Hilfreiche KI-Tools: Wie gehen die Verlage mit Künstlicher Intelligenz um?
Angesichts massiv gestiegener Papier- und Energiekosten und hoher Inflationsraten stehen viele Verlage finanziell unter Druck. Bieten KI-Tools eine ernsthafte Alternative, wenn es etwa um professionelle Übersetzungen geht?
Ein Interview mit Albert Henrichs, Programmleiter für deutschsprachige Literatur beim S. Fischer Verlag.
Herr Henrichs, nutzen Sie in einem Bereich ihres Verlages schon KI in irgendeiner Form?
Albert Henrichs: Wir schauen uns das gerade - wie auch viele andere Unternehmen - genau an und probieren auch einige Dinge aus. Da ist ganz konkret DeepL eines dieser neueren KI-Tools. Mehrere Kolleg*innen - vor allem die, die mit der internationalen Literatur zu tun haben - haben bereits Zugänge bekommen und nutzen das auch - insbesondere als Hilfsmittel, nicht um wirklich Übersetzungen anfertigen zu lassen.
Das Post Editing, also die Nachbereitung durch die Übersetzerin, den Übersetzer ist weiterhin entscheidend. In welchem Bereich findet diese KI Anwendung? Eignen sich da einige Gattungen mehr als andere?
Henrichs: Das ist möglicherweise so. Für uns als großen Verlag, würde ich sagen, machen wir da erst mal keinen Unterschied. Die Leser*innen, die ein Buch des S. Fischer Verlags kaufen, haben die Erwartung, ein gut lesbares, gut lektoriertes, fehlerfreies Buch zu erhalten. Unabhängig von dem Genre ist das, so weit wir es einschätzen können, mit aktuellen KI-Tools noch nicht zu leisten.
Haben Sie selbst schon Grenzen feststellen können, die eine Übersetzung durch KI hat?
Henrichs: Ich habe vorhin erst mit einem Kollegen gesprochen, der DeepL nutzt. Für die Akquisition von internationalen Texten arbeiten Agenturen oft mit Probeübersetzungen, sodass man einzelne Seitenauszüge zu lesen bekommt. Da ist ihm aufgefallen, dass es DeepL besonders schwer fällt, wenn zum Beispiel zwei Fremdsprachen in einem Text auftauchen. Er nannte als Beispiel, dass in einem niederländischen Text plötzlich eine Passage im Französischen war, und da fiel es der KI extrem schwer.
Sehen Sie generell mehr Chance oder mehr Gefahr, was KI angeht?
Henrichs: Ich denke, das ist differenziert zu beurteilen. Natürlich sollten Verlage sich jetzt schon die Frage stellen, inwieweit irgendwann KI-Programme wirklich Texte schreiben werden und was das für Verlage und Autoren bedeutet - auch wenn die Tools noch nicht so weit sind, um das zu beobachten. Gleichzeitig bietet KI viele Möglichkeiten, kann in vielen Bereichen unterstützend sein und Hilfsmittel anbieten, etwa bei der Übersetzung von Sprachen, die niemand im Verlag als Muttersprachler oder als Experte sprechen kann.
KI wie DeepL könnte zum Beispiel dafür genutzt werden, die Übersetzungszeit beziehungsweise die Vorarbeit deutlich zu verkürzen. Wie lange benötigt üblicherweise ein Übersetzer, um einen Roman in eine andere Sprache zu übertragen? Natürlich ist das individuell, aber so ganz grob?
Henrichs: Es gibt von der Übersetzerin Miriam Neidhardt einen interessanten Selbstversuch auf ihrem Blog, den sie, glaube ich, schon 2022 veröffentlicht hat. Sie ließ einen Text von DeepL übersetzen und hat ihn dann über Post Editing so bearbeitet, dass er den Qualitätsansprüchen einer Leserin entspricht: Das waren 160 Arbeitsstunden. Die Übersetzung des Textes ohne dieses Tool lag etwas darunter. Dieses Post Editing hat also länger gedauert als das eigentliche Übersetzen des Textes für sie als professionelle Übersetzerin.
Der Medienverband der freien Presse hat klare politische Rahmenbedingungen gefordert, was den Einsatz von Künstlicher Intelligenz angeht. Dazu gehört auch die Verfügungshoheit über die Verwertung der Inhalte. Wie wird dieses Thema bei S. Fischer diskutiert? Wenn Software zum Beispiel Inhalte verwertet, dass das natürlich auch angemessen vergütet werden muss. Viele Übersetzer haben nämlich die Befürchtung, dass sie dann etwas schmaler davonkommen.
Henrichs: Unsere Perspektive ist, dass wir eine andauernde Zusammenarbeit mit den Übersetzer*innen als sehr wichtig ansehen. Ich sehe nicht, dass wir unterscheiden würden, ob eine KI bestimmte Arbeitsschritte übernommen hat und wir deshalb den Honorarsatz kürzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in den nächsten Jahren bei uns ein Vorgehen sein wird.
Das Interview führte Philipp Cavert.