Hamburger Clubawards: Räume für Diskurs und Experimentelles

Stand: 24.01.2025 15:03 Uhr

Hamburgs Clubszene präsentiert sich schon länger als Verfechterin einer offenen und vielfältigen Gesellschaft, als Ort für Politik und Party. Bei den alljährlichen Clubawards wird das gefeiert.

von Tristan Dück

Die Atmosphäre ist irgendwas zwischen Oscarverleihung und Clubkonzert, in der vollgepackten Markthalle. Passt ja für die Clubawards, mit denen die Hamburger Clubszene sich jedes Jahr selbst feiert.

Zurecht, aber dahinter steckt noch mehr, sagt Anna Lafrentz vom veranstaltenden Clubkombinat: "Wir beobachten, dass Clubs als Kulturorte immer ernster genommen werden und die Orte werden gleichzeitig immer lauter. Clubs waren schon immer politisch und sie sind es umso mehr, weil es notwendig ist, unsere Werte zu schützen."

Hebebühne für beste Newcomer-Förderung ausgezeichnet

Vielfalt, Offenheit, Mitbestimmung - große Worte, die besonders in den kleinen, subkulturellen Clubs mit Leben gefüllt werden. An diesem Abend werden die Menschen ausgezeichnet, die genau daran jeden Tag, oder besser, jede Nacht arbeiten.

Einer von zwölf Preisen geht an den Club mit der besten Newcomer-Förderung - und das ist dieses Mal: die Hebebühne. Die Trophäe: eine stilisierte Krone aus golden angemaltem Holz. Hauke von Horeis und sein Team könnten stolzer nicht sein auf diesen Preis für ihren kleinen Club in Ottensen:  "Wenn Newcomer:innen anfangen und dann zum nächsten großen Ding werden, müssen sie sich bei uns die Hörner abstoßen. Wo sollen junge Bands, die maximal 50 bis 100 Leute ziehen, auftreten, wenn's nicht Clubs geben würde, die genau das anbieten."

Weitere Informationen
Der Hamburger Jazzclub Cotton Club am Abend. © NDR

Clubsterben in Hamburg: Droht das Ende des Cotton Clubs?

Der Jazzclub schlägt nach einem wirtschaftlich katastrophalen Sommer Alarm. Unterstützt die Stadt ihre Clubs genug? mehr

Den Wert dieser kleinen Live-Musik-Spielstätten hat zunehmend auch die Politik auf dem Schirm. Im neuen Hamburger Haushalt wurde die Fördersumme für Clubs um 1,3 Millionen Euro erhöht und damit fast verdreifacht. Ist die Szene nach flauen Jahren also endlich im Aufwind?

Viele Clubs im Umbruch und Umzug

Dafür spricht zumindest, dass hier seit Langem auch wieder ein "Bester Neuer Club" prämiert wird. Aber dieser Preis geht ironischerweise gar nicht an einen wirklich neuen Club, sondern an das Fundbureau. Das war Jahrzehnte lang unter der Sternbrücke zu Hause - musste aber wegen deren Abriss kürzlich in die Nähe des Hauptbahnhofs umziehen.

Weitere Informationen
Die "Stubnitz" 2014 vor dramatischem Himmel an ihrem Liegeplatz im Baakenhafen in Hamburg © Stubnitz Archiv Foto: Carl

"Stubnitz": Vom Kühlschiff zur Location für Kultur und Events

Einst gehörte die "Stubnitz" zur Fischfangflotte der DDR, heute sind auf dem Industriedenkmal Kunst und Musik an Bord. mehr

Also nicht alles neu, aber zumindest ein Comeback für Betreiberin Luna Twiesselmann: "Wir müssen unsere Gäste dahinziehen und das hat wahnsinnig viel Geld gekostet und Mühe", sagt sie. Und dann war da noch die lange Schließzeit. "Insofern fühlen wir uns sehr geehrt und freuen uns mega über den Award."

Umzüge sind in Hamburg kein Einzelfall. Der Indie-Club Molotow steckt gerade mittendrin. Und auch der "MS Stubnitz" steht das Ganze bevor: Noch liegt das zur Konzertlocation umgebaute Schiff nahe den Elbbrücken. Aber dort in der HafenCity darf der Club nur noch bis Ende 2026 bleiben. Felix Stockmar und die "Stubnitz"-Crew suchen jetzt nach Lösungen. "Der Punkt eigentlich für uns alle, die diesen Ort betreiben, ist, um jeden Preis diese Räume offen zu halten, wo Diskurs stattfinden kann. Freiräume für Experimentelles, für Neues. Diese Räume werden immer enger."

Weitere Informationen
Das alte Molotow von außen © Screenshot NDR

Umzug des Hamburger Clubs Molotow ist in vollem Gange

Vor einem guten Jahr kam heraus, dass das Molotow Platz machen muss für ein Hotel. Doch es wurde gerettet und kann in der Reeperbahn 136 wieder aufmachen. mehr

"MS Stubnitz" als Raum für eine demokratische Gesellschaft

Die "MS Stubnitz" gewinnt gleich zwei Preise – einmal als Bester Club, prämiert von der 100-köpfigen Jury, und dann noch als Lieblingsclub im Publikumsvoting. Das dürfte den Stubnitz-Betreibern Rückenwind geben, wenn sie wieder mit der Stadt verhandeln, wo ihr Kulturschiff künftig anlegen darf. Felix Stockmar: "Diese Räume braucht es, sonst findet eine demokratische Gesellschaft nicht mehr statt."

Die Clubszene Hamburgs - sie präsentiert sich hier selbstbewusst als Verfechterin einer offenen und vielfältigen Gesellschaft. Die Clubawards zeigen gerade in stürmischen Zeiten, wie Party und Politik zusammengehören.

 

Weitere Informationen
Ein Roboter hält eine Gitarre in der Hand © picture alliance / Zoonar Foto: Milic Djurovic
3 Min

KI verändet die Musikbranche: Wie können Künstler sich wehren?

Durch KI könnten viele Jobs in der Branche wegfallen. Musikproduzent Peter Hoffmann fordert mehr Gegenwehr von den Künstlern. 3 Min

Reeperbahnfestival Samstag Impressionen © NDR Foto: Jennifer Philipp

Reeperbahn Festival zu Ende: Strongboi ausgezeichnet

Zum Abschluss des Festivals in Hamburg erhielt das Berliner Projekt Strongboi den begehrten Nachwuchspreis Anchor Award. mehr

Eine Menschengruppe steht vor den Bahngewölben hinter den Deichtorhallen. © Screenshot
2 Min

Zukunft der Clubszene geklärt

Beat Boutique und Fundbureau ziehen in die Bahngewölbe hinter den Deichtorhallen. Der Technoclub "Waagenbau" bleibt in Altona. 2 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 24.01.2025 | 06:00 Uhr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Die Schauspielerin Ellen Neuser als Tilda in einem Schwimmreifen auf der Buhne des Rostocker Ateliertheaters in der Inszenierung von "22 Bahnen". © Thomas Mandt

Blick über den Beckenrand: "22 Bahnen" im Rostocker Ateliertheater

Caroline Wahls Bestseller auf der Bühne - Im Zentrum die Protagonistin und der Hauptschauplatz: das Schwimmbad. mehr