Maschsee in Hannover: NS-Projekt ist längst eine Freizeit-Oase
Am 21. März 1934 begannen die Nationalsozialisten mit dem Bau des Maschsees in Hannover. Die Arbeiter mussten zu Hungerlöhnen schuften, um den künstlichen See zu errichten. Heute zieht er Tausende Menschen für Freizeit und Erholung an.
2,4 Kilometer lang, 180 bis 530 Meter breit und nur rund zwei Meter tief. Der Maschsee, Hannovers Haussee, ist auf dem Reißbrett entstanden. Schon 1876 präsentierte der Architekt Theodor Unger der Stadt Pläne, wie den Überschwemmungen der Flüsse Leine und Ihme nach der Schneeschmelze im Harz begegnet werden könnte. Die Altstadt und die nahe gelegenen Stadtteile hatten ständig mit Überflutungen zu kämpfen.
Alte Pläne werden ab 1925 wieder aktuell
Doch wegen fehlenden Geldes und technischer Probleme liegt der Plan zunächst auf Eis. Erst Jahrzehnte später wird der Maschsee tatsächlich gebaut - im Rahmen nationalsozialistischer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen. Die technischen Details legt 1925 Otto Franzius fest, Professor an der Technischen Hochschule Hannover. Damit das Wasser des künstlichen Sees nicht versickern kann, wird der Grund mit einer Ton- und Lehmschicht abgedichtet. Zusätzlich liegt zum Schutz dieser Schicht eine acht Zentimeter dicke Kiesdecke darüber.
Mit der Planung werden die Bauräte Karl Elkart und Fritz Behrens betraut. Am 21. März 1934 setzt der damalige Oberbürgermeister Arthur Menge den ersten Spatenstich. Die Nationalsozialisten nutzen das See-Projekt für ihre Propaganda und preisen es als bedeutsame "völkische Tat".
Niedriger Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen
Mehr als 1.600 Arbeiter, überwiegend Arbeitslose, heben 780.000 Kubikmeter Boden für das Seebecken aus. Getrieben von der Not nehmen sie schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne in Kauf. Nach der Logik der Nationalsozialisten darf der See nicht mit schwerem Gerät ausgebaggert werden, sondern nur mühsam mit der Hand - damit es möglichst viel Arbeit für möglichst viele Menschen gibt. Das Wochengehalt der Arbeiter liegt bei 15,50 Reichsmark. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Butter kostet damals fast 3,2 RM, ein Kilogramm Rindfleisch knapp 1,5 RM. Weil die Arbeiter auch noch Arbeitskleidung und -gerät selbst mitbringen müssen, liegen die gezahlten Löhne bei Verheirateten unter den gültigen Unterstützungssätzen. Das Arbeitsamt sieht sich daher gedrängt, dem Maschsee-Vorhaben nach Möglichkeit nur ledige Arbeitslose zuzuweisen.
Nazi-Propaganda bei Eröffnung
Am 26. November 1935 wird die ausgehobene Fläche geflutet - damals noch mit Wasser der benachbarten Leine, das über eine Filteranlage in das höher gelegene Seebecken gepumpt wird. Zur Einweihung des Maschsees am 21. Mai 1936 säumen mehr als 200.000 Schaulustige die Ufer. Die Veranstaltung am Himmelfahrtstag beginnt mit einem Massenaufmarsch der Nationalsozialisten. 6.000 Sportler nehmen an einem Sternmarsch teil, Behörden und Wehrmacht schicken Abordnungen. Am Eröffnungstag nimmt auch das erste Maschseeschiff den Betrieb auf. Wenig später beauftragt die Stadt die Hannoverschen Verkehrsbetriebe üstra, zwei weitere Schiffe auf dem 5,6 Kilometer langen Rundkurs verkehren zu lassen.
Tarnung vor feindlichen Piloten
Doch dreieinhalb Jahre nach der ersten Tour muss die Maschsee-Flotte die Schifffahrt auf dem See vorerst einstellen. Im Zweiten Weltkrieg verschwindet der Maschsee 1940 vorläufig unter Flößen aus Weidengeflecht, die das Gewässer vor feindlichen Bomberpiloten tarnen sollen. Vergeblich: Mehr als 110 Bomben schlagen im See ein, die Maschsee-Flotte wird zerstört. Drei Jahre nach dem Krieg nimmt die üstra den Betrieb auf dem See wieder auf.
Wassersport-Revier und Karpfenteich
Seit 1962 kommt das Wasser aus den südlich gelegenen Kiesteichen, denn das Leinewasser ist zu schmutzig geworden. Heute ist der Maschsee nicht nur ein beliebtes Wassersport- und Naherholungsgebiet, sondern auch ein verpachtetes Fischzuchtrevier. Gefangen werden unter anderem Hechte, Barsche und Karpfen, die traditionell zu Weihnachten und Silvester am See verkauft werden. Seit 1986 feiert Hannover das mehrwöchige Maschseefest. Aus den zunächst 70.000 Besuchern sind inzwischen mehr als zwei Millionen geworden.