Damp 2000: Von der Wiese zum Ferienresort
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Sebastian Parzanny
"Hier war vorher wirklich nichts, nur Wiesen und Strand. Wir waren als Jugendliche manchmal hier zum Schwimmen und hatten den ganzen Strand noch für uns allein", sagen zwei Bewohner von Damp lachend. Vor ihnen der helle Sandstrand und die offene Ostsee, hinter ihnen die Skyline von Damp. Wuchtige Hochhäuser ragen in den Himmel. Sie könnten auch in Kiel-Mettenhof oder Lübeck-Buntekuh stehen, aber auf der kleinen Halbinsel Schwansen im Kreis Rendsburg-Eckernförde? Noch heute ist das ungewöhnlich.
1972 war das Apartmenthaus von "Damp 2000" noch im Bau, es entstand eine der damals modernsten Ferienanlagen Deutschland, und auch eine der größten: Allein der Hotelblock hat mehr als 400 Zimmer. Zurzeit sind wieder Bauarbeiter dort, denn das Haus wird umfangreich saniert.
Damp 2000: Eine Ferienanlage mit 7.000 Betten
Bilder aus der Zeit ohne Hochhäuser sind bei der Gemeinde nicht archiviert. Es gab ja auch nichts was man hätte fotografieren können. Ein Stück abseits vom Strand standen lediglich einige Häuser in wenigen Siedlungen. Das änderte sich 1970 schlagartig: Es rollten Bagger, Baumaschinen und Kräne an. Ein Baukonsortium aus Nordrhein-Westfalen hatte sich die Felder direkt am Ostseestrand gesichert, um für rund 200 Millionen Mark eine gigantische Ferienanlage mit 7.000 Betten sowie einen Jachthafen und eine Promenade mit Geschäften bauen zu lassen. Hinzu kamen 300 sogenannte Nurdachhäuser. Die Planer hatten sie in der DDR gesehen und wollten dieses Harzer Modell auch an der Ostsee. Angeliefert und aufgebaut wurden die ungewöhnlichen Ferienhäuser von Arbeitern aus der DDR.
"Zeltdachhäuser" oder auch "Nurdachhäuser" sind eigentlich eine Erfindung aus der DDR. Die Damp-2000-Bauherren hatten diese ungewöhnlichen Ferienhäuser im Harz gesehen und bestellten mehrere Hundert davon in der DDR. Die Arbeiter kamen Anfang der 70er-Jahre extra rüber um die Häuschen aufzubauen. Damals eine Besonderheit - und noch heute sind diese Ferienhäuser im Sommer meistens ausgebucht.
Aus der Ferne ein Schock
Während der Bauphase war Damp 2000 häufig in der Presse, insbesondere als sich Protest regte: Als "bösen Eingriff in die Natur" bezeichnete der Kieler Ostsee-Experte Uwe Muuß die riesige Ferienanlage im Sommer 1972 in einem "Spiegel"-Artikel. Ein anderer Experte, der in dem Bericht nicht namentlich genannt wurde, wird zitiert mit: "In zehn Jahren sind das hier Slums". Selbst der damalige Chef des Fremdenverkehrsverein Schleswig-Holstein, Gerd Kramer, gab im NDR Interview zu: "Das ist im ersten Moment schon ein Schock, wenn sie aus der Ferne die Ferienanlage Damp 2000 sehen."
Arbeitskräfte aus Spanien an der Ostsee
Aber die ersten Manager der Mammut-Anlage hatten noch ganz andere Sorgen: Auf die 700 Stellenausschreibungen bewarben sich nicht genug Kräfte. In der Provinz gab es schlicht nicht so viel Fachpersonal. Kurzerhand ließ man 50 Saisonarbeiter von Gran Canaria einfliegen, die für den ersten Besucheransturm angelernt wurden. Außerdem warb der Küchenchef persönlich auf einer Messe in Hannover um neue Kräfte.
Erste Aufgabe: Rollrasen organisieren
Im Messezentrum Hannover hörte auch der junge Berliner Horst Böttcher zum ersten Mal von Damp 2000. Der spätere Bürgermeister erinnert sich: "Schon ein paar Tage später war ich hier zum Vorstellungsgespräch. Am liebsten hätten sie mich gleich hierbehalten. Da hab ich aber gesagt: Halt. Stop. Zumindest meine Zahnbürste würde ich gern noch aus Berlin holen", erzählt Böttcher noch immer im Hauptstadt-Dialekt. Im Frühling 1973 begann er im Einkauf der Ferienanlage. "Die Häuser waren fast fertig, aber Damp 2000 war noch sehr, sehr kahl. Fast wie eine Wüste. Meine erste Aufgabe war es daher, kilometerlange Ballen Rollrasen zu organisieren, damit es schnell grün wird."
Auch ein neuer Jachthafen wurde Anfang der 70er-Jahre in Damp gebaut. Mit dem Segelrevier warben schon die ersten Manager von "Damp 2000". Auch heute ist das noch ein Argument für viele Touristen, die extra zum Segeln anreisen. Mittlerweile gibt es 14 Stege mit über 350 Liegeplätzen in Damp. Rechts im Bild: Das Museumsschiff "Albatros", eines der Wahrzeichen von Damp.
Probeurlaub für 20 D-Mark
Im Sommer 1973 kamen die ersten Test-Touristen aus Hamburg. In zahlreichen Bussen wurden sie an die Ostsee gebracht. Für nur 20 Mark durften sie übers Wochenende "probewohnen", in den damals hochmodernen Apartments, wie sich Horst Böttcher erinnert. "Aber dieser Testlauf endete im totalen Chaos. Die Busse mit den gut 2.000 Gästen trafen nahezu zeitgleich ein. Hier ging gar nichts mehr", sagt er und lacht. Dann ergänzt er: "Damals war der Zusammenhalt aber noch anders. Egal ob Schwimmlehrer, Hafenmeister oder wir aus der Verwaltung, alle haben dann mitgeholfen an der Rezeption. Das war schon eine tolle Zeit." Absolutes Highlight war auch die offizielle Eröffnungsfeier am 13. Juni 1973. Unter anderem sangen Roberto Blanco und Katja Ebstein - damals eine Sensation.
Plan B: Hotelturm wird zur Klinik
Allerdings gab es bald den ersten Rückschlag für die Mega-Anlage. Schon während der Bauphase des dritten Hochhausturmes erkannten die Manager, dass die geplanten 7.000 Hotelbetten nie ausgelastet wären. Kurzerhand wurde umgeplant: Einer der Türme wurde zur Klinik. Der ehemalige Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Hannes Schoberth baute die Klinik mit auf, und leitete sie viele Jahre. So bekam das Großprojekt die Kurve.
Mischung aus Ferien- und Gesundheitsstandort
Die Mischung aus Hotelzimmern und Klinik setzte sich durch, bis heute: Vor einigen Jahren übernahm dann sogar mit Helios ein Gesundheitskonzern die gesamte Anlage mit Hotels und Ferienhäusern. "Auch keine leichte Zeit. Woran der Konzern nicht ganz unschuldig war", sagt Horst Böttcher rückblickend. Er nennt allerdings keine Details.
Die heutige Ostseeklink wurde ursprünglich auch als Hotel konzipiert, noch in den 70er-Jahren änderten die Manager ihre Pläne: Das Haus wurde zur Klinik. Während der Bauphase gab es noch kaum grün in der Anlage, dass sieht heute ganz anders aus.
Damp entwickelt sich weiter
"Damp 3000, also diese Vision schaffe ich nicht ganz", sagt Hörst Böttcher nachdenklich über den Ort, der längst seine Heimat geworden ist. "Aber ich wage mal Damp 2030: Ein touristischer Ort muss sich immer weiterentwickeln. Und das ist hier auch so: Gerade werden wieder die Zimmer auf den neusten Stand gebracht, wir haben einen neuen Wikinger-Golfplatz. Und eine Elektrotankstelle wird es bald geben. Allerdings", ergänzt er und guckt die Betontower hinauf: "Weitere Hochhäuser werden bestimmt nicht dazukommen. Ich glaube nicht, dass man heute noch so bauen würde wie damals. Man würde auch gar keine Genehmigungen mehr dafür bekommen."