beschäftigten möchten. Das, was früher so selbstverständlich war: dass man zu Hause versorgt wurde, dort auch gestorben ist, dann die Nachbarn gekommen sind und sich noch verabschiedet haben, dass man so zusammensaß. Das würden wir heute als Leichenschmaus beziffern - aber auch dieses Wort wird heute vermieden. Man sagt Nachkaffee oder nettes Zusammensitzen. Das hatte alles seine Berechtigung, und da hatte der Tod Platz im Leben. Heute beschäftigt man sich nicht mehr damit, und man geht sich lieber aus dem Weg. Ich glaube, da ist ganz viel Unsicherheit. Trauernden kann man helfen, indem man fragt: Was kannst du brauchen? Soll ich dich in Ruhe lassen? Hast du die Kraft, dich zu melden, wenn du mich brauchst? Dass man einfach drüber spricht und nicht so tut, als ob nichts passiert ist.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.