"Traumschiff"-Jubiläum: 100. Folge schippert im TV
Die 100. Folge des "Traumschiffs" schippert über die bundesdeutschen Fernseher. Warum hat sich diese Serie nur über so viele Jahre erfolgreich gehalten? Der Versuch einer Analyse.
Am Ende kommen immer die Kellner mit den Wunderkerzen in den Eistorten in den Saal marschiert. Damit das mal "klar Schiff" ist. Davor, auch das ist gewiss, hält der derzeitige Kapitän in weißer Gala-Uniform eine etwas bemühte Rede, in der stets recht schwankend die zuvor erzählten zwei bis drei "Traumschiff"-Abenteuer zusammengefasst werden.
Er flottiert, das Glas gleich den Wellen schwankend in der Hand, durch Begriffe wie Neubeginn und Abschied, Reisen, das Meer, die Liebe und überhaupt alles und nichts. Und die wieder gefundenen Liebespaare lächeln erlöst, denn nun ist der Schmus endlich bald vorbei. In den 90 Minuten zuvor hat man sich doch in zwei bis drei Erzählsträngen arg verknotet, wie der Versuch eines Palsteks einer Landratte. Man hatte sich missverstanden, wiedergefunden, neu gefunden, überhaupt gefunden. Es wird gelacht, geweint, versöhnt und bedeutungsvoll auf die See geschaut, dass es daheim auf dem Sofa eine wahre Freude ist. Und wenn man erzählerisch nicht mehr weiter weiß, dann fliegt eine Kameradrohne um das weiße Schiff herum. Wohin die Fahrt geht? Das ist beinahe egal. Anderes nicht.
Fakten über das "Traumschiff" und dessen Besatzung
Zu den Fakten: Vorbilder waren sowohl die DDR-Fernsehserie "Zur See" als auch das kapitalistische US-Format "Love Boat". Das westdeutsche "Traumschiff" lief 1981 vom Stapel und fährt seitdem sicher und schnittig in den Gezeiten des Schicksals durch unsere Wohnzimmer: Fünf Schiffe, fünf Kapitäne, drei bis vier Chefärzte, nur zwei Chefhostessen und allerlei Nebenschiffspersonal wurden bisher gebraucht.
Dazwischen, und darum geht es schließlich wirklich und anscheinend unendlich: changierte das gesamte deutsche Fernsehpersonal in Verwechslungskomödien um vertauschte Koffer, Zimmer, Zwillinge - alles mehrfach vorgekommen. Oder es geht, man hat sich freibeuterhaft bei allen Boulevard-Stücken der vergangenen 120 Jahre bedient, um schwierige Schwiegermütter, gerade gebrochene Herzen, wiedergefundene Koffer, Lieben, überhaupt Gefühle, um Schwerenöter, Sunnyboys und Sonnenhüte, Mauerblümchen, Mamasöhnchen und Muscheltauchen. Bei allem Anstrich der Moderne und allem Wind auf See: bieder sind die Biografien, vorhersehbar die Volten, simpel die Strickmuster der auf See Geschickten.
Eistorten mit Wunderkerzen beruhigen
Im Hintergrund schieben sich wahlweise die Galapagos-Inseln, die Skyline von Sydney oder die äußeren Hebriden vorbei. Kleine Klatschabteilung im Beiboot dieses Beitrages: Die lebenslangjährige Chefhostess Beatrice hatte einige Jahre keinen Nachnamen, auch nicht im Drehbuch. Na, wer so eine Uniform anhat, der braucht vielleicht auch keinen. Und dann gibt es da Sascha Hehn, der ist ja nicht mehr drauf auf dem Schiff, war es aber lange Zeit. Er hatte gleich mehrere Nachnamen und Vornamen und verwandelte sich vom Chefkellner oder so per Doppelrolle erst zum 1. Offizier und dann zum Kapitän. Das muss man erst einmal schaffen.
Kleine Vorschau: Florian Silbereisen soll in der nun ausgestrahlten 100. Folge als erster Kapitän eine Affäre haben. Von wegen Seemannsbraut ist die See. Wird vielleicht auch nach 99 Folgen und über 40 Jahren auch irgendwie mal Zeit. Also, legen wir das Fernglas ans Auge und warten, bis am Neujahrsabend wieder das weiße Schiff darin auftaucht. Denn eines ist zu Beginn des Jahres ja so unglaublich tröstlich: Dieses eine Mal, wenn die Kellner mit den Eistorten plus Wunderkerzen in den großen Schiffssaal marschieren, dann ist alles gut.