Eine Schnapsidee macht Berentzen berühmt
Die Idee, Weizenkorn mit Apfelsaft zu mischen, begründet 1976 den Erfolg der Schnapsbrennerei Berentzen aus Haselünne. Nach Jahren der Krise wird im Emsland mittlerweile wieder gebrannt.
Wenn der Volksmund gerne mal von "Fusellünne" spricht, meint er damit Haselünne, die älteste Stadt im Emsland. Durch den Ort mit seinen knapp 13.000 Einwohnern fließt der Fluss Hase. Wasser und Haselünne haben eine innige Beziehung, denn das viele Wasser ist die wirtschaftliche Grundlage der Stadt. Kornbrennereien etwa schätzen den klaren Rohstoff für Alkoholika. Und so sind die wichtigsten Arbeitgeber in Haselünne in der Getränkeindustrie angesiedelt - allen voran Berentzen.
Erfolgsschlager "Berentzen Apfel"
1976 wird im Emsland das erste alkoholische Getränk mit Fruchtgeschmack kreiert: "Berentzen Apfel". Generationen von Heranwachsenden trinken sich mit dem süßen Schnaps ihren ersten Rausch an. Der Apfelkorn macht die kleine Firma Berentzen weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Briten, Amerikaner und sogar Japaner kennen und trinken das Party-Getränk. Erfinder des süffigen "Dröhners" sind die Brüder Friedrich und Hans Berentzen. Deren Ururururgroßvater Johann Bernhard Berentzen (1718-1798), von Haus aus Schmied wie sein Vater, betreibt neben einer Eisenschmiede eine kleine Brennerei und gründet 1758 die I.B. Berentzen. Ein Gericht zählt damals 26 "Fuselbrenner". Die Menschen trinken den "Kloaren" oder den "Strohgelben", beides Kornschnäpse von wasserheller Farbe. Die Geschäfte laufen gut und Berentzen wächst.
Pepsi und Sinalco: Softdrinks werden zweites Standbein
1898 wird der Kornbrand "Berentzen vom Faß" als eine der ersten deutschen Spirituosen als Marke eingetragen. Nach dem Tod des Vaters 1954 übernimmt Friedrich Berentzen (1928-2009) mit seinem Bruder Hans (1927-2005) die Kornbrennerei. 1958 gelingt den Berentzen-Brüdern durch die Gründung der Emsland-Getränke GmbH der Einstieg in den Vertrieb alkoholfreier Getränke, das Unternehmen verschafft sich ein zweites Standbein. Im Jahr 1960 wird die Pepsi-Cola-Konzession für Deutschland erworben. Zwischenzeitlich ist das Tochterunternehmen Vivaris größter deutscher Pepsi-Konzessionär. Als 2014 der Vertrag mit Pepsi beendet wird, geht Vivaris eine Partnerschaft mit dem Getränkehersteller Sinalco aus Duisburg ein.
Eine Schnapsidee wird zur Erfolgsgeschichte
Doch Kerngeschäft bleibt zunächst das Hochprozentige: Die Brüder bauen die Familienschnapsbrennerei zu einem der größten deutschen Spirituosenhersteller aus. Ihr wichtigster Coup gelingt den Emsländern 1976, als sie auf die aus damaliger Sicht verrückte Idee kommen, Weizenkorn mit Apfelsaft zu mixen.
Später kommen Varianten wie "Winterapfel" und "Saurer Apfel" dazu. Durch die Fusion mit der Weinbrennerei Pabst & Richarz entsteht 1988 die Berentzen-Gruppe. 1994 gehen die Schnapsbrüder an die Börse, um sich Kapital für die weitere Expansion zu verschaffen: Marken wie Puschkin, Doornkat und Bommerlunder werden unter dem Dach der Berentzen-Gruppe versammelt, die zu einem führenden Unternehmen der Spirituosenbranche aufsteigt. Hans Berentzen wechselt 1992 in den Aufsichtsrat, Friedrich Berentzen folgt 1996.
Deutsche Unlust auf Schnaps führt zur Unternehmenskrise
Nach anfänglichen Kurserfolgen büßt die Aktie jedoch gegenüber ihrem Allzeithoch über 90 Prozent ihres Wertes ein. Die Rahmenbedingungen sind schwierig, der Spirituosenmarkt in Deutschland stagniert. Wie beim Wettbewerber Eckes-Chantré ("Eckes Edelkirsch", "Mariacron") verstauben auch bei Berentzen die Spirituosenmarken. Das Unternehmen rutscht immer tiefer in die roten Zahlen. Auch der Werbeslogan "So schmeckt Lebensfreude" kann die Position des Unternehmens auf dem insgesamt rückläufigen Spirituosenmarkt nicht stärken.
2007 schließt Berentzen mit einem Verlust in Höhe von rund elf Millionen Euro ab. Deshalb fällt im Sommer 2008 auch die 250-Jahr-Feier aus.
Investor kauft Berentzen
Die bisherigen und zerstrittenen Eigentümerfamilien ziehen sich aus dem Unternehmen zurück und verkaufen rund 75 Prozent der Stammaktien an den Münchner Finanzinvestor Aurelius. Der will "vor allem den alten Klassikern neues Leben einhauchen und sie als Szene- und Lifestyle-Marken mit hoher Präsenz am Markt positionieren". Erster Schritt: Die Schnapsproduktion in Haselünne wird nach 250 Jahren eingestellt und nach Minden verlagert. Nach der Übernahme der Kornmarke Strothmann 1995 und dem dazugehörigen Produktionsstandort wird dort bereits ein Großteil der Berentzen-Spirituosen produziert. Friedrich Berentzen stirbt im Februar 2009, kurz nachdem bekannt wird, dass die Produktion aus seiner Heimatstadt Haselünne komplett nach Minden verlagert wird.
Neue Destille für Image und Umsatz
Berentzen holt den Schnaps allerdings zurück ins Emsland. Zwar wird der Großteil der Spirituosen nach wie vor in Minden produziert, doch auch aus Haselünne soll wieder Destilliertes kommen. Verbraucher-Trends wie "handcraftet" und "regionale Produkte" bieten das ideale Marktumfeld für eine neue Destille im Emsland: "Für die Identität der Mitarbeiter und des Unternehmens als eines der ältesten Brennereien Deutschlands ist es unglaublich wichtig, an diesem Standort wieder zu brennen und das Handwerk wieder selbst in die Hand zu nehmen", sagt Vorstandssprecher Oliver Schwegmann zum Neustart in die Eigenproduktion 2017. Mit einem neuen Meister-Destillateur und einem neuen Doppelkorn schlägt Berentzen dieses nächste Kapitel in der Unternehmensgeschichte auf.
Alkoholfreie Drinks bleiben größte Umsatzmacher
Trotz aller Tradition bleibt der Blick aber fokussiert auf die umsatzstarken Geschäftsfelder: Und die liegen - der Absatz von Spirituosen ist weiterhin rückläufig - eher im Bereich der leichten Aperitifs und alkoholfreien Getränke. So bleiben Limonaden und Säfte bei Berentzen die großen Umsatzmacher.
Vom Investor Aurelius kann sich Berentzen 2017 wieder trennen: "Mit Aurelius haben wir das Unternehmen zukunftsfähig und stabil gemacht. Dass dieses Kapitel jetzt geschlossen wird und wir robust in die Zukunft schauen, freut uns", so Schwegmann damals.
Einen Blick in die Vergangenheit werfen können Liebhaber des Klaren aber auch: Im Stammhaus in Haselünne, von wo aus das Unternehmen nach wie vor den Konzern lenkt, befindet sich heute auch ein Besucherzentrum mit Brennerei-Museum.