Biopic "Maria": Tiefe Verbeugung vor der großen Sopranistin Maria Callas

Stand: 05.02.2025 06:00 Uhr

Pablo Larraín gilt als Spezialist für ungewöhnliche Biopics. Sein Porträt über die Operndiva Maria Callas spielt in der letzten Woche vor ihrem Tod. In der Hauptrolle der göttlichen Diva ist eine Diva unserer Zeit zu sehen: Angelina Jolie.

von Julia Haungs, SWR

September 1977. Seit vier Jahren lebt Maria Callas zurückgezogen in einem feudalen Pariser Apartment. Ihr Alltag besteht aus vielen Tabletten, die Realität und Einbildung verschwimmen lassen. Nachts erscheint ihr der verflossene Geliebte Aristoteles Onassis. Tagsüber gibt sie einem imaginären Fernsehreporter Auskunft über ihr Leben. Ihr Familienersatz sind zwei treu ergebene Hausangestellte. Diese sind hauptsächlich damit beschäftigt, ihre Chefin vor einer Medikamentenvergiftung zu bewahren und den Flügel in der Wohnung hin- und herzurollen. Denn die Diva ist selbstverständlich schwierig.

Weitere Informationen
Angelina Jolie als Maria Callas in einer Szene im Film "Maria" © Pablo Larraín/Netflix via AP/dpa Foto: Pablo Larraín
5 Min

"Maria": Angelina Jolie als Opernlegende Maria Callas

Der Kinofilm "Maria" erzählt von den letzten Tagen vor dem rätselhaften Tod der Opernlegende. In der Hauptrolle: Angelina Jolie. 5 Min

Gefangen in der Vergangenheit

Angelina Jolie spielt Maria Callas unterkühlt und doch mit jeder Faser ihres Körpers als überlebensgroße Schmerzensfrau, die ganz in der Vergangenheit gefangen ist. Der Film konzentriert sich auf die letzte Lebenswoche der Sängerin. In dieser Zeit laufen die größten Erfolge und Traumata noch einmal vor ihrem inneren Auge ab. Und sie trauert um das, was sie verloren hat: ihre große Liebe, den Platz im Rampenlicht, die Anbetung des Publikums und natürlich ihre einzigartige Stimme. Mithilfe eines Pianisten versucht sie verzweifelt, die Kontrolle über ihre Stimme wiederzuerlangen und damit auch die über ihr Leben.

Callas' und Jolies Stimmen digital vermischt

Die quälenden Gesangsproben blendet Regisseur Pablo Larraín immer wieder über in Nachinszenierungen von Callas‘ ikonischen Bühnenauftritten als Norma, Anna Bolena oder Tosca. Zu hören ist in diesen Szenen ihre eigene Stimme, allerdings digital gemischt mit der von Angelina Jolie. Angesichts des Legendenstatus von Maria Callas ein mutiger Ansatz, der Puristen befremden mag, innerhalb des Films aber gut funktioniert. Je weiter sich der Gesundheitszustand der Callas verschlechtert, desto größer wird die Beimischung von Jolies Stimmanteilen, sodass ihre zunehmende Fragilität auch akustisch nachvollziehbar wird. Manchmal beschließt die kapriziöse Film-Callas aber auch, gar nicht zu singen.

Weitere Informationen
Opernstar Maria Callas mit einem Strauß Rosen nach einem legendären Konzert 1959 auf Tour durch Deutschland © picture alliance / akg-images | akg-images

Maria Callas: Sensationsbesuch der Sopranistin in Hamburg

Die "Primadonna assoluta" trat 1959 in der Hamburger Musikhalle auf. Erinnerungen an ihren legendären Besuch in Hamburg. mehr

Opern-Star Maria Callas bei ihrem Auftritt mit dem NDR Sinfonieorchester in der Hamburger Musikhalle im Jahr 1962. © NDR Foto: NDR

Zum 100. von Maria Callas: Noch heute ein Vorbild für Gesangsstudentinnen

Die Opern-Ikone ist noch immer eine Referenz, wie Andrea Schwyzer an der Musikhochschule Hannover herausgefunden hat. mehr

Bilder von berauschender Schönheit

"Maria" lässt sich von seinem Best-of-Opera-Score tragen, zerfließt förmlich in den Arien und entwirft dazu Bilder von berauschender Schönheit, die sich auch vor Kitsch nicht fürchten. Larraín scheint geradezu verliebt in seine erlesene Ästhetik zu sein, in die sepiafarbenen Bilder des Pariser Herbstes, das stilvolle Kostüm- und Setdesign und natürlich die makellose Hauptdarstellerin. War Larraíns letztes Biopic "Spencer" über Lady Di ein frischer, gegen den Strich gebürsteter Blick auf eine zu Tode fotografierte Ikone, steht "Maria" seiner Hauptfigur sehr viel ehrfürchtiger gegenüber. Der Film ist eine tiefe Verbeugung vor der vielleicht größten Sopranistin der Geschichte und eine Huldigung an die Oper. Imagination, Erinnerungen und Realität verwebt der Regisseur zu einem kunstvollen Erzählgeflecht über die Sängerin und die Kunstfigur der Callas. Der Mensch Maria bleibt allerdings ein Enigma.

Weitere Informationen
Die Sopranistin Maria Callas singt am 5. Juni 1963 auf der Bühne des Theaters de Champs Elysees in Paris. Am Pult steht Maestro Georges Prêtre. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jean-Jacques Levy Foto: Jean-Jacques Levy

Maria Callas: "Primadonna assoluta" beim NDR Sinfonieorchester

Blick ins Archiv: Aufnahmen von Maria Callas mit dem damaligen NDR Sinfonieorchester 1959 und 1962 in Hamburg. mehr

Maria

Genre:
Biopic
Produktionsjahr:
2024
Produktionsland:
Deutschland, Italien, USA
Zusatzinfo:
Mit Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher und anderen
Regie:
Pablo Larraín
Länge:
123 Minuten
FSK:
ab 6 Jahren
Kinostart:
6. Februar 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 05.02.2025 | 06:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Spielfilm

Die Sopranistin Maria Callas singt am 5. Juni 1963 auf der Bühne des Theaters de Champs Elysees in Paris. Am Pult steht Maestro Georges Prêtre. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jean-Jacques Levy Foto: Jean-Jacques Levy

Maria Callas: "Primadonna assoluta" beim NDR Sinfonieorchester

Blick ins Archiv: Aufnahmen von Maria Callas mit dem damaligen NDR Sinfonieorchester 1959 und 1962 in Hamburg. mehr

Eine Frau in schwarz gekleidet, sitzt auf einem roten Sofa. © IreneZandel Foto: IreneZandel

Eva Gesine Baur über Maria Callas und ihre Schattenseiten

Maria Callas wäre am 2. Dezember 100 Jahre alt geworden. Eva Gesine Baur über die Jahrhundertdiva und ihre schwierige Seite. mehr

Maria Callas bei ihrem Debüt 1958 in Paris © Fonds de Dotation Maria Callas

"Callas - Paris, 1958": Ihr legendärer Konzertauftritt restauriert und in Farbe

Zu sehen ist der Film mit den Aufnahmen aus der Oper in Paris in einigen Kinos im Norden. Friederike Westerhaus hat ihn sich angeschaut. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Eine Frau steht in Krankenhaus-Kleidung an eine Wand gelehnt und guckt abwesend in die Luft. © Tobis Verleih

Berlinale 2025: Die norddeutschen Filme beim Festival

Heute geht's los, zwei norddeutsche Hoffnungen laufen im Wettbewerb, und die Hamburgerin Leonie Benesch spielt im Drama "Heldin". mehr