Auf norddeutschen Spuren von Alfred Nobel
Die jährlich vergebenen Nobelpreise kennt jeder. Aber viele Norddeutsche wissen nicht, dass Alfred Nobel den Grundstein für sein Vermögen in Geesthacht an der Elbe gelegt hat.
In der Nähe Hamburgs erfand der Schwede sein Dynamit, mit dem er sich bald weltweit einen Namen machte. Schwedische Geschäftsleute in Hamburg hatten die Verbindung zu dem Industriellen hergestellt. Die Lage an der Elbe mit der Nähe zum Hamburger Hafen war ideal. Zudem bot das dünenreiche Gelände in Geesthacht beste Voraussetzungen für das Hantieren mit Sprengstoff.
Das Dynamit brachte den Durchbruch
Nach zahlreichen Versuchen fanden Nobel und seine Mitarbeiter 1866 schließlich einen Weg, das gefährliche Nitroglycerin besser handhaben und transportieren zu können: durch die Zugabe von Kieselgur. Das Dynamit war erfunden. Geesthacht, das 1865 noch ein Dorf mit 1.450 Einwohnern war, entwickelte sich zu einem Industriestandort.
Eine Stadt für die Arbeiter
Alfred Nobel lebte von 1865 bis 1873 in Geesthacht, bevor er sich als reicher Mann in Paris niederließ. Seine Fabriken, in denen auch Schießpulver hergestellt wurde, blieben aber an der Elbe und wuchsen in den kommenden Jahrzehnten immer weiter. "Aus der Frühzeit der Dynamit-Fabrik, als Alfred Nobel hier lebte, ist an Gebäuden leider nichts mehr erhalten", erzählt Ulrike Neidhöfer vom Förderkreis Industriemuseum Geesthacht. Aber die Spuren der Anlagen sind bis heute nicht zu übersehen. Viele Fabrikgebäude aus späteren Bauphasen sind erhalten, auch die Reste einer Schmalspurbahn sind noch zu sehen. Ohnehin ist die Geschichte der Stadt untrennbar mit den Fabriken von Alfred Nobel verbunden. Bahnhöfe, Schulen, Wohnungen - alles entstand für die Arbeiter.
Ungeliebter Sohn der Stadt
Und dennoch tut sich die Stadt bis heute schwer mit dem Gedenken an den weltberühmten Erfinder und Fabrikanten. "Viele sehen nicht die positive Seite mit den Nobelpreisen, sondern halten Nobel für einen reinen Rüstungsfabrikanten", sagt Neidhöfer. Dabei sei das Dynamit gar kein Kriegsprodukt gewesen, sondern ein bedeutender Sprengstoff für die Industrialisierung im 19. Jahrhundert - beispielsweise für den Eisenbahn- und Straßenbau. Erst 2010 rang sich die Stadt dazu durch, eine Gemeinschaftsschule in Alfred-Nobel-Schule umzubenennen.
Bauten vom Architekten Hermann Distel
Der Förderkreis Industriemuseum Geesthacht bietet regelmäßig Rundgänge an. Eine Tour führt zu den erhaltenen Gebäuden der Produktionsanlagen in Geesthacht - beispielsweise dem denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude von 1913 mit seiner Jugendstil-Fassade. Ein anderer Spaziergang führt unter anderem zum Wasserturm in Krümmel, der auf dem heutigen Gelände des Atomkraftwerks Krümmel von Vattenfall steht. "Erst seit letztem Jahr wissen wir, dass der Wasserturm von dem Bergedorfer Architekten Hermann Distel entworfen wurde", erzählt Neidhöfer. 1916 war der Turm fertig. "Distel ist seinerzeit ein gefragter Architekt gewesen, der in Hamburg unter anderem das große Vorlesungsgebäude der Universität am Dammtor-Bahnhof geplant hat." In Geesthacht stehen insgesamt sieben Gebäude des norddeutschen Architekten.
Historischer Wasserturm verfällt
Eine Besichtigung des Wasserturms lohnt sich auch deshalb, weil die Zukunft des Industriedenkmals ungewiss ist. Vattenfall macht keine Anstalten, den historischen Turm auf seinem Betriebsgelände in Krümmel zu erhalten. Der Bund hatte vor ein paar Jahren zugesagt, 200.000 Euro für die Sicherung der Ruine beizusteuern - wenn Vattenfall sich ebenfalls an den Kosten beteiligt. Der Energiekonzern lehnte ab. Und so verfällt der Bau weiter - bald könnte also ein weiteres Denkmal verschwinden, das an die große Zeit von Alfred Nobel erinnert. Denn für ein neues Industriegebiet in Geesthacht waren bereits in den 70er-Jahren etliche historische Gebäude abgerissen worden.