Die "Sedov" - Frachtschiff, Schulschiff, Filmstar
Die Viermastbark "Sedov" läuft 1921 als "Magdalene Vinnen II" in Kiel vom Stapel. 1937 entgeht sie nur knapp dem Untergang in einem Orkan. Heute gehört die "Sedov" zu den größten Segelschiffen der Welt.
Mit ihren 117,5 Metern Länge muss sich die "Sedov" nur wenigen anderen noch fahrenden Windjammern geschlagen geben. Doch anders als Neubauten wie die "Royal Clipper" von 1990 oder die "Sea Cloud II" von 1999 ist die "Sedov" eine echte Veteranin der Weltmeere. Seit 1921 segelt die stählerne Viermastbark über die Ozeane - zunächst als Frachtschiff, später als Schulschiff und einmal sogar als Star eines TV-Films.
Stapellauf als "Magdalene Vinnen II"
Am 23. März 1921 läuft das Schiff bei der Krupp-Germaniawerft in Kiel vom Stapel. Damals heißt der Viermaster noch "Magdalene Vinnen II". Für seinen Eigner, die Vinnen-Reederei, ist die Viermastbark eine wichtige Basis für den Neuanfang des Unternehmens, das im Ersten Weltkrieg all seine Schiffe verlor. Das Segelschiff ist von Anfang an auch mit einem Diesel-Hilfsmotor ausgestattet. Dadurch ist es kaum langsamer als ein Frachtdampfer, benötigt aber viel geringere Mengen an Brennstoff. Bis 1936 transportiert die "Magdalene Vinnen" Waren jeglicher Couleur um die Welt. Dabei kommt sie bis nach Australien, Südafrika und zu den Seychellen und umsegelt zwei Mal das für seine stürmischen Gewässer berüchtigte Kap Hoorn.
Vom Fracht- zum Schulschiff "Kommodore Johnson"
1936 kauft der Norddeutsche Lloyd Bremen die "Magdalene Vinnen II" und baut sie zum frachtfahrenden Schulschiff um. Damit künftig bis zu 60 Offiziersanwärter auf dem Schiff mitfahren können, werden neue Unterkunftsräume gebaut. Auch einen neuen Namen erhält das Schiff: Ab dem 12. August 1936 heißt es "Kommodore Johnson" - nach einem Mitarbeiter der Lloyd-Flotte, der sich vom Schiffsjungen zum Kommodore hocharbeitete.
Beinahe-Untergang vor den Azoren
Wenige Monate später, am 1. März 1937, gerät das Schiff in die schlimmste Lage seiner Geschichte: Die "Kommodore Johnson" ist gerade auf Höhe der Azoren unterwegs. Dort gerät sie in einen schweren Orkan, der Unmengen von Wasser auf das Vordeck drückt. Das Schiff, welches bereits Schlagseite hat, läuft voll. Die Schlagseite verschlimmert sich noch, als geladenes Getreide nach Backbord verrutscht. Die "Kommodore" kippt gefährlich und hat nun 56 Grad Neigung. Verzweifelt bemüht sich die Mannschaft, die Ladung zu verschieben. 200 Tonnen Wasser befinden sich mittlerweile auf dem Backborddeck, in den Mannschafts- und Kadettenräumen reicht es schon bis zu den Bullaugen. Wellen setzen dem Schiff schwer zu.
Schließlich, am 3. März, setzt die "Kommodore Johnson" einen SOS-Funkspruch ab. Die Lage ist äußerst bedrohlich, als endlich zwei Tankschiffe kommen und helfen. Sie glätten die Wellen, indem sie Öl in die aufgewühlte See laufen lassen. Als der Sturm abflaut, gelingt es schließlich, die havarierte "Kommodore Johnson" zu stabilisieren. Die Menschen an Bord sind gerettet, das Schiff kann die Reise aus eigener Kraft fortsetzen.
Aus der "Kommodore" wird die "Sedov"
1939, wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, kehrt die Viermastbark nach Deutschland zurück. Während des Krieges macht sie nur wenige Ausbildungsfahrten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs liegt die "Kommodore Johnson" zusammen mit der "Padua" - der späteren "Kruzenstern" - in der Kieler Förde vor Anker. Beide Schiffe gehen als Reparationsleistung nach Russland. Die Viermastbark bekommt den Namen "Sedov" - in Gedenken an den 1914 bei einer Arktis-Expedition umgekommenen Forscher Georgij Sedov.
Unter russischer Flagge
Schon bald nimmt das Schiff wieder Fahrt auf: Von 1952 bis 1957 fährt die "Sedov" als Schulschiff der russischen Marine unter anderem nach Südamerika und Südafrika. Von 1957 bis 1966 ist sie als ozeanografisches Forschung- und Ausbildungssschiff im Nordatlantik unterwegs. 1966 übernimmt das sowjetische Fischereiministerium die Viermastbark und nutzt sie für Ausbildungsfahrten im finnischen Meerbusen. 1967 wird die "Sedov" in Kronstadt vorübergehend außer Betrieb genommen. Dann, von 1975 bis 1981, wird sie in der Marinewerft in Kronstadt komplett überholt und umgebaut.
Museum, Schulschiff und Filmstar
Seither verfügt der größte traditionelle Windjammer der Welt über Unterkünfte für 240 Mann und einen glasüberdachten Festsaal mit Bühne. Sogar ein Museum befindet sich an Bord des Schulschiffes, in dem sich Segelschüler und Besucher über die Geschichte des Schiffes und seinen Namensgeber Georgij Sedov informieren können. Seit 1989 ist es auch Gästen möglich, auf der "Sedov" als Teil der Besatzung mitzusegeln. Allerdings sind solche Angebote derzeit infolge des Russland-Ukraine-Kriegs ausgesetzt.
Einen ihrer größten Auftritte hat die "Sedov" im Jahr 2005: In dem ARD-Fernsehfilm "Der Untergang der Pamir" verkörpert sie den unglückseligen Flying-P-Liner, der 1957 auf dem Atlantik in einen Hurrikan geriet und sank. Dabei kamen 80 von 86 Besatzungsmitgliedern ums Leben.
Gern gesehener Gast auf norddeutschen Hafenfesten
Wenn die Sedov nicht gerade auf den Weltmeeren unterwegs ist, ist sie des Öfteren in Norddeutschland zu Gast. Regelmäßig ist die der Viermaster auf Hafenfesten zu bewundern, so etwa bei der Hanse Sail in Rostock oder auf der Kieler Woche.