Brigitte Reimann: Begründerin der Ankunftsliteratur
Vor 50 Jahren starb Brigitte Reimann. Sie gehörte zu den ganz großen Schriftstellerinnen der DDR - und das, obwohl sie nur 39 Jahre alt wurde. In Neubrandenburg, wo sie am Ende ihres Lebens zu Hause war, trägt heute das Literaturhaus ihren Namen.
Ein halbes Jahr erst sind die Nationalsozialisten an der Macht, da wird Brigitte Reimann geboren - am 21. Juli 1933 in Burg, bei Magdeburg. Dort wächst sie im Nachkriegsdeutschland auf. "Ich habe als Schulkind schon ganz wilde und fantastische Geschichten geschrieben", erinnert sie sich in einem Interview von 1969 - kurz nach ihrem Umzug nach Neubrandenburg.
"Die Frau am Pranger": Reimanns Lieblingsbuch
Nach dem Abitur habe sie dann "Die Frau am Pranger" geschrieben. "Das war eigentlich ein Zufall", sagt Reimann. "Das habe ich ohne Ahnung von irgendwelchen literarischen Gesetzten geschrieben." Unerwähnt bleibt dabei ihr Erstling. 19 Jahre ist sie erst alt, als sie den Roman mit dem Titel "Die Denunziantin" fertigt stellt. Aber das Skript bleibt Manuskript, wird nicht verlegt. Erst 70 Jahre nachdem es geschrieben wurde - veröffentlicht der Aisthesis Verlag nun ihren Erstling.
Die junge Autorin wird von Schriftstellern und Kulturinstitutionen gefördert. Die Erzählung "Die Frau am Pranger" liegt ihr Zeit ihres Lebens besonders am Herzen - sie erscheint 1956. Es handelt von der Liebe einer Deutschen zu einem russischen Kriegsgefangenen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Reimann geht in die sozialistischen Arbeiterbetriebe
Als Begründerin der sogenannten Ankunftsliteratur gilt Brigitte Reimann. Wie sie kommt eine ganze Generation damals im realen Sozialismus der noch jungen DDR an und setzt sich mit dem auseinander, was dieser Alltag mit sich bringt.
Brigitte Reimann begibt sich mitten hinein: zieht 1960 nach Hoyerswerda, in diese von Braunkohle geprägte, aus dem Boden gestampfte Stadt in der Lausitz. Sie arbeitet zwischen Braunkohlestaub und Gasgeruch im Kombinat Schwarze Pumpe, besucht den Zirkel schreibender Arbeiter. "Für mich ist das eine Selbstauseinandersetzung und ein Versuch, mir selbst Fragen zu beantworten", sagt Reimann 1969.
"Franziska Linkerhand": Reimanns Zweifel am Sozialismus
Als Schriftstellerin erfährt sie immer mehr Anerkennung. Sie veröffentlicht Erzählungen, ein Tagebuch einer Sibirienreise und beginnt 1963 mit der Arbeit an ihrem Hauptwerk: "Franziska Linkerhand". In ihm bekommen Zweifel, Schwierigkeiten und Konflikte im sozialistischen Alltag mehr Raum - die Erzählweise unterscheidet das Werk von den vorhergegangenen. "Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen", erklärte Linkerhand. "In einer unmittelbaren Gegenwart in Monologform und in der Vergangenheit, die in der objektiven Erzählweise geschrieben ist."
Als am 20. August 1968 russische Panzer in Prag stehen, erklären viele Mitglieder des Schriftstellerverbandes ihre Zustimmung zum Eingreifen der Warschauer-Pakt-Truppen - Brigitte Reimann unterschreibt nicht.
Brigitte Reimann verliert den Kampf gegen den Krebs
Mehrere Ehen und Krankheiten prägen ihr kurzes Leben - zehn Jahre kämpft sie mit einer Krebserkrankung. Kurz vor ihrem Umzug nach Neubrandenburg die erste Operation. Am 20. Februar 1973 verliert sie den Kampf und stirbt mit 39 Jahren in einem Krankenhaus in Berlin-Buch. Posthum erscheint nicht nur ihr Hauptwerk "Franziska Linkerhand". Zahlreiche Briefwechsel werden veröffentlicht bis in die heutige Zeit. Und 2022 eine Überraschung: 70 Jahre, nachdem er geschrieben wurde, erschien am 28. Oktober ihr allererster Roman "Die Denunziantin".