Wie Dithmarscher Bauern den König besiegten
17. Februar 1500: Die norddeutsche Bauernrepublik Dithmarschen scheint geschlagen. Doch als der dänische König Johann I. mit seinem Heer bereits abziehen will, schlagen die Dithmarscher zu. In der Schlacht bei Hemmingstedt gehen die etwa 12.000 Mann starken Truppen des Königs sang- und klanglos unter. Die Schlacht wird zur Legende, das Ereignis prägt fortan das Selbstverständnis der Dithmarscher.
Bauern regieren sich selbst
König gegen Bauernland - wie kommt es dazu? Die Region Dithmarschen weist in ihrer historischen Entwicklung einige Besonderheiten auf. Dazu trägt zunächst einmal die geschützte geografische Lage am äußersten Südwestzipfel des heutigen Schleswig-Holsteins bei. Das Großbauerntum prägt den fruchtbaren Landstrich, in dem es nur wenige Städte gibt.
Nach der Niederlage der Dänen in der Schlacht von Bornhöved 1227 fällt Dithmarschen an das Erzbistum Bremen. Doch da der Erzbischof wenig Einfluss geltend macht, regieren sich die Küstenbewohner quasi selbst. Beharrlich wehren sie Angriffe von außen ab, wie den des Holsteiner Grafen von 1309. Aus Vertretern der Kirchspiele setzt sich das "Kollegium der 48er", ein Rat der Bauern, zusammen. Dieses ungewöhnliche Organ stellt die eigentliche Führung Dithmarschens dar, das zu einer inoffiziellen Bauernrepublik wird.
Reise zum Papst sichert die Unabhängigkeit
Das Großbauerntum erwirbt und nährt seinen Wohlstand hauptsächlich mit Getreidehandel. Handelspartner und Verbündete sind große Hansestädte wie Lübeck. Das reiche Land und der Zugang zur Nordsee wecken Begehrlichkeiten. So auch beim dänischen König Christian I., der seit 1460 über den dänisch-holsteinischen Gesamtstaat herrscht und sich 1473 von Kaiser Friedrich III. einen Lehnsbrief ausstellen lässt, der ihm die Hoheitsrechte über Dithmarschen zusichert. Doch die Dithmarscher wehren sich mit einem klugen Schachzug: Sie schicken eine Delegation zum Papst nach Rom. Sixtus IV. bestätigt die Zugehörigkeit Dithmarschens zum Erzbistum Bremen und droht denen, die dieses Recht verletzen, mit Exkommunion.
Die "Schwarze Garde" wütet in Meldorf
1499 versucht Christians Nachfolger Johann I., seine Ansprüche auf Dithmarschen geltend zu machen. Er fordert die Anerkennung seiner Herrschaft, dazu jährlich 15.000 Mark und den Bau von Befestigungsanlagen in Meldorf, Brunsbüttel sowie an der Eider. Als die Dithmarscher dies ablehnen, sammelt der König ein Heer um sich und zieht gegen die unbeugsame Bauernrepublik ins Feld.
Die Truppen überschreiten am 11. Februar 1500 die Grenze zu Dithmarschen. Am 13. Februar stürmen sie Meldorf. Die Dithmarscher haben Söldner angeheuert, die ihre Stadt verteidigen sollen. Doch die Kämpfer fliehen vor der anrückenden "Schwarzen Garde". Das 4.000 Söldner umfassende Landsknechtsregiment aus dem niederländisch-friesischen Raum wird von Junker Thomas Slentz angeführt und ist auf die brutale Niederwerfung von Bauernaufständen spezialisiert. "Wahr Di, Buer, de Gaar de kummt (Achtung Bauer, die Garde kommt)", lautet ihr Wahlspruch. Hinter der Garde folgen die Landwehr mit etwa 5.000 Bürgern und Bauern, die adlige gepanzerte Reiterei, die Artillerie sowie der Tross. Die Dithmarscher, die allenfalls 6.500 Kämpfer stellen können, ziehen sich zurück und leisten zunächst keinen weiteren Widerstand.
Mit Springstöcken und Wasser den Gegner überlistet
Johann I. wähnt sich bereits als Sieger, als er am 17. Februar 1500 den Befehl zum Weitermarsch nach Norden gibt. Bedenken, dass der Weg wegen des einsetzenden Tauwetters für Ross und Reiter sowie für den Transport der Kanonen zu beschwerlich und unsicher sei, wischt er beiseite. Ein folgenschwerer Fehler: Unter der Leitung von Wulf Isebrand haben die Dithmarscher in der vorangegangenen Nacht südlich von Hemmingstedt eine Schanze gebaut. Von dieser Wegsperre aus empfangen sie die "Schwarze Garde" mit Kanonenbeschuss. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich ein Teil des sieben Kilometer langen Heereszuges noch in Meldorf.
Zudem öffnen die Männer um Isebrand die Siele des Seedeichs, sodass mit der Mittagsflut das Wasser hereinströmt. Nun sind die Einheimischen klar im Vorteil. Sie legen Helme und Brustpanzer ab und nutzen ihre Lanzen als Springstöcke, mit denen sie traditionell über die vielen Wassergräben springen. Damit sind sie beweglicher als die königlichen Truppen. Behindert von der schweren Panzerung ertrinkt ein Großteil der gegnerischen Soldaten. Mit den übrigen zeigen die Sieger keine Gnade. Auch Junker Slentz fällt in der Schlacht bei Hemmingstedt. Zudem erobern die Dithmarscher die Kriegskasse und den Danebrog, die dänische Nationalflagge.
Sieg sichert Unabhängigkeit bis zur "Letzten Fehde"
Doch die Unabhängigkeit Dithmarschens währt lediglich weitere 59 Jahre. Feldherr Johann Rantzau erringt in der "Letzten Fehde" am 13. Juni 1559 bei Heide den entscheidenden Sieg für Dänemark. Dithmarschen wird drei-, später zweigeteilt, kann aber viele Freiheiten und Strukturen der Republikzeit beibehalten.
Schlacht inspiriert zu Liedgut und nationalistischer Verklärung
Zahlreiche Gedichte und Lieder befassen sich in den folgenden Jahrhunderten mit der Schlacht. Auch der Dichter Theodor Fontane widmet ihr 1847 eine Ballade. In Zeiten des stärker werdenden deutschen Nationalismus wird dem Ereignis besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So wird im Jahr 1900 ein Denkmal auf der Dusenddüwelswarf (plattdeutsch für Tausendteufelswarft) errichtet, wo die Schlacht vermeintlich stattgefunden hat. Später stellt sich allerdings heraus, dass die entscheidende Schanze vermutlich rund einen Kilometer weiter nördlich gestanden hat. In den 1930er-Jahren instrumentalisieren die Nationalsozialisten den Freiheitskampf der Dithmarscher für ihre Propagandazwecke. Heute klärt ein Infopavillion am Denkmal über die historischen Zusammenhänge auf.