Nordkirche will Missbrauchsfälle konsequent aufarbeiten
Vor knapp vier Wochen hatten Forschende in einer Studie mehrere Tausend Fälle von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche offen gelegt. Auf ihrer Landes-Synode in Travemünde berät die Nordkirche über Konsequenzen.
Das erste Schuldeingeständnis gab es schon gleich zu Beginn des Auftakt-Gottesdienstes. Bischöfin Nora Steen eröffnete mit den Worten: "Wir sind keine sichere Kirche. Trotz aller Maßnahmen. Trotz aller, die sich bemüht haben. Wir haben Täter geschützt, in dem wir die Institution bewahren wollten." Sie machte damit deutlich, dass "wir das nicht verschweigen oder verdrängen wollen, sondern mit diesem Thema auch ganz bewusst in die Gottesdienste gehen".
Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle war auch erster Tagespunkt bei der anschließenden Landessynode. "Wie Pastoren den Begriff Liebe so dermaßen verbogen und missbraucht haben, dass ihre persönliche Begierden mit dem Begriff der göttlichen Liebe vermanscht wurden. Das müssen wir aufarbeiten", forderte der Pinneberger Propst Thomas Drope. "Seit vielen Jahren beschäftigt mich, dass es Situationen gab, die an Grenzen gegangen sind oder auch darüber hinaus. Auch in meiner eigenen Vergangenheit, in diesen Freizeiten. Ich hatte damals ein Unwohlsein und muss bekennen: Ich habe nichts gesagt und nichts gemacht", erklärte der Synodale Arne Gattermann.
"Auf manches nicht gut genug hingehört"
Es geht in der Nordkirche um 124 Betroffene, 58 Beschuldigte, davon 33 Pastoren. Noch sei unklar, ob es sich auch um Straftaten handelt. Ulrike Hillmann, Präses der Landessynode sagte: "Ich bin wütend auf die Kerle, die in unserer Kirche Frauen und Kindern Leid zugefügt haben, deren Lebenswege zerstört haben. Und ich bin zugleich zutiefst beschämt, dass es so bei uns möglich war, dass wir auf manche Hinweise nicht gut genug hingehört haben."
Das räumte auch Rainer Kluck, der Präventionsbeauftragte der Nordkirche, ein: "So im Grobem haben wir das gewusst. Aber was die Stärke der Studie ist, dass sie uns noch einmal genaue Zusammenhänge aufzählt, Herleitungen gibt, Hintergründe aufzeigt, die wir aus der Praxis so noch nicht entdeckt haben."
Aufarbeitung nur gemeinsam mit den Betroffenen
Die Hauptkritik der Betroffenen: Es wurde bisher nicht mit ihnen, sondern nur über sie gesprochen. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt will das ändern: "Ich möchte ganz deutlich betonen, dass bei allem, was wir tun, die Sicht der Betroffenen maßgeblich sein wird." Deshalb soll es noch in diesem Jahr Beteiligungsforen für Betroffene geben. Sie sollen Mitspracherecht bei der Aufarbeitung bekommen. Einige hatten außerdem kritisiert, dass die mehr als 800 Seiten lange Studie zu kompliziert sei. Schon bald soll es eine vereinfachte Ausführung geben.