Klaus Störtebeker: Der sagenumwobene Tod eines Piraten
Noch immer umgeben Rätsel das Leben des Piraten Klaus Störtebeker - und auch seinen Tod. Am 20. Oktober 1401 soll er auf dem Hamburger Grasbrook geköpft worden sein.
In Stein gemeißelt steht der Wahlspruch der Piraten auf dem Sockel des Störtebeker-Denkmals auf dem Hamburger Grasbrook: "Gottes Freund, der Welt Feind". Auf der ehemals unbewohnten Elbinsel - heute Standort der Hafencity - ließen die Bürgermeister der Hansestadt über Jahrhunderte hinweg Piraten hinrichten. Der Tod war die übliche Strafe für Überfälle auf Handelsschiffe der wohlhabenden Hamburger Kaufleute, der sogenannten Pfeffersäcke. Zur Abschreckung für vorbeifahrende Seeleute spießten die Henker die abgeschlagenen Schädel der Delinquenten mit langen Nägeln auf ein Holzgestell.
Hinrichtung von Störtebeker: Zwölf Meter ohne Kopf?
Der Legende nach soll auch der sagenumwobene norddeutsche Freibeuter Klaus Störtebeker, der auf Nord- und Ostsee sein Unwesen trieb, dort sein Ende gefunden haben. Es dürfte vor 620 Jahren, wohl am 20. Oktober anno 1401, gewesen sein, als er zusammen mit mehr als 70 seiner Kumpanen auf diesem Richtplatz geköpft wurde. Wie alt Störtebeker war, als er starb, ist unklar, seine Biografie lückenhaft. Eine hanseatische Armada um das Flaggschiff "Bunte Kuh", die der aus den Niederlanden stammende Hamburger Kaufmann Simon von Utrecht ausgerüstet hatte, soll die Piraten in einer Seeschlacht vor Helgoland gestellt haben.
Vor seiner Hinrichtung hatte Störtebeker der Legende nach mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister Kersten Miles einen Handel geschlossen: Der Henker sollte diejenigen aus einem Spalier der Piraten verschonen, an denen der Enthauptete noch vorbeilaufen konnte. Buchstäblich kopflos sei Störtebeker noch an elf Männern vorbeimarschiert, bis er tot zusammenbrach. Ihr Leben konnte er angeblich trotzdem nicht retten, weil Miles sein Wort nicht hielt. Ob sich die Geschichte so zugetragen hat? Die moderne Gerichtsmedizin jedenfalls hält sie für physiologisch unmöglich. 2009 entstand auf der Grundlage dieser Legende die Abenteuerkomödie "Zwölf Meter ohne Kopf".
Ein Schädel gibt Rätsel auf
Auch ob ein 1878 auf dem Grasbrook gefundener Totenschädel, der mit einem eisernen Nagel durchstoßen wurde und im Museum für Hamburgische Geschichte ausgestellt ist, zu den sterblichen Überresten Störtebekers gehört, konnten kanadische DNA-Experten nicht klären. Die Knochen waren zu alt, um genetisches Material zu isolieren, das die Wissenschaftler mit noch lebenden Namensvettern hätten vergleichen können.
Nach Angaben des Hamburger Museums ist es jedoch wahrscheinlich, dass es sich bei dem Schädel des zwischen 1390 und 1450 Hingerichteten um den eines der Hauptmänner der Vitalienbrüder handelt, zu denen auch Störtebeker gehörte. Darauf weise die Tatsache hin, dass das Loch für den Nagel mit äußerster Sorgfalt vorgebohrt wurde, um die Haltbarkeit des abgeschlagenen Hauptes zu erhöhen.
Störtebeker: Trinkgewohnheiten als Namensgeber?
Auch woher Störtebeker stammt, wann er geboren wurde und wie er zu seinem Namen gekommen ist, der aus dem Plattdeutschen übersetzt "Stürz den Becher" heißt, ist unklar. Wurde der Freibeuter so genannt, weil er - wie überliefert - einen damals üblichen Krug mit vier Litern Bier oder Wein in einem Zug austrinken konnte? Möglich ist es, beweisbar ist diese These jedoch nicht.
Eine Erwähnung in Urkunden der Stadt Wismar spricht dafür, dass Störtebeker aus der Hansestadt an der Mecklenburger Bucht stammen könnte: Im Jahr 1380 wurde ein gewisser "Nicolao Stortebeker" bei einer Prügelei verletzt, seine Widersacher der Stadt verwiesen. Andere Quellen deuten darauf hin, dass Störtebeker aus Danzig stammte und kein Pirat, sondern ein Kaufmann war, der bis etwa 1413 gelebt hat.
War Klaus Störtebeker ein Danziger Kaufmann?
Dass es Störtebeker und Kapitän Gödeke Michels tatsächlich gegeben hat, ist wahrscheinlich. In britischen Chroniken, die Piratenüberfälle auf englische Handelsschiffe dokumentieren, tauchen ihre Namen in den Jahren von 1394 bis 1399 immer wieder auf. Experten halten Michels für den eigentlichen Anführer der Vitalienbrüder. Diese Seefahrer hatten Ende des 14. Jahrhunderts eine Blockade Stockholms durch dänische Truppen beendet und später in Nord- und Ostsee Schiffe überfallen.
Ein Pirat als Volksheld
Noch heute wird der Pirat Störtebeker als "Robin Hood" der Armen glorifiziert. Hartnäckig hält sich die Legende, der Vitalienbruder habe mit einem Teil seiner Beute Arme und Bedürftige unterstützt. Jährlich feiert beispielsweise das niedersächsische Verden die sogenannte Lätare-Spende, bei der genau drei Wochen vor Ostern auf dem Rathausplatz Heringe und Schwarzbrot verteilt werden. Der Überlieferung zufolge soll Störtebeker der Stadt zu diesem Zweck ein Erbe hinterlassen haben, aus dem die Speisen bezahlt werden.
"Störtebeker lebt"
Auch unter den Anhängern der linken Szene scheint es Verehrer der Vitalienbrüder zu geben: Im April 1985 beschädigten Unbekannte das Denkmal des Piraten-Bezwingers Simon von Utrecht an der Hamburger Kersten-Miles-Brücke. Die Statue wurde enthauptet und mit anarchistischen Parolen wie "Wir kriegen alle Pfeffersäcke", "Nicht alle Köpfe rollen erst nach 500 Jahren" oder "Störtebeker lebt" beschmiert.
Ein Klassiker: Die Störtebeker Festspiele auf Rügen
In der sozialistischen DDR wurde Störtebeker als Volksheld verklärt und bei den Rügen-Festspielen in Ralswiek zwischen 1959 und 1981 gefeiert. Seit 1993 erfreuen sich die Störtebeker Festspiele am gleichen Ort wieder großer Beliebtheit beim Publikum. In diesem Jahr fallen sie Corona-bedingt allerdings aus. Im ostfriesischen Ort Marienhafe befindet sich zudem ein Turmmuseum im Störtebekerturm, in dem unter anderem die die Baugeschichte der St. Marienkirche dokumentiert ist - Störtebeker soll dort einst Unterschlupf gefunden haben.