Gesa Engelschall steht auf einer Bühne und spricht in ein Mikrofon © Michaela Kuhn

Stiftungsarbeit: "Geld fehlt der Kultur eigentlich immer!"

Stand: 31.03.2023 13:13 Uhr

Die Hamburgische Kulturstiftung ist für viele Künstlerinnen und Künstler in der Hansestadt eine wichtige Anlaufstelle. Seit sechzehn Jahren wird sie von Gesa Engelschall geleitet. Im Gespräch blickt sie auf ihre eigene Karriere zurück.

von Anina Pommerenke

Was können wir für die Hamburger Künstlerinnen und Künstler tun und wie bekommen wir die Gelder dafür? So fasst Gesa Engelschall, geschäftsführender Vorstand der Hamburgischen Kulturstiftung, ihre Arbeit zusammen, denn an Geld fehlt es in der Kultur eigentlich immer und gute Kultur kostet, so die Überzeugung der studierten Germanistin. Seit 1988 gibt es die Hamburgische Kulturstiftung, die sich der Förderung von jungen Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern verschrieben hat, aber unter der Leitung von Gesa Engelschall auch immer wieder anlassbezogene Projekte und Initiativen startet, zum Beispiel aktuell für Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine sowie Kinder aller Nationalitäten mit Fluchterfahrung oder während der Corona-Pandemie mit einem Hilfsfonds, als vielen Kulturschaffenden die Lebensgrundlage entzogen wurde. "Denn neben der Nachwuchsförderung möchten wir auch für gesellschaftlich virulente Themen offen sein", betont Engelschall. Da die Stiftung ein sehr geringes Kapital hat, ist sie auf Spenden und die enge Zusammenarbeit mit vielen anderen Stiftungen angewiesen. Über die Jahre ist so ein beeindruckendes Netzwerk entstanden. Gesa Engelschall ist in der Hamburger Kulturwelt eine bekannte und geschätzte Persönlichkeit.

 Erste Fundraising-Erfahrung für Peter Zadek

Engelschall ist eine Quereinsteigerin in der Branche und eher zufällig beim Stiftungswesen gelandet. Vornehmlich habe sie lange Jahre als Journalistin gearbeitet, berichtet sie. Eher zufällig sei sie zu Zeiten eines Engagements am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit dem Thema Fundraising in Berührung gekommen. Damals habe Peter Zadek für eine Produktion mehr Geld gebraucht, erinnert sich Engelschall zurück. Der Künstler und Bühnenbildner Johannes Grützke habe dann einen Bühnenprospekt mit lauter Firmenlogos gestaltet - innerhalb von drei Wochen habe sie so 30.000 Mark zusammengesammelt. "Das war damals eine wahnsinnig große Summe!"

 Job und Kinder: eine abenteuerliche Zeit

Es folgten Stationen bei großen Zeitschriften und Magazinen. Besonders an die Zeit Ende der 1980er Jahre, als ihre beiden Kinder auf die Welt kamen, erinnert Engelschall sich zurück: "Der Anfang ist einfach wahnsinnig anstrengend mit Kindern parallel zum Job" - zumal ihre Chefin sie schwanger eingestellt und bei der Geschäftsführung durchgeboxt habe. Nicht nur die damals nur bis mittags übliche Kinderbetreuung sei eine Herausforderung gewesen, so Engelschall. Eigentlich habe sie sich ständig gefragt, ob sie eigentlich Job und Familie genüge und alles hinbekomme: "Ich glaube, dazu neigen wir Frauen auch ein bisschen mehr." Gleichzeitig habe sie sich immer wie in einer Art Warteschleife gefühlt. Selbst wenn sie ihren Job gut gemacht habe, habe sie kaum Entwicklungschancen für sich gesehen. "Plötzlich bekamen die Kinder Keuchhusten, mein Mann war gerade dabei einen Film zu drehen, da bist du dann ein paar Wochen raus!", berichtet Engelschall von dieser "abenteuerlichen Zeit".

Prägender Erstkontakt mit der Stiftungswelt

Doch Engelschall blickt nicht frustriert zurück - irgendwie sei es doch immer alles weitergegangen. Etwas später in ihrer Karriere, Engelschall war mittlerweile als freie Journalistin für einen Berliner Verlag tätig, sei sie dann durch ein Projekt auf die Alfred Toepfer Stiftung aufmerksam geworden. Besonders die Begegnung mit Birte Toepfer habe sie in bester Erinnerung: "Das war wirklich eine tolle Frau, die ich sehr bewundert habe. Und ich war auch beeindruckt davon, was die Stiftung für tolle Arbeit für die Kultur geleistet hat." Dieser erste Kontakt habe ihr Bild von Kulturstiftungen nachhaltig geprägt. Als ihr ein Bekannter wenig später von einer Zeitungsannonce berichtete, laut der die Hamburgische Kulturstiftung auf der Suche nach einem neuen Vorstand sei, wurde sie entsprechend hellhörig: "Innerhalb von drei Wochen habe ich versucht, mich in diese Stiftungswelt einzudenken: Welche Projekte kann man da anstoßen?" Sie habe sich beworben und sich mit ihren Visionen für die Zukunft der Stiftung in drei Bewerbungsrunden durchgesetzt: "Am Ende hat sich der Stiftungsrat für mich entschieden!"

Gesa Engelschall: eine passionierte Fürsprecherin der Kultur

Als passionierte Fürsprecherin der Kultur hat sich Engelschall an der Spitze der Hamburgischen Kulturstiftung mehr als etabliert. Sobald sie über die Bedeutung der Kultur für die Gesellschaft spricht, kommt Engelschall regelrecht in einen mitreißenden Rederausch - über die Relevanz der Kultur für die Menschen, für das Leben könnte sie vermutlich aus dem Stegreif ein Buch schreiben. "Die Schaffenskraft von Kulturschaffenden bewundere ich extrem. Dabei leben viele von ihnen von der Hand in den Mund, auch schon vor Corona. Da wollen wir mit unserer Förderung helfen. Wir brauchen die Kultur, weil sie uns immer wieder inspiriert und zum Nachdenken anregt!" Unterstützt wird sie bei ihrer Mission von einem "wahnsinnig effizienten Kernteam" aus fünf Frauen.

 "Weniger hinterfragen, mehr agieren"

Mit Blick auf ihre eigenen Zweifel würde Engelschall heute gerne allen Frauen dazu raten, gelassener zu sein: "Man kriegt das irgendwie hin". Dabei sei aber eine gute Struktur wichtig. Vor der Geburt ihrer beiden Kinder sei sie selbst eher etwas chaotischer unterwegs gewesen, das habe sich dann schlagartig geändert. Außerdem sei es von Vorteil gewesen, dass sie nicht zu lang aus dem Beruf ausgestiegen sei: ein halbes Jahr Pause nach der Geburt ihres ersten Kindes habe sie als zu kurz empfunden, ein Jahr beim zweiten Kind als genau richtig. Selbst wenn es mühselig sei, würde sie empfehlen, am Job dranzubleiben, auch wenn es erstmal nur auf Sparflamme möglich sei. Gerade nach langen Pausen sei die Chance auf einen erfolgreichen Wiedereinstieg deutlich schlechter. Und ihre klare Botschaft: "Frauen, wissen oftmals nicht, wie viel sie wissen und wie gut sie sind." Sie rät: "Weniger hinterfragen, mehr agieren!"

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 12.01.2023 | 14:20 Uhr

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