Reinbek: Vom Sommerschloss zum Markenzeichen
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
Die Kutschen nehmen kein Ende. Gespann um Gespann fährt in den Hof des Schlosses Reinbek ein. Aufgeladen sind jede Menge massive Holzschränke, schwere Betten und Stühle, mit Schnitzereien verzierte Kommoden, Bänke, Schemel und Wandteppiche. Nach und nach laden die Bediensteten die wertvollen Möbel ab und schleppen sie ins Schloss. Es ist kein Umzug, der sich hier Ende des 16. Jahrhunderts abspielt. Es ist eine Urlaubsreise.
Herzog Adolf I. samt Gefolge reist an - von Schloss Gottorf zu seiner Sommerresidenz nach Reinbek. "Das Schloss war nicht möbliert. Die herzogliche Familie brachte also immer alles mit", erklärt Carsten Walczok vom Stadtarchiv Reinbek. Gemeinsam mit Helmut Busch, dem Vorsitzenden des Vereins "Freunde des Schlosses Reinbek", und Anke Conradi von der Schlossverwaltung führt er durch das historische Gemäuer an der Bille.
Südlichste Markierung des Herrschaftsbereichs Gottorf
Über den Eingang im Hof geht es in das helle Foyer, das nachträglich bis in die zweite Etage geöffnet wurde. An der Wand: zwei Gemälde: "Das sind Herzog Adolf I. und seine Gemahlin Christine", erklärt Busch. Adolf I. baut das Schloss 1572 bis 1576 - als südlichste Markierung des Herrschaftsbereichs Gottorf. Nur einen Steinwurf entfernt, am anderen Ufer der Bille, beginnt damals das Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Um das neu erbaute Schloss erstrecken sich damals nur Wald und Felder.
Im Schloss zeigt der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf aber, was er auch für eine Nebenresidenz ausgeben kann. Busch weist Richtung Decke. "Diese bemalten Balken gibt es in Norddeutschland sonst nicht noch einmal." Es sind massive Eichen aus dem Sachsenwald, die der Herzog damals an den Decken fast aller Räume seines Schlosses verbaut. Aber auch für seine Nebenschlösser in Husum, Tönning und Trittau braucht der Herzog im 16. Jahrhundert Holz aus dem Sachsenwald. Am Mühlenteich neben dem Schloss wird deshalb eine Sägemühle eingerichtet. "Es wurde so viel Holz gebraucht, dass es damals einen richtigen Holznotstand gab", berichtet Walczok.
In den 1920er Jahren war war das Ufer am Mühlenteich neben dem Schloss noch ganz anders gestaltet als heute.
Vermutlich hat der Herzog an nichts gespart
Wie das Schloss damals eingerichtet war? Genau weiß man das heutzutage nicht mehr. Aber der Verein "Freunde des Schlosses Reinbek" vermutet, dass nicht gespart wurde. Um den Besuchern einen möglichst realistischen Eindruck davon zu geben, haben sie historische Möbel oder Nachbildungen angeschafft, die typisch sind für die Zeit zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert. In dieser Zeit wurde das Schloss neben Herzog Adolf I. auch von dänischen Amtmännern und dem preußischen Landrat von Stormarn genutzt.
Mit Kopfstein gepflastert und geprägt von Bäumen war die Bahnhofstraße in den 1920er-Jahren. Heute ist es eine moderne Straße mit Radweg.
150-Kilo-schwerer Kronleuchter
In den Ecken des Schlosses stehen mit Schnitzereien verzierte Eichenschränkchen aus der Zeit des Spätbarocks. In vielen Zimmern sind gusseiserne Öfen angebracht, die laut Anke Conradi auch heute zu bestimmten Anlässen noch befeuert werden. An den Wänden hängen Teppiche mit Jagd- und Naturszenen aus der Gobelin-Manufaktur in Paris. "Die wurden damals als Tapeten genutzt, damit es etwas wohnlicher wurde. Außerdem hielten sie die Wärme im Raum", erklärt Busch. Eine Kopie eines Bildes, das den Schlossgärtner im Jahre 1735 zeigt, ist genauso zu sehen, wie das Fragment einer barocken Goldledertapete. Eine wieder instand gesetzte Malerei, wahrscheinlich aus der Anfangszeit des Schlosses, ziert die Wand im Foyer kurz unter der Decke.
Außerdem auffällig: Der goldfarbene Kronleuchter, der in der Mitte des Foyers hängt. 150 Kilo wiegt er - und die Kerzen auf ihm werden noch immer bei offiziellen Anlässen angezündet. "Es ist eine Kopie. Das Original hängt im Schleswiger Dom", erzählt Busch. Bis 1847 aber hing der echte Leuchter tatsächlich einmal im Reinbeker Schloss.
Das Feinkostgeschäft Rathmann prägt Reinbek seit Jahrzehnten. Hier ein Foto aus den 1920er Jahren.
Historisches Geschirr aus dem Brunnen
In der riesigen Küche des Schlosses kann man an den Wänden noch erkennen, dass hier einst ein steinernes Kreuzrippengewölbe eingezogen war. "Das war damals der Brandschutz", erklärt Busch. Denn wenn beim Kochen Funken flogen, wären Holzdecken fatal gewesen. Was in der Küche verarbeitet wurde, wuchs zum Teil im Schlossgarten.
Und womit damals gekocht, gegessen und getrunken wurde, das kann man im Keller des Schlosses bewundern. Es geht die Treppe hinunter in einen niedrigen Raum. Hinter einer Glasscheibe sieht man Teller, Becher, Töpfe mit drei Beinen. "Das ist alles während der Restaurierung des Schlosses, also zwischen 1977 und 1987, in einem stillgelegten Brunnen gefunden worden", erzählt Walczok.
Der Blick auf das Rathaus Anfang der 1950er Jahre - und der moderne Sitz der Stadtverwaltung von heute.
Hochzeiten und Konzerte
Mit dem Bau der Eisenbahnverbindung zwischen Hamburg und Berlin, die auch in Reinbek stoppt, entwickelt sich die kleine Stadt im 19. Jahrhundert zu einem beliebten Ausflugsziel. "An den Wochenenden kamen die Hamburger nach Reinbek, einige setzten sich hier ein Wochenendhäuschen hin", erzählt Walczok. Die Stadt wächst. Das Schloss bleibt dabei immer Mittelpunkt Reinbeks. Heute finden hier Hochzeiten, Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals oder der Sachsenwald-Slam statt.
"Ohne das Schloss wäre Reinbek nicht, was es heute ist", sagt Walczok. "Über die Jahre, die ich hier arbeite, hat sich hier im Schloss nicht viel verändert. In der Stadt kommen immer mal wieder neue Häuser dazu, trotzdem bleibt es kleinstädtisch." Die Stadt entwickelt sich, das Schloss bleibt. Für Walczok - und wohl auch viele andere - ist das der Charme von Reinbek.
Auch die Villen sind prägend für Reinbek, hier ein Foto aus den 1920er Jahren. Viele betuchte Hamburger bauten sich hier im 19. Jahrhundert stattliche Domizile. Bis heute sind diese Gebäude gut erhalten.
Ausführliche Informationen zum Schloss Reinbek gibt es auf der Website des Schlosses.