Museum mal anders: Sprechende Gegenstände im "Roten Haubarg"
Heimatmuseum - das mag etwas verstaubt klingen. Doch wie so ein Museum als spannende Audioinstallation inszeniert werden kann, zeigt der "Rote Haubarg" in Witzwort beim Internationalen Museumstag.
Ein Haubarg ist ein großer Bauernhof, der von Ständern gestützt wird. Eine Bauform, die Niederländer auf die Halbinsel Eiderstedt in Nordfriesland brachten. 400 standen hier mal, jetzt gibt es noch 50. Der "Rote Haubarg" in Witzwort ist einer der wenigen Haubarge, die besichtigt werden können - und in dem jetzt in einer neuen Dauerausstellung die Gegenstände zu Wort kommen.
Aleesa Savtchenko und Johannes Scherzer vom Klangstudio Taucher haben die Ausstellung gemacht. Zweieinhalb Jahre haben sie daran gearbeitet, sind mit dem Mikrofon durch den Haubarg gelaufen und haben Sounds im Studio produziert. Denn vorher sah das Museum ganz anders aus: "Das war eine ganz klassische landwirtschaftliche Ausstellung. Wir haben andere Themen in den Fokus genommen, mehr die Geschichte, die Architektur und auch den Kontext vom Leben auf dem Bauernhof - und ganz anders realisiert: nicht anhand von Texten, Texttafeln oder Beschreibungen, die man sich anlesen sollte, sondern komplett ohne Text", erläutert Savtchenko das Konzept.
Sprechende Objekte machen 400 Jahre Geschichte lebendig
Jetzt ist es in dem großen Raum dunkel. Nur die Ausstellungsobjekte werden angestrahlt: Wagenrad, Schaufel und Sense. Aus allen Richtungen erklingen Stimmen - die Stimmen der Gegenstände. Sie räuspern sich, wispern und seufzen. Der Wind klingt so, als würde er von draußen kommen - und das tut er auch, denn die Aufnahme dazu ist an einem stürmischen Abend in Witzwort entstanden. "Wir wollten die tolle Atmosphäre hier möglichst unvermittelt zugänglich machen und haben uns dann überlegt: Wir lassen das Haus selber sprechen mit seinen Mitbewohnern und erfahren so aus ihrem Leben", sagt Scherzer und Savtchenko ergänzt lachend: "Zum Glück waren sie recht gesprächig!"
400 Jahre Haubarg-Geschichte erklingt hier aus 40 Lautsprechern in vier Akten: zu jeder vollen Stunde ein Akt. Doch zwischen den einzelnen Akten herrscht keine Ruhe: Die Gegenstände haben Sensoren, sie reagieren auf Bewegungen und sprechen die Besucherinnen und Besucher auch mal an. Die Hauptrolle spielt der Haubarg selbst, dessen Stimme von ganz oben ertönt.
"Hallo, lieber Haubarg? Du wirkst aufgebracht, verletzt und verbittert?"
"Ich bin ja so unvollkommen!"
"Du bist doch so schön! Wer ist schon vollkommen? Du bist doch so schön!"
Stimmen aus dem Haubarg
Haubarg-Sprecher Friedhelm Ptok hört zum ersten Mal, wie seine Stimme in Verbindung mit den vielen anderen Stimmen klingt: "Das habe ich nicht erwartet und bin staunend mit meinen Ohren davor. Wenn man Texte hintereinander liest, wird das nach einer gewissen Weile auch langweilig. Jetzt sind die Texte so zergliedert und zerrissen, also eigentlich wie Kaiserschmarrn, den man ja auch gut zubereitet, indem man ihn zerreißt und Zucker drüber macht. Das war für mich eine neue Begegnung, auch mit mir selber."
Im "Roten Haubarg" in Witzwort kann man der Landwirtschaftsgeschichte der Region ganz neu begegnen - ohne die Texttafeln und Vitrinen, die man sonst aus Heimatmuseen kennt. Sondern mit den Stimmen und Geräuschen der Gegenstände selbst.