Rostock-Lichtenhagen 1992: Chronologie der Krawalle
Über vier Tage ziehen sich im August 1992 die fremdenfeindlichen Übergriffe auf die Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für Vietnamesen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen hin.
Was geschah wann? Eine Chronik der Ereignisse:
Sonnabend, 22. August 1992: Der Mob versammelt sich
Gegen 20 Uhr: Vor dem Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, in dem sich die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber befindet, haben sich rund 2.000 Menschen versammelt. Etwa 200 von ihnen beginnen, das Gebäude mit Steinen zu bewerfen. Die Anwohner feuern die Randalierer an. Nur wenige Polizisten sind vor Ort, werden selbst Ziel von Angriffen und ziehen sich daraufhin zurück.
Später Abend / Nacht: Die Polizei stockt ihre Einsatzkräfte auf etwa 150 Beamte auf, kann die Lage aber nicht entschärfen. Gegen zwei Uhr morgens treffen zur Verstärkung Wasserwerfer aus Schwerin ein, aber erst gegen fünf Uhr morgens hat die Polizei die Situation vorläufig im Griff.
Sonntag, 23. August 1992: Erste Molotowcocktails fliegen
Gegen Mittag rotten sich erneut Gewalttäter vor dem Sonnenblumenhaus zusammen. Sie erhalten Unterstützung von bekannten Rechtsextremen aus der Bundesrepublik, so etwa von dem bekannten Neonazi Christian Worch.
Nachmittag und Abend: Am Nachmittag greifen die zumeist jugendlichen Täter erneut die Aufnahmestelle und das Wohnheim an. Bis 20 Uhr haben sich rund 500 Gewalttäter versammelt, bis zu 3.000 Schaulustige feuern sie an.
Später Abend und Nacht: Die Angriffe mit Steinen und nun auch mit Molotowcocktails gehen weiter. Auch die Polizei wird angegriffen. Um 22.30 Uhr löst Lothar Kupfer, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, landesweiten Alarm aus. Um zwei Uhr nachts können Polizisten aus Hamburg sowie Beamte des Bundesgrenzschutzes die Ausschreitungen stoppen.
Montag, 24. August 1992: Sonnenblumenhaus in Flammen
Tagsüber: Am Vormittag versammeln sich erneut Jugendliche und Bewohner der Siedlung vor dem Sonnenblumenhaus. Das Asylbewerberheim wird evakuiert, am Nachmittag ist die Aufnahmestelle leer. Die vietnamesischen Bewohner des Wohnheims nebenan werden dagegen nicht umquartiert.
Abend: Neonazis und andere Gewalttäter sind wieder vor Ort, liefern sich eine Straßenschlacht mit der Polizei. Tausende skandieren rechtsradikale Parolen. Polizisten werden verletzt.
Gegen 21:40 Uhr: Die Polizei zieht sich zurück. Die im Sonnenblumenhaus verbliebenen Ausländer sind nun schutzlos dem Mob ausgeliefert. Schon bald fliegen erste Molotowcocktails auf das Wohnheim der Vietnamesen. Bei der Feuerwehr geht ein erster Notruf ein.
Um 22 Uhr: Das Gebäude brennt. Es befinden sich rund 120 Vietnamesen darin, darunter auch Kinder. Außerdem in dem brennenden Gebäude eingeschlossen: der Ausländerbeauftragte von Rostock und ein Fernsehteam des ZDF.
Die Feuerwehr ist vor Ort, kommt aber nicht nah genug an das Haus heran, weil die Menschenmenge sie behindert. Immer weitere Brandbomben fliegen auf das Wohnhaus. Die Feuerwehr fordert Polizeischutz an.
Die Eingeschlossenen brechen die mit Ketten und Schloss gesicherten Notausgänge auf und retten sich auf das Dach. Von dort können sie in einen anderen Teil des Wohnblocks fliehen.
Gegen 23 Uhr: Die Polizei trifft ein und kann die Angreifer vor dem Haus vertreiben. Die Feuerwehr beginnt mit den Löscharbeiten. In verschiedenen Etagen haben sich Vietnamesen vor den Gewalttätern versteckt. Die Vietnamesen werden in Notunterkünfte gebracht. Wie durch ein Wunder hat es keine Toten gegeben.
Dienstag, 25. August: Wasserwerfer gegen Zerstörer
Die Ausschreitungen setzen sich fort. Neonazis und grölende Anwohner lassen ihrer Zerstörungswut freien Lauf. Mit Wasserwerfern und Tränengas geht die Polizei gegen die wütende Menge vor.
Mittwoch, 26. August: Polizei bekommt Lage unter Kontrolle
Gegen 2 Uhr morgens am Mittwoch bekommt die Polizei die Lage langsam unter Kontrolle.