Kommentar zu Sylt-Video: Mögliche Exmatrikulation einer Grölerin geht zu weit
Eine Hamburger Hochschule prüft derzeit, ob sie eine Studentin exmatrikuliert: Sie ist auf einem Video aus der Sylter "Pony Bar" zu sehen. Damit hat sie sich vor allem selbst unmöglich gemacht, meint NDR Kultur Kommentator Ocke Bandixen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich billige in keiner Weise das Absingen rassistischer Parolen. Ich finde das auch nicht harmlos oder unwichtig. Aber: In der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) wird jetzt beraten, eine beteiligte Studentin deshalb rauszuschmeißen. Das geht für meine Begriffe zu weit. Hat sie wirklich der Hochschule durch "schweres schuldhaftes Fehlverhalten erheblichen Schaden zugefügt", wie es im Paragraf 42 des Hamburger Hochschulgesetzes heißt? Das wäre die Voraussetzung für eine Exmatrikulation.
Der Hochschule hat sie nicht geschadet
Ich denke: Nein, das hat sie nicht. Sie hat sich selbst geschädigt, sie hat sich unmöglich gemacht und blamiert. Sie hat gezeigt, wie die anderen Beteiligten auch, wie wohlstandsverwahrlost man sein kann, wie dumm, und dass Rassismus keine Frage des Einkommens ist. Es ist auch kein dumme-reiche-Jungen-oder-Mädchen-Streich. Wer ein rassistisches Lied singt, ist ein Rassist, ist eine Rassistin. Die Hochschule aber hat sie nicht beschädigt.
Sie hat nicht als Repräsentantin der Hochschule gehandelt, hat dort keine leitende Funktion, hat nicht im Namen der Hochschule gegrölt. Oder hätten Sie bis gerade eben gewusst, dass die junge Frau dort studiert? Sie hat ebenfalls nicht in der Hochschule ihr rassistisches Lied gesungen. Hätte sie es getan, wäre eventuell auch ein Hausverbot gerechtfertigt. Aber so?
Studentin hat das Lied nicht in der Universität gesungen
Sie ist dort nur Studentin. Eine Hochschule ist kein Schützenverein, keine Firma, kein Club, aus dem man so einfach rausgeschmissen werden kann. Hochschulen, Universitäten sind Orte der Lehre und Forschung, der Begegnung, des Diskurses. Hier findet alles statt, was eine offene Gesellschaft im Austausch braucht. Das ist ein hohes Gut. Falsche Toleranz ist sicher nicht angebracht. Aber noch einmal: Sie hat das Lied ja nicht in der Hochschule gesungen.
Doch warum muss sich die Leitung der HAW gegen etwas wehren, was sie in dem Sinne nicht betrifft? Noch wird geprüft, welche Konsequenzen gezogen werden sollen. Aber die Gefahr besteht, dass die Verantwortlichen Engagement gegen Rassismus mit Aktivismus verwechseln, um auf der richtigen Seite stehen zu wollen.
Verrohung ist sichtbar
Die Polizei ermittelt in dem Sylter Fall wegen Volksverhetzung, auch wegen der dort gezeigten Gesten. Das ist gut. Das Engagement gegen Rassismus im Alltag, auf Partys, auf Volksfesten und auch in Hochschulen ersetzt dies nicht. Längst sind viele weitere ähnliche Fälle bekannt geworden, mindestens eine Verrohung wird sichtbar, ein rassistischer Bodensatz. Der Gedanke der HAW, die Studentin für ihr Verhalten durch einen Rausschmiss bestrafen zu wollen, mag verständlich sein, das Mittel selbst ist es nicht.
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