"Bildung für alle": Wie zeitgemäß sind Volkshochschulen?
Sind die Programme der Volkshochschulen noch aktuell? Wie divers sind sie? Und wo besteht noch Nachholbedarf? Ein Gespräch mit Stephan Kaps, dem Leiter der Volkshochschule in Nienburg.
Herr Kaps, Töpferkurse oder Strickkurse - damit verbinden viele vielleicht noch die Volkshochschulen. Man versucht aber schon, das der Realität ein bisschen anzupassen, oder?
Stephan Kaps: Das auf jeden Fall. Und ich finde, es ist gar kein so schlechtes Klischee. Gerade der Bereich "Do it yourself" ist ja auch in Social Media sehr prominent. Es gibt immer mehr Anleitungen für Makramee zum Beispiel - das Klischee, mit dem Volksschulen auch oft verbunden werden. Ich glaube, wir haben da eine große Möglichkeit, auch Bildungsangebote zu machen, die dem Bedarf der Bevölkerung entsprechen.
Der Name Volkshochschule klingt ein bisschen nach gestern. Wie versuchen Sie, die Volkshochschule zeitgemäß zu gestalten?
Kaps: Der Name ist natürlich eine Marke. Sehr viele Menschen kennen den Begriff Volkshochschule oder kürzer VHS, was es auch als bundesweites Logo gibt. Das ist schon ein wichtiger Name, weil das Volk als alle Menschen, die um uns herum sind, noch mal verdeutlicht, für wen wir eigentlich unsere Bildungsarbeit machen, nämlich für alle Menschen vor Ort.
Sie haben in Nienburg auch ein "Repair-Café" oder "Arabisch für Polizei und Sicherheitsdienste", also sehr aktuell, was das Angebot angeht.
Kaps: Auf jeden Fall. Das ist eine sehr große Kompetenz der Volkshochschulen. Wir haben in Niedersachsen 57 Volkshochschulen, dann gibt es noch 22 Heimvolkshochschulen und sieben Landeseinrichtungen, die alle nach dem Erwachsenenbildungsgesetz gefördert werden. Wir gucken schon, dass wir den Bildungsauftrag sehr genau nehmen, der da nämlich heißt, uns an den Bedarf und Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten und Angebote zu machen, die zeitgemäß sind. Wir machen auch ganz viel im Bereich Diversity.
Vor zwei Jahren sind Sie von Hannover nach Nienburg an die Weser gewechselt und leiten jetzt dort die Volkshochschule. Wie unterscheidet sich die Programmgestaltung?
Kaps: Im Großen und Ganzen gar nicht. Es gibt statistische Vorgaben, in welche Segmente wir was einteilen können und müssen. Ich vergleiche das immer mit einer Skalierung von einer Innenstadt: Es gibt in Nienburg den einen Laden nur einmal - und nicht fünfmal wie in Hannover. Es ist im Grunde - egal, wo man ist - Netzwerkarbeit und Arbeit mit Menschen. Ich glaube, das ist das Entscheidende. Da ist es egal, wie groß die Stadt ist oder die Kommune.
Sie sind auch Mitglied im "Arbeitskreis Vielfalt" des Landesverbandes der niedersächsischen Volkshochschulen und im Diversity-Ausschuss des Deutschen Volkshochschulverbandes. Wie divers sind die Volkshochschulen?
Kaps: Wenn wir endlich mal Forschungsgelder dazu kriegen könnten, könnten wir es tatsächlich erheben. Wir haben keine verlässlichen Zahlen, um zu sagen, wie divers Volkshochschulen wirklich sind, weil es noch nicht erforscht ist. Wir haben gerade einen Antrag gestellt und hoffen, dass wir diese Fördermittel kriegen, um das tatsächlich sagen zu können. Von sogenannten Differenzkategorien, also Unterscheidungsmerkmalen, die auch im Grundgesetz verankert sind, treffen viele noch nicht zu, und da haben wir großes Nachholpotenzial.
"Bildung für alle" ist der Leitspruch der Volkshochschulen. Inwieweit werden die Volkshochschulen dem gerecht?
Kaps: Das ist das Ideal, dass wir Bildung für alle machen. Deshalb auch noch mal meine Definition von dem Volksbegriff, dass es wirklich alle Menschen sein sollen, an die es sich richtet. Wir versuchen, möglichst barrierearm zu sein, wir versuchen, die Preisgestaltung so zu machen, dass Menschen möglichst wenig zahlen müssen oder durch Drittmittel oder Projektmittel gar nichts zahlen müssen. Ich glaube aber, dass wir nie alle erreichen können, genauso wie auch Kultureinrichtungen nie alle Menschen erreichen können. Da gibt es zum Beispiel auch Audience Development als Forschungsrichtung aus dem angloamerikanischen Raum und im deutschsprachigen Raum das Buch "Nicht-Besucherforschung" von Thomas Renz, der auch sagt, dass nicht alle Kultureinrichtungen alle Menschen erreichen können. Von daher können wir als Erwachsenenbildungseinrichtung auch nicht alle Menschen erreichen. Aber wir können sehr gut auf Bedarfe reagieren. Durch die Strukturen, die die Volkshochschule sowohl im Land als auch im Bund hat, haben wir die Möglichkeit, sehr schnell auf Bedarfe, die auch von Politik gesetzt werden, reagieren zu können.
Wenn Sie sich einen Kurs an Ihrer Volkshochschule aussuchen dürften, welchen würden Sie belegen?
Kaps: Ich darf das natürlich, die Angebote sind ja für alle offen. Außer Angebote, die sich zum Beispiel nur an Frauen richten - die würde ich nicht aufsuchen, weil ich mich als Mann definiere. Ich glaube, ich würde Ende April den Kurs im Rahmen unseres Projekts Digitale politische Bildung machen, die den Umgang mit Stammtischparolen beleuchtet. Das ist ein Online-Angebot.
Das Interview führte Philipp Schmid.