"Nicht witzig": Podcaster Manuel Stark führt "die ehrlichsten Gespräche"
Der Journalist Manuel Stark ist Autist und hat Schwierigkeiten mit Humor. Oft versteht er Witze einfach nicht. Und genau das hat er zum Thema seines Podcasts "Nicht witzig" gemacht.
Regelmäßig lädt Manuel Stark Comedians und andere Menschen ein, die Witz und Humor zu ihrem Beruf gemacht haben. Und dann geht es nicht nur um die Frage, was denn nun wirklich witzig ist, sondern es entstehen immer wieder wundervolle Gespräche, in denen die Gäste oft erstaunlich Persönliches von sich erzählen.
Ihr Podcast geht schon in die dritte Staffel. Haben Sie inzwischen mehr über Humor herausgefunden? Oder bereitet Ihnen das immer noch Kopfzerbrechen?
Manuel Stark: Mehr rausgefunden habe ich auf jeden Fall, auch verschiedene Arten von Humor. Es ist ja auch nicht so, wie manche meiner Gäste denken, dass ich gar nicht lachen kann. Es ist nur diese subtile Art von Humor, die oft auf Bühnen stattfindet, mit der ich überfordert bin; wenn Ironie, Sarkasmus, diese subtilen Unterschiede, die ich so gut wie nie in meiner Kommunikationsform verwende, den Witz ausmachen, und ich dann das Lachen verpasse.
Sie sind selbst ein diagnostizierter Autist, befinden sich also im autistischen Spektrum. Was heißt das genau für Ihr Leben? Bereitet Ihnen das oft Schwierigkeiten im Alltag?
Stark: Inzwischen natürlich seltener als als Jugendlicher, weil ich gelernt habe, mich anzupassen. Es ist so ein schönes Bild, von einem sozialen Knigge zu sprechen, also auswendig zu lernen, in welcher Situation sich neurotypische Menschen wie verhalten. Etwa Grußfloskeln in einer Mail, "Hallo" und "Tschüss" sagen. Oder herausfinden, dass Menschen oft das Eine sagen, aber damit unterschwellig etwas ganz anderes meinen. Damit komme ich inzwischen sehr viel besser klar als früher. Aber natürlich ist es geblieben, dass mich das eine wahnsinnige Kraftanstrengung kostet. Wenn ich mal auf einer Geburtstagsfeier bin und mir das den ganzen Tag antun muss, bin ich abends auch ganz froh, wenn ich wieder ins Bett kann, um mich ein bisschen zu erholen.
Wie ist es mit dem Podcast? Das ist sicherlich auch eine große Anstrengung, oder?
Stark: Definitiv. Es ist auf jeden Fall schwierig, zu den Künstlerinnen und Künstlern mit der Bahn hinzufahren und die ganzen Eindrücke und Umweltreize aufzunehmen. Aber ich finde auch, dass ich dann doch recht gut entlohnt werde durch wirklich schöne Gespräche, die da stattfinden, was ich am Anfang so auch nicht gedacht hatte.
Wie reagiert Ihr Gegenüber oft auf Sie? Viele Menschen wissen gar nicht, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie wissen, dass sie einem Menschen aus dem autistischen Spektrum gegenüber sitzen. Wie wünschen Sie sich, dass mit Ihnen umgegangen wird?
Stark: Ich glaube, ganz normal. Die einzige Dissonanz im Gespräch sind diese subtilen Andeutungen, mit denen auch ganz normale, neurotypische Menschen oft genug Schwierigkeiten haben - wenn man "A" sagt und in Wahrheit "B" meint, und dann kommt es nicht an. Solange man genau das sagt, was man mir auch sagen möchte, das ehrlich meint und nicht um Ecken kommuniziert, habe ich kein Problem und mein Gegenüber dann hoffentlich auch nicht.
Und das macht die Gespräche in Ihrem Podcast ganz besonders. Sie fragen oft nach und lassen Sätze nicht einfach so stehen. Es entstehen erstaunlich offene und sehr persönliche Gespräche, in denen die Menschen sich öffnen. Hat das etwas Entwaffnendes?
Stark: Ob es etwas Entwaffnendes hat, müssten Sie bestenfalls meine Gäste fragen. Aber ich glaube, es hat etwas Ehrliches. Das ist etwas, was ich privat immer wieder gespiegelt bekomme, aber auch im erwähnten Podcast von jemandem aus der Redaktion, der gemeint hat: "Manuel, weißt du, warum auch ich Deinen Podcast so gerne höre? Das sind die ehrlichsten Gespräche, die man sich vorstellen kann, weil es da keine Frage gibt, die Du nicht wirklich ehrlich so meinst." Das hat mich wahnsinnig gefreut, weil ich mich damit sehr identifizieren kann.
Es wird auch oft deutlich, dass die Gäste bei Ihnen auch emotionale Herausforderungen zu meistern haben, auch oft große Schwierigkeiten in Ihrem Alltag haben. Welche Erkenntnis haben Sie da gewonnen?
Stark: Das hat mich wirklich überrascht, dass auch alle Comedians über Depressionen berichten, über Herausforderungen, Schicksalsschläge. Das hatte ich so nicht erwartet. Es zeigt mir aber auch, dass es eine gewisse Form von Reibung für jede Art der Kunst braucht. Ich komme eher aus dem Schreiben, fühle mich als Nachwuchsliterat ein bisschen zu Hause, aber auch als Reporter im Journalismus. Und dass ausgerechnet die Kunst des Lachens und des Humors auch aus einer gewissen Reibung mit Zwiespalt, mit Schicksalsschlägen, vielleicht auch mit dem Tod geliebter Menschen oder Verfremdung zu tun hat und daraus entspringen kann, war eine große Überraschung - aber auch eine sehr, sehr schöne. Denn damit kann ich etwas anfangen.
Ihr Arbeitsbereich ist groß und vielfältig, Sie machen nicht nur diesen Podcast. Wir haben Glück gehabt, Sie zuhause zu erwischen, denn Sie brechen bald auf. Was haben Sie vor?
Stark: Ich fliege bald auf die Lofoten und hoffe, das Klima möge es mir verzeihen, weil ich das Flugzeug nutze. Mit dem Zug ist es dann doch ein bisschen aufwendig. Ich werde da möglicherweise mehrere Recherchen zu Mensch-Umwelt-Beziehungen anstellen - Reportagen sind ja mein Spezialgebiet.
Das Interview führte Julia Westlake.