Hamburg-Steilshoop: Ein Geisterbahnhof, den es gar nicht gibt
Lange munkelte man: Unter dem Einkaufszentrum in Hamburg-Steilshoop soll sich der Zugang für eine vor etlichen Jahren geplante U-Bahnstation befinden. Die Gerüchte hielten sich hartnäckig. Die Hochbahn kann den Hintergrund erklären.
Rund 40 Jahre ist in Hamburg lebhaft darüber diskutiert worden, ob es einen U-Bahnhof im Rohbauzustand unter der Gründgensstraße in Steilshoop gibt oder nicht. Das Gerücht hält sich in dieser Zeit hartnäckig. "Einige wollen den Bau unter der Gründgensstraße beobachtet haben, andere standen sogar schon auf dem unterirdischen Bahnsteig", teilt die Hamburger Hochbahn auf ihrer Internetseite mit.
Der im August 2017 verstorbene ehemalige SPD-Politiker Wolf-Dieter Scheurell hat sich lange Jahre mit dem angeblichen geheimen U-Bahnhof beschäftigt. Mehr als 30 Jahre hat er in Steilshoop gewohnt und "dort weder einen Bahnhof noch eine Bahnhofsbaustelle je zu Gesicht bekommen", zitiert ihn die "Welt" im März 2017.
"Alles sieht eindeutig nach U-Bahn-Haltestelle aus"
Tatsächlich gibt es aber einige Indizien für die Annahme, dass eine U-Bahnstation geplant und vielleicht auch gebaut worden ist. Wie die Hochbahn bestätigt, existieren sogenannte Bauvorleistungen: "Eine Spundwand, die aus dem Boden ragt und der Seitenwand eines U-Bahn-Tunnels ähnelt. Blaue Kacheln in der Unterführung, die zum Einkaufszentrum (EKZ ) führt und so aussieht wie viele der U-Bahn-Eingänge in Hamburg. Alles unter der Gründgensstraße sieht eindeutig nach U-Bahn-Haltestelle aus."
U-Bahn-Pläne werden nicht realisiert
Es sei auch richtig, dass es in der Entstehungszeit von Steilshoop Pläne gegeben habe, das Viertel auch über eine U-Bahn-Haltestelle unter der Gründgensstraße in Richtung Barmbek anzuschließen. "Davon zeugt auch das Haus über der Gründgensstraße, das in der Mitte bereits sehr tief gegründet wurde, für den Fall, dass unter dem Haus ein U-Bahn-Tunnel gebaut wird."
Aber: Aufgrund der Ölkrise von 1972/73 und der sich anschließenden Wirtschaftskrise seien die Pläne für die U-Bahn Bramfeld-Barmbek nicht realisiert worden, heißt es.
Schwerpunkt liegt damals auf Autoverkehr
Steilshoop ist in den 1960er- und -70er-Jahren als autofreundlicher Stadtteil gebaut worden. Die Stadt zieht quasi auf der grünen Wiese etliche vier- bis zehngeschossige Gebäude hoch. Rund 16.000 Menschen finden dort ein neues Zuhause. Auch viele Pkw-Parkplätze werden gebaut. Dem Zeitgeist entsprechend fahren viele Hamburgerinnen und Hamburger mit dem Auto zur Arbeit. "Eine U-Bahn-Haltestelle für Steilshoop ist zunächst nicht geplant. Lediglich einige Buslinien als Zubringer zu den U- und S-Bahn-Haltestellen", so die Hochbahn zur damaligen Situation auf ihrer Website.
Schienen nur für Baukräne der Großwohnsiedlung
Wenn sich einige Steilshooper an Schienen erinnern, die sie beim Bau der Großwohnsiedlung gesehen haben, dann liegen sie nicht ganz falsch. "Allerdings verliefen diese oberirdisch und auf ihnen fuhren Kräne, die die oft geschosshohen Fertigbauteile an ihren Platz transportierten. Nach der Fertigstellung der Siedlung wurden diese wieder abgebaut", teilt die Hochbahn mit.
Kein Tunnel, keine Hohlräume, keine zugemauerten Eingänge
2017 geht die Hochbahn dem Gerücht auch vor Ort auf den Grund. Sie stellt fest: "Hinter der Spundwand entlang der Gründgensstraße liegt kein Tunnel." Die Spundwand sei dafür zu flach gegründet. Es sei wahrscheinlich, dass die Wand dazu diene, "das tiefer liegende Gelände der Kirche gegen die höher liegende Straße abzustützen". Und was ist mit den Kacheln der Unterführung? Die Erklärung sei simpel, so die Hochbahn. Die Behörde, die die Unterführung damals bauen lässt, ist damals auch für den Bau einer U-Bahn zuständig gewesen.
Und: Bohrungen hätten eindeutig bewiesen, "dass es 1.) keine Hohlräume oder zugemauerte Eingänge hinter den Mauern der Unterführung gibt. Und 2.) keine U-Bahn-Haltestelle in der Tiefe existiert." Es gebe noch nicht einmal eine Betonplatte, die als Grundlage für einen möglichen Rohbau dient. "Kein Schutt, kein Schotter. Nur ganz normaler Erdboden", stellt die Hochbahn klar.
Hochbahn-Historiker Daniel Frahm bekräftigt 2024 im Gespräch mit dem NDR, dass "keine Baupläne und keine Zeichnungen" existieren. "Wenn es tatsächlich einen Rohbau für eine U-Bahnstation geben würde, dann müsste dieses Gebäude auch regelmäßig überprüft werden - allein aus Sicherheitsgründen. Das ist nicht der Fall. Wo es keine Station gibt, muss auch nichts gewartet werden."
Steilshoop bekommt "echte" U-Bahnstation
Die Hochbahn hat mit dem Mythos eines Geisterbahnhofs also aufgeräumt. Aber: Steilshoop bekommt doch noch eine U-Bahnstation und mehr als 20.000 Anwohnende des Stadtteils einen Anschluss ans U-Bahn-Netz. Denn: Die Bauarbeiten für die neue Linie U5 sind in vollem Gange. Von der neuen Station Bramfeld wird die U5 über die Stationen Steilshoop und Barmbek Nord zur Haltestelle Sengelmannstraße führen, wo ein Übergang zur U1 entsteht. Letztlich soll die neue Linie über den Hauptbahnhof bis zu den Arenen im Volkspark führen. Die Geschichte des angeblichen Geisterbahnhofs von Steilshoop dürfte dann endgültig Geschichte sein - auch wenn es noch bis etwa 2032 dauern wird, bis die dortige U-Bahnstation fertig ist - und noch mal mindestens ein Jahr, bis der erste Zug dort fährt.