Feuerwehr Hamburg: Vom "Wittkittel" zur Berufsfeuerwehr
Der "Große Brand" zerstört 1842 rund ein Viertel Hamburgs. Daraufhin macht der Senat die bis dahin privat organisierte Brandbekämpfung zur öffentlichen Aufgabe. Am 12. November 1872, nimmt die Berufsfeuerwehr ihren Dienst auf.
Drei Feuerwachen sollen ab 1872 dafür sorgen, dass Hamburgs Bürger sicher vor Bränden sind. Hauptfeuerwache und Sitz der Branddirektion ist damals die Feuerwache in der Nähe des Schweinemarktes an der heutigen Spitalerstraße. Diese und zwei weiteren Wachen an der Katharinenkirche sowie an der Davidstraße sind rund um die Uhr besetzt. 63 Mann leisten nun im Auftrag der Stadt ihren Dienst, um die Einwohner der Hansestadt vor Bränden zu schützen.
"Wittkittel" löschten mit ledernen Eimern
Bis dahin müssen sich die Hamburger lange Zeit anders helfen: Bis 1872 ist die Brandbekämpfung in der Stadt privat organisiert. Während des Mittelalters liegt sie in der Hand der Kirchspiele. Ab 1625 wachen nachts sogenannte Thürmer und Tüter auf den fünf Kirchtürmen der Hamburger Kirchspiele.
Rund 100 Jahre später sorgen ständige Feuerwachen für etwas mehr Sicherheit. Die Männer verpflichten sich für eine bestimmte Dienstzeit und werden für Einsätze, Übungen und Wachdienste bezahlt - bei einem Löscherfolg gibt es sogar eine Prämie. Ausgestattet sind diese Feuerwehrleute mit einem Feuerhut, einem ledernen Löscheimer und einem weißen Leinenkittel, woher sich die im Volksmund gängige Bezeichnung "Wittkittel" ableitet. Diesen temporären Feuerwehrleuten mangelt es allerdings zumeist an Ausbildung und technischer Ausstattung.
Großer Brand vernichtet ein Viertel Hamburgs
Dass diese "Hobby"-Feuerwehr für den Ernstfall nicht ausreicht, zeigt sich beim "Großen Brand" 1842. Vom 5. bis zum 8. Mai wütet das Feuer in der Hamburger Innenstadt und zerstört ganze Straßenzüge mit eng bebauten Holzhäusern. Rund ein Viertel der Stadt fällt den Flammen zum Opfer, etwa 20.000 Menschen werden obdachlos. Dem Hamburger Senat ist klar, dass er nun handeln muss. Eine Rats- und Bürgerdeputation wird noch im Juni 1842 damit beauftragt, den Wiederaufbau zu planen - und Bau- und Feuervorschriften zu überarbeiten.
Zum Feuerwehr-Praktikum nach Paris
Um Brand-Katastrophen wie die von 1842 zukünftig zu vermeiden, sieht sich Hamburg auch die Organisation der Brandbekämpfung in anderen Städten an. Hauptmann Ahrens, Direktor der Lübecker Löschanstalten, berät die Deputation. Sie kommt Ende 1843 zu folgendem Schluss: Hamburg soll eine militärisch organisierte Berufsfeuerwehr erhalten. Bei der Erstellung eines Brandschutzbedarfsplans orientiert sich Ahrens an europäischen Großstädten wie Paris, Mailand, St. Petersburg, London, Kopenhagen, Berlin und Leipzig. Einer seiner Mitarbeiter arbeitet für eine Weile bei der Pariser Feuerwehr, um weitere Ideen zu sammeln.
Bürgerschaft lehnt Kostenübernahme zunächst ab
Zunächst scheitern die Pläne allerdings an der Hamburger Bürgerschaft, die die Finanzierung teurer Maßnahmen ablehnt. So werden nur kleinere Verbesserungen von der Feuerkasse vorgenommen, die als private Versicherung seit 1676 auch die Aufsicht über die Brandbekämpfung ausübt. Der große Wurf bleibt zunächst aus. Das liegt zum einen an der mangelnden Bereitschaft der Stadt, größere Ausgaben für die Brandbekämpfung zu tätigen. Zum anderen binden die Revolution von 1848, der nahe an Hamburg ausgetragene schleswig-holsteinische Krieg zwischen 1848 und 1851 und die umfassenden Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft über eine neue, auf Volksvertretung beruhende Verfassung die Kapazitäten.
Gesetz von 1868 trennt Lösch- vom Versicherungswesen
Erst in den 1860er-Jahren kommt wieder Schwung in die Neugestaltung der Brandbekämpfung. 1865 verabschiedet die Stadt eine Bauordnung, die den Einsatz von Holz als Hauptmaterial beim Hausbau verbietet. Volle Verantwortung für die Feuerwehr übernimmt die Politik erst 1868: Das "Gesetz wegen des Feuer-Löschwesens" vom 2. März 1868 trennt das Feuer-Löschwesen vom Feuer-Versicherungswesen und legt es in die Hände der Stadt. Ab Mai 1868 tagt regelmäßig die Deputation für das Feuerlöschwesen. Grundlage ist ein Reorganisationsplan von Oberspritzenmeister Adolf Repsold.
Organisation einer Berufsfeuerwehr nimmt Formen an
Schließlich einigt man sich auf die Bildung eines permanenten und eines temporären Corps, das heißt: einer Berufsfeuerwehr und einer "Wittkittel"-Einheit. Ein entsprechender Antrag zur "Reorganisation des städtischen Löschwesens" des Senats bei der Hamburger Bürgerschaft geht in eine aufwendige Verhandlungsrunde: Von 1869 bis 1873 tagt das Gremium acht Mal. Diskutiert wird die Einrichtung einer festen "Corpsabteilung" der Löschanstalten, die Einrichtung elektrischer Telegrafen sowie die Anschaffung von Dampfspritzen.
Branddirektor Kipping bildet Feuerwehrmänner aus
Als Oberspritzenmeister Repsold 1871 seine Pensionierung beantragt und kurz darauf stirbt, suchen und finden die Hamburger einen erfahrenen Mann für den Posten des Branddirektors: Friedrich Wilhelm Kipping stammt aus Danzig. Dort hat er bereits Erfahrungen mit den Anforderungen einer Berufsfeuerwehr gesammelt.
Zusammen mit einigen Feuerwehrleuten, die er aus seiner Heimatstadt mitgebracht hat, organisiert er nach seinem Amtsantritt am 1. März 1872 die neu gegründete Hamburger Berufsfeuerwehr und bildet Feuerwehrleute aus.
12. November 1872: Berufsfeuerwehr nimmt Dienst auf
Am 12. November 1872 ist es schließlich soweit: Das "permanente Corp" der Hamburger Löschanstalten nimmt im innerstädtischen Bereich seinen Dienst auf. Ausgerüstet sind die Wachen mit pferdebespannten Alarmfahrzeugen, Mannschaftswagen, Handdruckspritze mit Schlauchkarre, Wasserwagen und Dampfspritze. Der Dienst ist hart, gefährlich - und lang: Die Feuerwehrmänner haben 48 Stunden Dienst, danach 24 Stunden frei.
Zahl der Hamburger Feuerwachen steigt stetig
In den folgenden Jahren nimmt die Zahl der Feuerwachen in Hamburg stetig zu: 1877 entstehen die Wachen Rotherbaum und Hohenfelde. Eine Vielzahl temporärer Corps wird nach und nach in die Berufsfeuerwehr eingegliedert. Lediglich in Eimsbüttel, Großborstel, Eppendorf, Horn, Barmbek, Winterhude und Veddel bestehen ab 1891 noch freiwillige Einheiten. Bis 1898 wächst die Zahl der hauptamtlichen Wachen auf zehn.
Kipping stirbt beim Löscheinsatz
Als am 22. Oktober 1892 das Magazingebäude der Hamburg-Amerika-Linie auf dem Kleinen Grasbrook brennt, zieht sich Branddirektor Kipping beim Löscheinsatz so schwere Verletzungen zu, dass er noch am selben Tag stirbt. Sein Nachfolger wird der bisherige Baupolizei-Inspektor Adolph Libert Westphalen. Bei seinem Amtsantritt im April 1893 steht er 340 Berufsfeuerwehrleuten vor.
Zu Westphalens ersten Maßnahmen gehört die Reduzierung von Wasserschäden bei Löscharbeiten. Hierzu führt er abstellbare Strahlrohre und moderne Dampfspritzen mit variablem Druck ein.
Motorisierte Löschfahrzeuge ersetzen Pferdegespanne
Technische Neuerungen und veränderte Anforderungen bewirken, dass sich die Brandbekämpfung ständig anpassen muss - und deutlich effektiver wird. Die heute noch bekannten Rutschstangen werden 1898 in die neuen Feuerwachen in Eimsbüttel und Barmbek eingebaut. Außerdem geht man dazu über, die Pferde direkt in der Wagenremise unterzubringen, um die Anschirrzeiten zu verkürzen.
Seit 1909 hat auch die Neustadt eine eigene Feuerwache. Hier wird der erste motorisierte Löschzug stationiert. Allerdings dauert es noch ein paar Jahre, bis 1925 auch die letzten beiden von Pferden gezogenen Löschzüge durch motorisierte Fahrzeuge abgelöst werden.
Die größte Herausforderung: der Zweite Weltkrieg
Eine besondere Herausforderung für die Hamburger Feuerwehr stellen in den folgenden Jahrzehnten die beiden Weltkriege dar. Während des Ersten Weltkriegs werden Arbeit und Ausbau der Feuerwehr durch die Abgabe von Feuerwehrmännern, Pferden und anderem Material stark eingeschränkt. So verzögert sich auch der bereits 1914 begonnene Bau der neuen Hauptfeuerwache in St. Georg bis 1922.
Unter der Herrschaft der Nazionalsozialisten gibt es personelle und organisatorische Veränderungen. Parteigenossen bekommen Ämter, zudem sorgt das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 dafür, dass die Feuerwehren der Städte Harburg, Wilhelmsburg, Altona und Wandsbek in die Feuerwehr Hamburg eingegliedert werden. Eine große Herausforderung während des Zweiten Weltkriegs ist der Bombenkrieg, insbesondere die Operation Gomorrha Ende Juli 1943, bei der auch viele Feuerwehrleute ums Leben kommen. Gegen die gewaltigen Feuersbrünste ist die Feuerwehr nahezu machtlos. Am 18. Juni 1944 findet ein US-amerikanischer Luftangriff auf die Hauptfeuerwache am Berliner Tor statt. Ziel ist die Ausschaltung der einzig verbliebenen Fernmeldezentrale Hamburgs. Dabei werden zehn Feuerwehrangehörige getötet.
Heute 3.000 Berufsfeuerwehrleute in Hamburg
Seit ihrer Gründung 1872 muss sich die Feuerwehr Hamburg ständig neuen Anforderungen und Bedingungen anpassen - und immer wieder auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren: Während der Sturmflut von 1962 retten die Feuerwehrleute vom Wasser eingeschlossene Menschen aus ihren Häusern, von Dächern und Bäumen und begeben sich dabei selbst in große Gefahr. Mit zahlreichen Rettungseinsätzen für Corona-Patienten und mit der Einrichtung von Testzentren während der Corona-Pandemie übernimmt die Feuerwehr erneut wichtige Aufgaben.
Heute - 150 Jahre nach ihrer Gründung - versehen rund 3.000 Feuerwehrmänner und -frauen auf 17 Wachen ihren Dienst für die Sicherheit der Stadt. Zum Brandschutz sind Aufgaben wie der Rettungsdienst, die Kampfmittelräumung und der Katastrophenschutz hinzugekommen. Weitere rund 2.700 ehrenamtliche Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren unterstützen die Berufsfeuerwehr der Hansestadt.