Blick auf die Talmud-Tora-Realschule in Hamburg. © IMAGO / Hoch Zwei Stock/Angerer

Trotz Krieg und Terror: Jüdische Kulturtage zeigen Vielfalt jüdischen Lebens

Stand: 04.11.2023 09:09 Uhr

Überschattet vom Nahost-Konflikt beginnen heute die ersten Jüdischen Kulturtage Hamburg. Fünf Wochen lang werden an unterschiedlichen Orten der Stadt Literatur, Konzerte, Tanz und Theater aus der jüdischen Welt gezeigt.

von Peter Helling

Die  Veranstalter wollen gerade in diesen ernsten Tagen das jüdische Leben in der Stadt sichtbar machen. Am 2. November findet die offizielle Eröffnung der Jüdischen Kulturtage in der Aula der Talmud-Thora-Schule statt - mit Bürgermeister Peter Tschentscher und Vertretern der jüdischen Gemeinschaft.

"Jüdische Kulturtage kommen zur richtigen Zeit"

Jüdische Kultur, dazu gehören auch Lieder, die mit Kraft und Fantasie das Leben - manchmal auch den Widerstand - feiern. Stella Jürgensen glaubt, dass die Jüdischen Kulturtage - bei denen sie und ihre Band "Stella's Morgenstern" auftreten wird - genau zur richtigen Zeit kommen: "Ich muss sagen, diese Tragödien, die sich gerade im Nahen Osten vollziehen, die erschüttern mich zutiefst. Mir fehlen dafür wirklich die Worte. Umso mehr haben wir unsere musikalischen Botschaften, die wir vermitteln möchten."

Sie singt ein jiddisches Widerstandslied gegen die Nazis; es klingt rau, trotzig und dennoch lebensfroh. Aspekte wie diese gehören wie selbstverständlich zur Vielfalt jüdischer Kultur. "Die Facetten zu zeigen, aus der Schublade rauszuspringen - das Beispiel Musik macht es sehr deutlich: Jüdische Musik ist nicht nur Klezmer, sondern wir haben Jazz, wir haben Folk, wir haben Ladino, israelische Lieder, aber auch Klezmer und Klassik. Wir freuen uns, dass wir das zeigen können", sagt Jürgensen.

VIDEO: Erste Jüdische Kulturtage Hamburg eröffnet (3 Min)

Über fünf Wochen: Mehr als 40 Veranstaltungen an 30 Orten

Elisabeth Friedler ist Kulturreferentin der Jüdischen Gemeinde in Hamburg - sie und ihr Team haben das Programm entworfen. Die Auftaktveranstaltung findet am Sonnabend statt, sie klingt wie eine Ansage: "Jüdisches Glück", eine Stummfilmkomödie von 1925 mit Live-Musik im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Gedreht wurde der Film an heute ukrainischen Originalschauplätzen. "Tatsächlich freue ich mich sehr auf das 'Jüdische Glück', weil ich das unfassbar spannend finde und das noch gar nicht für mich greifen kann", sagt Stefanie Szczupak vom Vorstand der jüdischen Gemeinde. "Ich freue mich wahnsinnig auf Michel Bergmann, einfach weil ich die Bücher sehr gerne lese - auch Jewish Comedy finde ich sehr ansprechend - und natürlich Wine Tasting (lacht), weil es zeigt, wie divers auch Jüdische Kulturtage sein können und sich von diesem stereotypen Bild entfernen, das gefällt mir sehr", erzählt sie weiter.

Bei der koscheren Weinprobe in der Talmud-Tora-Schule kann man jüdische Kultur buchstäblich erschmecken. Ein Puppenmusical lädt Grundschulkinder auf eine Zeitreise nach Istanbul ein, internationalen Stars wie der jiddischen Troubadour Daniel Kahn oder Grammy-Gewinner Frank London treten auf: mehr als 40 Veranstaltungen an 30 Orten in der ganzen Stadt, fünf Wochen lang.

Programm wurde nach Terrorattacken der Hamas nicht geändert

"Das bedeutet viel für uns, weil wir nach draußen immer mehr sichtbar werden, immer präsenter werde, und ich finde das großartig. Gerade jetzt ist es wichtig, dass jüdisches Leben sichtbar ist und vor allem, dass wir an der Seite unserer jüdischen Nachbarn stehen, denn klug reden hilft auch nicht viel, man muss handeln und Zeichen setzen", so Carolin Vogel, Projektleiterin der Hermann Reemtsma Stiftung. Sie fördert die Kulturtage.

Angesprochen auf die Terrorattacken der Hamas, auf die Sicherheitslage, sagt Elisabeth Friedler: Das Programm wurde nicht geändert. "Wir werden alles so stattfinden lassen wie geplant, vielleicht müssen wir flexibel reagieren auf die eine oder andere Sache, dass wir vielleicht einen Tanzworkshop ausfallen lassen, weil es doch für die Teamleiter zu schwierig wird, aber ansonsten wirkt sich das nicht auf die Kunst und Kultur aus."

Jüdisches Leben sichtbar machen

Besonders bewegend wird sicher die Ausstellung mit Briefen jüdischer Schulkinder vor der Shoah und von heute. Oder "Unverschämt jüdisch", eine Lesung der Autorin Barbara Honigmann oder eine Comedy-Show mit Handpuppen - neuer Jazz aus Israel: Gerade jetzt seien die Kulturtage wichtig, sagt Stefanie Szczupak: "Ich finde, was nicht passieren darf, ist, dass wir jetzt verstummen, sondern es ist noch viel wichtiger geworden, sich zu platzieren, zu zeigen und zu sagen: Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft, wir sind in der Mitte der Gesellschaft. Und: Teilt es mit uns, kommt zu uns, schaut euch an, was es alles für tolle Dinge gibt."

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Dieses Thema im Programm:

Der Morgen | 02.11.2023 | 07:40 Uhr

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