Ella Carina Werner: Feminismus in Versen
Ella Carina Werner ist Satirikerin, Mitherausgeberin des Titanic Magazins und Autorin mehrerer Erzählbände. Jetzt erforscht sie eine neue Gattung: das Tiergedicht.
Die Hamburgerin hat gerade ein neues Buch veröffentlicht: "Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt. Feministische Tiergedichte." Sie dichtet über Gender Pay Gap und Gendersternchen, die Last der Care-Arbeit und Frauenquote, den männlichen Blick und fragile Männlichkeit - Themen, über die viele entweder gar nicht sprechen wollen oder erbittert streiten. Warum sollten wir stattdessen lieber darüber lachen?
"Mein Blick ist immer die Komik"

"Ich finde zumindest, wir sollten auch darüber lachen," erklärt Werner, "ich finde es total wichtig, dass es so viele wütende feministische Sachbücher und Artikel gibt, aber das ist nicht so meins, das produziere ich nicht. Mein Blick ist immer die Komik, wie kann man es leicht und schnell und ein bisschen verdreht darstellen? Es muss einfach beides geben - und das ist mein Job im feministischen Game, sage ich mal."
Ein Erpel cruist auf seinem Motorboot namens "Bling Bling", die mondäne Sonnenbrille sitzt auf dem Schnabel, Halstuch und Haartolle wehen im Fahrtwind. Frau Ente dahinter, versucht, im Fahrtwasser nicht abzusaufen. Dazu lesen wir: "Zum Erpel sagt die Ente: / 'Ich kriege keine Rente.' / Sagt er, im Plauderton: / 'Ich schon.'"
Satire und Comedy: Frauen sind unterrepräsentiert
Auf dem feministischen Spielfeld ist Ella Carina Werner mittlerweile ein "big player". Mit ihren eigenen Büchern, Artikeln und Kolumnen vermittelt sie auf humorvolle Weise feministische Themen. Als Mitherausgeberin des Titanic Magazins vernetzt und fördert sie gezielt Frauen. Und auch auf der Bühne zu stehen, ist für sie ein Politikum. Denn selbst, wenn es mittlerweile erfolgreiche Satirikerinnen und Comediennes wie Maren Kroymann, Hazel Brugger oder Carolin Kebekus gibt, seien Frauen immer noch unterrepräsentiert in der Branche.
"Also rein mengenmäßig sind weit unter 20 Prozent der Komikschaffenden weiblich. Und das ist jetzt schon viel. Vor 15 Jahren waren Late Night-Redaktionen oder auch Satiremagazine eigentlich komplett männlich geprägt. Und da ändert sich jetzt viel, seit fünf bis zehn Jahren beobachte ich das. Und das ist ganz toll, dass sich da einzelne Frauen große Namen machen und dann andere mitziehen. Denn wenn erst mal eine sichtbar ist, dann denken auch die jungen Mädchen: Ach, stimmt, Komik könnte ich auch machen." Wer diese Vorbilder nicht habe, so wie sie früher, der brauche eben auch lange, um sich das zuzutrauen.
Frechheiten, Frivolitäen und Fäkalhumor
Zum Glück traut sie sich heute und haut so richtig auf den Putz. Im neuen Buch treffen immer wieder Frechheiten auf Frivolitäten oder auch mal Fäkalhumor. Die Protagonist*innen sind seltener die coolen Säue und tollen Hechte der Fauna, mehrheitlich besiedeln das Buch diejenigen Tiere, die sonst eher selten eine Rolle in Heldinnen-Geschichten spielen. Schnecken, Schaben und Maden.
"Hinter eines Baumes Rinde / ruft die Made nach ‘ner Binde. / Eine Periodentasse / fände sie sonst auch echt klasse." Leseprobe
Das steht in großen weißen Lettern vor strahlend blauem Himmel. Daneben lugt keck Frau Made hinter einem Bäumchen hervor, kaum größer als sie selbst. Auf dem Kopf sitzt eine Tasse, aus der Blutstropfen ins saftige grüne Gras fallen.
"Riesensause: Walkuh feiert Menopause"
Bluten oder nicht mehr bluten. Das ist hier die Frage. Neben menstruierenden Maden geht's auch um die Walkuh in den Wechseljahren! Ella Carina Werner war fasziniert von der Entdeckung, "dass die Walkuh eine Menopause hat, also dann aufhört, zu menstruieren und dann noch ganz lange weiterlebt. Und das ist neben dem Menschen so ziemlich das einzige Tier. Die meisten anderen Weibchen sind bis zum Tod fruchtbar und sterben direkt mit Ende der Fruchtbarkeit. Und bei der Walkuh hat das eine große soziale Bedeutung, weil die so ein bisschen die Chefinnen sind. Die halten die Herde zusammen, die passen auf die Enkel auf und so."
Im Buch sehen wir die Walkuh mit Partyhütchen und Tröte zwischen den prallen pinkfarbenen Lippen, dazu heißt es: "Im Pazifik Riesensause / Die Walkuh feiert Menopause." Viele Gedichte drehen sich um emanzipierte weibliche Begierde - da sind lüsterne Perlhühner, masturbierende Krakinnen und Stuten, die ihre Hengste besteigen.
Der subtile Sexismus ist das größere Problem
Manche Männer fühlen sich davon offenbar auf den Schlips getreten und lassen das Ella Carina Werner spüren. Gehässige, aggressive und offen frauenfeindliche Kommentare in sozialen Medien kommen immer wieder vor. Aber vor allem erfährt Ella Carina Werner eine subtilere und verstecktere Form von Sexismus.
"Zum Beispiel bei Lesungen im Titanic-Kontext," erzählt Werner," da trittst du zusammen mit fünf Männern auf und danach kommen Leute auf dich zu, klopfen dir auf die Schulter und sagen: 'Oh, es ist so toll, dass du als Frau da mitmachst.' Das ist vielleicht nett gemeint, aber es ist immer der Stempel, du bist die Frau." Sehr oft kämen auch von Kollegen oder männlichen Lesern Tipps, wie Werner es noch besser machen könne: "Dieses wohlwollende Helfende, das ist eher so meine Erfahrung."
Die punkige Pose zeichnet das Buch aus
Auf diese Ratschläge pfeift Ella Carina Werner - zum Glück auch beim neuen Buch. Denn dessen punkige Pose, dieses Rohe und Unperfekte machen es so besonders liebens- und lesenswert. "Ich weiß, dass es ab und zu mal ein bisschen rumpelt; dass das Metrum sich nicht immer ganz durchzieht. Das ist vielleicht auch ein bisschen so ein Frauending, weil ich mich in diese männliche Tradition so reinschreibe, dass ich denke so: Ja, Boys, ich will eure Spielregeln jetzt auch nicht immer so ernst nehmen."
"Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt" ist im Kunstmann Verlag erschienen. Die erste Auflage vom neuen Buch ist schon ausverkauft. Auflage zwei wird gerade in Italien gedruckt. Am 25. März findet die offizielle Buchpräsentation im Hamburger Nachtasyl statt. Neben Ella Carina Werner ist dann auch die Illustratorin Juliane Pieper zu Gast.
