Norwegen: Junge Monarchie mit alten Wurzeln
1905 wählen die Norweger einen König - nach 500 Jahren der Fremdherrschaft erkämpfen sie ihre Unabhängigkeit. Die Wurzeln des Königshauses reichen jedoch bis zurück in die Wikingerzeit.
Allerdings besteht Norwegen in seiner heutigen Form erst seit dem Jahr 1905. Mit der Gründung des norwegischen Nationalstaats zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsteht ein eigener Zweig der eng verwandten skandinavischen Königsfamilien. Dennoch verfügt das norwegische Königshaus über eine jahrhundertealte skandinavische Ahnenreihe.
Nationale Unabhängigkeit
Im 19. Jahrhundert entsteht auch in Norwegen - wie fast überall in Europa - eine starke Nationalbewegung. Diese findet zunächst auf dem Gebiet der Kunst und Literatur ihren Ausdruck. Die Sprache und die Rückbesinnung auf die mittelalterlichen Wikingerkönige bilden den Kern der nationalen Gefühle. Der zunehmende Unmut über die schwedische Fremdherrschaft konzentriert sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf die Frage eigener konsularischer Vertretungen für Norwegen: Das norwegische Parlament, das Storting, fordert eigene Konsuln, die die norwegischen Handelsinteressen im Ausland vertreten sollen. Der schwedische König Oskar II. lehnt die Forderung ab, daraufhin tritt die norwegische Regierung geschlossen zurück. Das Storting erklärt die Unabhängigkeit von Schweden, setzt die zurückgetretene Regierung erneut kommissarisch ein und trifft Vorbereitungen für eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit. Am 13. August 1905 stimmen 99,5 Prozent der stimmberechtigten Norweger für einen eigenen Staat und die Unabhängigkeit vom Königreich Schweden, zu dem das Land seit 1814 gehört hatte.
Wiedergeburt des Königshauses
Als neues Staatsoberhaupt wünschen sich die Norweger einen König, es fehlt nur noch der geeignete Kandidat. Die Wahl fällt auf Prinz Carl von Dänemark, den zweiten Sohn des dänischen Kronprinzen und späteren Königs Frederik VIII. und dessen Frau Louise, der einzigen Tochter des schwedischen Königs Carl XV. Für ihn spricht sein Alter - er ist mit 33 Jahren in den Augen der Zeitgenossen weder zu jung noch zu alt - und seine gute Ausbildung. Vor allem seine familiären Bindungen sind für die Norweger ein Argument: Er stammt direkt von den beiden anderen skandinavischen Königshäusern ab. Väterlicherseits kann er seine Ahnen bis zu den norwegischen Wikingerkönigen zurückverfolgen. Mütterlicherseits stammt er aus dem schwedischen - von Napoleon eingesetzten - Königshaus der Bernadotte. Dass seine Frau Maud eine Tochter des englischen Königs Edward VII. ist und das Paar zudem bereits einen gemeinsamen Sohn als möglichen Thronfolger hat, spielt ebenfalls eine Rolle. Am 18. November 1905 wird aus Prinz Carl von Dänemark König Haakon VII. von Norwegen - der erste norwegische König seit über 500 Jahren. Vor ihm liegt eine über 50 Jahre andauernde Regierungszeit, die von zwei Weltkriegen überschattet werden soll.
Weltkriege und Exil von König Haakon VII.
Im Ersten Weltkrieg bleibt Norwegen neutral. Mit seiner Handelsflotte pflegt das Land jedoch engere Beziehungen zu den Mächten der Entente. Auch im Zweiten Weltkrieg wahrt das Land seine Neutralität, wird jedoch im April 1940 von Deutschland angegriffen und besetzt. König Haakon stellt sich an die Spitze des Widerstands und flieht nach der Kapitulation mit seiner Familie und der norwegischen Regierung ins englische Exil. Von London aus unterstützt die Exilregierung den norwegischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Noch heute erinnert der wohl berühmteste Weihnachtsbaum Großbritanniens an die englische Unterstützung der Norweger im Zweiten Weltkrieg: Seit 1947 schenkt Norwegen London eine Tanne aus den Wäldern rund um Oslo, die jedes Jahr im Dezember auf dem Trafalgar Square Weihnachtsstimmung verbreitet. Nach Kriegsende kehrt König Haakon am 7. Juni 1945 nach Norwegen zurück. Er regiert bis zu seinem Tod am 21. September 1957, sein Sohn Olav folgt ihm als Olav V. auf den Thron.
König Olav V. - der Volkskönig
König Olav V., 1903 als dänischer Prinz Alexander in England geboren, besteigt 1957 den norwegischen Thron. Er ist bei den Norwegern beliebt: Während des Zweiten Weltkriegs spielt er eine wichtige Rolle in der norwegischen Exilregierung. Darüber hinaus gilt er als volksverbunden und umgänglich, er ist dafür bekannt, dass er sich ohne Leibwächter unter das Volk mischt. König Olav ist begeisterter Autofahrer und lässt sich nur ungern chauffieren. Dennoch steigt er während der Ölkrise in den 1970er-Jahren, als an den Wochenenden auch in Norwegen ein Fahrverbot verhängt wird, in die Osloer Straßenbahn, um in der Nähe der Hauptstadt Skilaufen zu gehen. Als junger Mann hat er sogar an Skispringen von der bekannten Holmenkollen-Schanze teilgenommen. Seine zweite Leidenschaft gilt dem Segeln: 1928 gewinnt Kronprinz Olav eine Goldmedaille bei den Olympischen Sommerspielen in Amsterdam. Bis ins hohe Alter nimmt er regelmäßig an Regatten teil. 1954 stirbt seine Ehefrau Märtha, eine schwedische Prinzessin, an Krebs. Das Paar hat drei Kinder: Prinzessin Ragnhild kam 1930 zur Welt, Prinzessin Astrid wurde 1932 geboren und Prinz Harald folgte im Jahr 1937.
Nach dem Tod König Olavs V. am 17. Januar 1991 wird sein Sohn Harald norwegischer König. Dessen 1973 geborener Sohn Haakon Magnus hat 2003 für ein paar Monate die königlichen Amtsgeschäfte übernommen, als Harald an Krebs erkrankte. Haakon ist seit 2001 mit Mette-Marit verheiratet. Das Paar hat drei Kinder: Sohn Marius, aus einer früheren unehelichen Beziehung Mette-Marits, sowie Prinzessin Ingrid Alexandra (Jahrgang 2004) sowie der 2005 geborene Prinz Sverre Magnus.
Wikinger-Könige und Fremdherrschaft
Der Name Harald hat ebenso wie Haakon und Olav eine lange Tradition in der norwegischen Monarchie: Als erster norwegischer König gilt der sagenumwobene Wikinger Harald Hårfagre ("Schönhaar"), der ungefähr 865 bis 933 nach Christus lebte. Er vereinigt einige der kriegerischen Wikingerstämme, die auf dem Gebiet des heutigen Norwegens lebten. Bis ins 13. Jahrhundert hinein versuchen die norwegischen Könige, ihr Reich auszubauen und zu stabilisieren. Kriege und Pestepidemien sorgen jedoch immer wieder für schwere Rückschläge.
Im Jahr 1389 geht Norwegen in der Union von Kalmar auf: Norwegen, Dänemark und Schweden bilden ein gemeinsames Königreich. Die Periode ist von Konflikten zwischen den Reichsteilen geprägt, in denen Dänemark und Schweden die beiden starken Parteien sind, während Norwegen an Bedeutung verliert.
Die Kalmarer Union spaltet sich 1521 in einen dänisch-norwegischen und einen schwedisch-finnischen Teil mit jeweils eigenem König. Norwegen steht von diesem Zeitpunkt an zwar theoretisch gleichberechtigt neben Dänemark, in der Realität war es jedoch schon während der Kalmarer Union zur dänischen Provinz geworden. Bis 1814 bleibt Norwegen unter dänischer Herrschaft, doch mit den Napoleonischen Kriegen verschieben sich die europäischen Grenzen: Im Kieler Friedensvertrag von 1814 sprechen die Siegermächte Norwegen dem schwedischen Königreich zu.