Einzigartig in Hamburg: Burg Henneberg im Alstertal
Hamburg verdankt seinen Namen der Hammaburg aus dem 8. Jahrhundert, die auf dem heutigen Domplatz stand. Aber es gibt noch die Burg Henneberg am Alsterlauf in Poppenbüttel. Sie wurde ab 1884 errichtet.
Genau genommen ist der in 15 Metern Höhe thronende Bau eine künstliche Ruine - wohl eine Nachbildung im Maßstab 1:4 der einstigen Burg Henneberg im südlichen Thüringen. Seit 1991 steht sie unter Denkmalschutz: "Burgruine Henneberg mit künstlicher Topografie, Typ Folly (Nachbau einer Burgruine)", lautet der Eintrag in der Liste der Kulturdenkmäler in Hamburg-Poppenbüttel.
"Verborgen hinter schattigen Alleen und umspielt von der sanften Brise der Alster, erhebt sich die Burg Henneberg wie aus einer anderen Zeit." Beschreibung aus der Immobilienanzeige zur Burg Henneberg
Aus einer anderen Zeit ja, aber nicht wie vielleicht vermutet aus dem Mittelalter. Erbaut wurde die Burg zwischen 1884 und 1887 von Albert Henneberg (1818 - 1896), der wegen der Namensverwandschaft zu den Grafen von Henneberg deren Stammsitz als Vorbild wählte. Echte familiäre Verbindungen zu dem fränkischen Adelsgeschlecht gab es nicht, dennoch ist das Henneberg-Familienwappen am Mauerwerk angebracht.
"Warum es diese Burg gibt, ist ein beliebtes Spekulationsthema", sagt Helge Hager, der die Burg 2013 mit seiner Frau Miriam erworben hat, dem NDR. Ein Besucher habe ihm die nette Geschichte erzählt, dass die Frau des damaligen Erbauers derart in das Thüringer Original verliebt gewesen sei, dass sie ihn gebeten habe, es doch nachzubauen.
Neugotische Anlage mit Landschaftsgarten
Das mag ein Mythos sein, doch es entsprach dem damaligen Zeitgeist großbürgerlicher Familien: Es war en vogue, solche neugotischen Burganlagen zu bauen. "Sie war ja nie gedacht als Burg, in der ein Ritter wohnt", erläutert Miriam Hager, "sondern als kleine Dekoration, als 'eye-catcher' - und so wird es ja auch bei den Festen genutzt: Man freut sich über den ganz besonderen Park und den Zugang zur Alster."
Den "Park Marienhof" hat Albert Henneberg im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt: Im Arboretum gibt es auch exotische Gehölze aus den USA, China und Japan.
Konzerte, private Feiern, Hochzeiten - und ein Burggespenst
Die Burg wird seit 2014 für öffentliche kulturelle Veranstaltungen genutzt. Möglich gemacht hat das die gemeinnützige "Stiftung Burg Henneberg" des Ehepaares Hager, das mit viel Aufwand und rund einer halben Million Euro wieder Leben in das "Alsterschlösschen" gebracht hat. Der Renovierungsbedarf war hoch, die kommerzielle Nutzung nicht erlaubt und drin wohnen durfte auch niemand.
Erst nach einer Nutzungsänderung konnte das Besitzerpaar das märchenhafte Anwesen als Kulturstandort betreiben, mit Musikveranstaltungen, Open-Air-Festen und Familienfeiern. Mehr als 60.000 Besucher waren in den vergangenen zehn Jahren zu Gast. Zudem kann in der kleinen Kapelle auf der Anlage auch geheiratet werden - als Außenstelle des Standesamtes Wandsbek.
Auch ein Burggespenst soll es geben: "Wir hatten hier mal ein paar professionelle Ghosthunter, die mit ganz viel Equipment die Burg wissenschaftlich durchleuchtet haben", berichtet Helge Hager. "Die haben auch etwas gefunden, das sie mir in stundenlangen Aufzeichnungen mitgeteilt haben - aber ich muss sagen: Mir hat sich das Schlossgespenst noch nicht gezeigt."
Herzstück ist der "Rittersaal"
Für die Burg wurde eigens ein felsiger 15 Meter hoher Berg in drei Jahren Arbeitszeit aufgeschüttet. Die Gesamtanlage, die sich über 3.000 Quadratmeter erstreckt, besteht aus einem Hauptgebäude, einem zwölf Meter hohen Turm, einem Nebentürmchen sowie einem nach Süden gerichteten, terrassenförmigen Vorbau. Im Hauptgebäude befinden sich ein 23 Quadratmeter großer "Rittersaal" mit einer 20 Quadratmeter großen Empore, darüber eine kleine Kammer sowie der Aufgang zum Turm.
Über eine Wendeltreppe gelangte man einst nach ganz oben, vom Turm aus hatten die Hennebergs einen weiten Blick bis zu den Kirchtürmen Hamburgs. Heute ist dieser Blick durch die hoch gewachsenen Bäume der Umgebung verstellt. Der Zugang zur Burg erfolgt über einen um das Gebäude herumlaufenden schmalen Gang.
Im Mauerwerk wurden Risse vorgetäuscht, bei den Backsteinen auch mit Fehlbränden gearbeitet: "Das hat hier keinesfalls gebrannt, sondern vielmehr wurden die Steine so ausgewählt und angeordnet, damit das Ganze noch älter wirkt", erklärt Burgherr Hager.
Mehrfacher Besitzerwechsel
Die Burg diente der Familie Henneberg bis 1907 als Familienarchiv. Mit der Auflösung des landwirtschaftlichen Besitzes der Hennebergs im Jahr 1930 und im Zuge der Erschließung von Wohnsiedlungsgebieten in Poppenbüttel, standen die Räume der Burg einer Liedertafel als Proberaum zur Verfügung. 1942 wurden die Burg und ein Teil der Parkanlage an die Stadt Hamburg verkauft. Die Ära der Familie Henneberg endete 1986 mit dem Tod von Otto Henneberg-Poppenbüttel, der keine Nachkommen hatte. Nach ihm ist auch das niederdeutsche Amateurtheater in Poppenbüttel, die Henneberg-Bühne, benannt.
Der Burgnachbau verfiel im Laufe der Jahrzehnte durch die fehlende Nutzung. 1988 bestand Einsturzgefahr, der angrenzende Fuß- und Radweg musste gesperrt werden. Ein Abriss des Bauwerks wurde in Erwägung gezogen, sollte sich kein Käufer finden. 1990 erwarb ein privater Investor den Bau unter der Verpflichtung einer umfassenden Restaurierung, 2002 gab es erneut einen Besitzerwechsel, 2013 schlugen dann die Hagers zu. Am 14. September 2014 fanden erstmals kulturelle Veranstaltungen in der kleinen Burg statt. Aktuell steht das Gebäude aus privaten Gründen allerdings wieder zum Verkauf.