Das Café Kröpcke in Hannover mit der "Kröpcke-Uhr" im Vordergrund rechts. (um 1900) © Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Foto: unbekannt

Vor 70 Jahren: Historische Kröpcke-Uhr in Hannover demontiert

Stand: 25.10.2024 00:00 Uhr

Die Kröpcke-Uhr, das bekannte Wahrzeichen Hannovers, hatte den Zweiten Weltkrieg überstanden. Sie wurde im Zuge der Innenstadt-Modernisierung aber am 25. Oktober 1954 abgebrochen. Ihr Nachfolger: die Cravatzo-Uhr.

von Jochen Lambernd

"Lass uns am Kröpcke treffen!" - "Wo?" - "Na, bei der alten Uhr." Die Kröpcke-Uhr ist auch heute noch ein beliebter Treffpunkt in der Innenstadt von Hannover. Sie hat eine lange Geschichte. Die erste Normaluhr auf dem heutigen Kröpcke genannten Platz wurde von Konrad Oertel entworfen. Sie wurde am 8. November 1885 eingeweiht und in Betrieb genommen.

Multifunktionale Wettersäule mit Zeitanzeige

Das Café Kröpcke in Hannover mit der "Kröpcke-Uhr" als Aquarell-Gemälde von Georg Dieckmann (1907) © picture alliance / Artcolor
Café und Uhr bildeten eine optische Einheit.

Eigentlich war anfangs lediglich eine Wettersäule mit meteorologischen Instrumenten vorgesehen, die den Passanten Witterungsberichte und Wetterprognosen anzeigen sollte. Die Stadt wollte dort auch tagesaktuelle Nachrichten sowie einen Fahrplan der Eisenbahn unterbringen. So entstand dann auch die Idee zu einer Uhr. Das kleine Gebäude wurde zu einer multifunktionalen Wettersäule mit Zeitanzeige - weit mehr als nur eine Uhr.

Architekt Oertel schuf ein Bauwerk, das alle Anforderungen vereinen konnte. Das "Straßenmöbel" bekam eine kleine Kuppel, die optisch dem angrenzenden Gebäude des Café Kröpcke angepasst war. Auch die Unterkonstruktion mit Glaselementen ähnelte der Architektur des Cafés.

Für Werbung und NS-Propaganda genutzt

Im Laufe der Jahre wurde die Säule vermehrt für Werbung genutzt, zu Propagandazwecken bei den Nationalsozialisten. Als in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 die schwersten Bombenangriffe auf die Stadt geflogen wurden, gerieten viele Gebäude in Brand. Die rapide steigende Hitze in der Stadt wurde vom Temperaturmesser der Kröpcke-Uhr registriert. Er verharrte bei 35 Grad Celsius, das war seine Höchstgrenze.

1954 wurde die Uhr abgebaut

Ein Lkw fährt in Hannover aus der Georgstraße kommend an der zerstörten Kröpcke-Uhr vorbei. (1945) © picture alliance/dpa/Historisches Museum Hannover
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Uhr mit leichten Beschädigungen.

1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, konnte die leicht beschädigte Uhr nach Reparaturen wieder aufgestellt werden. Das Café Kröpcke war hingegen zerstört worden. Am 17. August 1948 wurde der Neubau des Nachfolge-Cafés eröffnet. Dessen Architekt Dieter Oesterlen hatte ihn nach modernen Gesichtspunkten konzipiert. Auch der damalige Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht wollte Hannover modernisieren. Die alte Uhr passte nicht mehr so recht ins Bild der Zeit. Am 25. Oktober 1954 wurde sie abgebaut. Hillebrecht galt als ein typischer Vertreter einer Stadtplanung, die auch das Leitbild der "autogerechten Stadt" umsetzte.

Cravatzo-Uhr entspricht dem Zeitgeist der 50er-Jahre

Im Zuge des geplanten U-Bahn-Baus wird das traditionsreiche Cafe Kröpcke am 02.10.1970 abgerissen, im Vordergrund die Kröpcke-Uhr nach dem Entwurf des Baurats Karl Cravatzo © picture alliance / Wulf Pfeiffer Foto: Wulf Pfeiffer
In den 1970er-Jahren wurde das Café Kröpcke wegen des U-Bahn-Baus abgerissen, im Vordergrund steht die Cravatzo-Uhr.

Ein knappes Jahr später, am 3. Oktober 1955, ließ die Stadt eine moderne Uhr mit drei Zifferblättern aufstellen, die in der Werkstatt des Kunstschlossers Karl Meißner hergestellt wurde. Sie basiert auf einem Entwurf des städtischen Baurats Karl Cravatzo - quasi ein "Kleeblatt mit Dach". Von dieser "Uhr am Stil" wurde am 9. November 1955 ein zweites Exemplar am Steintor, 1956 ein weiteres am Aegidientorplatz aufgestellt. Doch viele Bürger fremdelten mit der Cravatzo-Uhr, viele wollten ihre alte Kröpcke-Uhr zurück.

Seit 1977 wieder im Stil der ersten Uhr

Beleuchtete Kröpcke-Uhr: Mit der bundesweiten Aktion 'Night of Light' macht die Veranstaltungsbranche auf ihre finanzielle Notlage durch die Corona-Krise aufmerksam. Hannover, 22.06.2020 © picture alliance / Geisler-Fotopress Foto: Ulrich Stamm/Geisler-Fotopress
Für die Aktion "Night of Light" wurde die Kröpcke-Uhr 2020 rot beleuchtet.

Schließlich wurde 1977 eine vereinfachte Rekonstruktion der ursprünglichen Uhr auf dem Kröpcke aufgestellt. Die Kleeblatt-Uhr musste weichen und bekam einen neuen Standort am Steintor. Der damalige Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) weihte die neue, alte Uhr ein. Sie wird bis heute als Ort für Kultur genutzt. So sind in der Vitrine wechselnde Ausstellungen und Kunstaktionen zu sehen. Nach wie vor ist die Kröpcke-Uhr einer der beliebtesten Treffpunkte der Stadt Hannover.

Weitere Informationen
Ilze Rodewald im Gespräch mit einem Kunden in ihrem Kiosk am Kröpcke. © Screenshot
3 Min

Der Traditionskiosk am Kröpcke

Ilze Rodewald ist 78 Jahre alt und steht seit 1979 täglich hinter dem Tresen ihres Kiosks in der Stadtmitte von Hannover. (02.11.2023) 3 Min

Blick auf die zerstörte Hannoveraner Innenstadt nach dem Bombenangriff am 9. Oktober 1943 mit den Ruinen der Aegidienkirche und Markthallenruine. © dpa - Bildfunk

9. Oktober 1943: Bomber legen Hannover in Schutt und Asche

261.000 Bomben fallen 1943 auf die Stadt herunter. Sie erlebt die schwerste Bombennacht im Zweiten Weltkrieg. 1.245 Menschen sterben. mehr

Blick auf moderne Wohnhäuser und ein Wasserbecken in Neu-Altona (Holstenstraße) in den 1960er-Jahren. © Neue Heimat, Hamburgisches Architekturarchiv

Aus Bombentrümmern zur Vision der "neuen" Stadt

Zerstörte Städte bieten Architekten in der Nachkriegszeit Raum für Utopien. Historische Gebäude stören in ihren Plänen eher. mehr

Sogenannte Trümmerfrauen entsorgen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Schutt mit Loren. © picture alliance / akg-images

Nachkriegszeit: Trauer, Trümmer, Teilung - und Aufbruch

Nach dem Krieg sind die deutschen Städte eine Trümmerlandschaft. Das Land wird in vier Besatzungszonen aufgeteilt. mehr

Mehr Geschichte

Passanten überqueren 1990 eine Straße am Schweriner Schloss. © dpa - Report Foto: Rolf-Peter Frischmann

1990: Schwerins harter Kampf um den Hauptstadt-Titel in MV

Nach langem Ringen fällt am 27. Oktober 1990 die Wahl auf die Residenzstadt als Sitz des Parlaments. Rostock zieht den Kürzeren. mehr

Norddeutsche Geschichte