Wie die Krückau Elmshorn prägte - ein Gezeiten-Spaziergang
Die Krückau ist nur 40 Kilometer lang und auf den ersten Blick keine Naturgewalt wie die Elbe. Doch eine Stadt wie Elmshorn hat der Fluss geprägt. Fotos der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute" belegen den Wandel.
Die Krückau war für Elmshorn im Kreis Pinneberg lange Zeit die Wirtschaftsader. Der Fluss trat regelmäßig über die Ufer. Die Elmshorner*innen lebten mit den Gezeiten. Heute weiß das kaum noch jemand.
Als die Architektin und Künstlerin Ruth Alice Kosnick vor 27 Jahren nach Elmshorn zog, wunderte sie sich darüber, dass sich scheinbar kaum jemand für den Fluss und seine Geschichte interessierte. Sie wollte die Geschichte sichtbar machen.
1962 war die Innenstadt von Elmshorn extrem überschwemmt. Heute müssen die Geschäftsinhaber in der Holstenstraße dank des Sperrwerks keine Sandsäcke mehr vorhalten, um den Fluten zu begegnen.
Historischer Stadtrundgang neu aufgelegt
Vor genau 20 Jahren konzipierte Kosnick eine Art Open-Air-Ausstellung über die Geschichte der Krückau. Mit dem Flyer in der Hand kann man seitdem einen historischen Stadtrundgang machen: ein Spaziergang voller Einblicke und Geschichten, eine tolle Alternative in Zeiten der mangelnden kulturellen Angebote. Auch deswegen hat die Stadt den Flyer zu den sogenannten Rückblicktafeln neu aufgelegt.
Auf der Krückau kam das Getreide in die Stadt
"Das ist der Mühlendamm." Ruth Alice Kosnick schaut sich um: Sie blickt zum See im Steindammpark. Keine Mühle weit und breit. "Es gab ganz viele Getreidemühlen hier, weil Elmshorn der drittgrößte Getreide-Umschlagplatz des Deutschen Reiches war." Die Stadt ist Heimat der Firm Kölln, die seit mehr als 200 Jahren in Elmshorn produziert und für ihre Haferflocken bekannt ist.
Überschwemmungen gab es im Elmshorner Hafen häufig, bis das Sperrwerk gebaut wurde. Heute liegen nur noch vereinzelt Schiffe im Hafen.
Perspektive des Fotografen von damals
Direkt neben dem vierspurigen Mühlendamm steht die erste von neun Rückblicktafeln. Zu sehen: Fotos von der Krückau, vorne eins, hinten eins, vor etwa 100 Jahren genau hier fotografiert. "Der Aufbau der Tafeln ist so, dass die eine Seite die Perspektive des Fotografen von damals zeigt und genau so in den städtischen Raum gestellt wurde, dass man sieht: So sah das früher aus. Und auf der anderen Seite ist eine Erläuterung", erklärt Kosnick.
Auf dem einen Foto sind badende Kinder zu sehen. Heute führt hier die Straße über den Fluss. Auf dem anderen Foto: die Wassermühle Piening, angetrieben vom Stauwasser. Der Mühlendamm - das erkennt man sofort - war damals noch unbefestigt.
An der Oberau wurde die Wassermühle Piening früher durch Stauwasser angetrieben. Heute bestimmt der vierspurige Mühlendamm das Bild.
Wochenlange Suche nach passenden Fotos
Ruth Alice Kosnick hat lange im Stadtarchiv nach passenden Fotos suchen müssen: "Die Tafeln sind dafür gedacht, dass die Leute wieder mit der Historie Elmshorns vertraut werden, auch Zugezogene. Elmshorn hat ja viele Zugezogene." Die Historie von Elmshorn sei nämlich sehr interessant, findet sie. Den neuen Flyer gibt es im Rathaus oder in der Touristeninformation - derzeit wegen der Pandemie allerdings nur auf telefonische Anfrage oder per Mail, dafür aber per Post direkt nach Hause.
Schiffbau gab es in Elmshorn schon im 18. Jahrhundert. Die letzten Werften schlossen in den 1970er-Jahren.
Knutsch-Boote auf der Krückau für frisch Verliebte
Der Spaziergang führt einmal quer durch die Stadt und bietet neun unterschiedliche Standorte. Ruth Alice Kosnick: "Besonders bei der nächsten Tafel sehen wir noch etwas sehr Schönes. Es gab nämlich früher hier so einen kleinen Bootsanleger, wo die Leute mit dem Bötchen gefahren sind. Alt-Elmshorner erzählen, dass die hier in Elmshorn auch Knutsch-Buden genannt wurden, weil sich da immer Pärchen trafen." Durch den Vergleich von historischem Foto und der heutigen Umgebung an Ort und Stelle ist das wenigstens vorstellbar.
Das Ausflugslokal "Zur Alten Mühle": Hier machten die "Knutsch-Buden" fest. Heute ist das Lokal einem Mehrfamilienhaus gewichen.
Die Sturmflut von 1962: Höchststand 5,08 Meter
Auf dem Weg vom Mühlendamm in Richtung Innenstadt bleibt Künstlerin Kosnick an einer Tafel zur Sturmflut von 1962 stehen: "Da war der Höchststand 5,08 Meter über Normal-Null. Man sieht hier die Königstraße, die Haupteinkaufsstraße. Und es ist wieder so, dass das Hauptbild mit Blick in die Königstraße aufgenommen wurde, sodass man sich das sehr gut vorstellen kann."
Auf der Tafel fahren die Autos durchs Wasser, die Fußgänger gehen knietief darin. Die ganze Innenstadt sei überflutet gewesen, sagt Kosnick.
Die Königstraße nach der Sturmflut 1962 und heute.
Straßen haben den Fluss als Handelsroute abgelöst
Eine gute halbe Stunde dauert der Spaziergang und veranschaulicht einiges über die Bedeutung des Flusses. Eine Tafel zeigt den Blick in den Hafen und in Richtung Kölln-Werke. "Man sieht noch das Bild sehr schön, wie viele Schiffe hier lagen. Und dass auch direkt von den Schiffen aus gehandelt und abgewogen wurde", erzählt die Wahl-Elmshornerin.
Früher bestimmten vor allem Kornschuten das Hafenbild. Längst liefern Lastwagen das Korn für die Kölln-Werke an.
Heute liegen hier gerade mal zwei Schiffe. Waren transportieren sie nicht. Die Straßen haben den Fluss als Handelsroute abgelöst. Aber durch den historischen Rundgang, die kleine Zeitreise von Ruth Alice Kosnick, wird die ehemalige Bedeutung der Krückau für die Stadt wieder sichtbar.
Seit dem Bau des Sperrwerks 1969 bleiben die Wiesen in Elmshorn trocken. Das historische Foto entstand nach der Sturmflut 1962.