Kiel erobert das Weltall mit Satellit AZUR
1969 startet der erste deutsche Forschungssatellit ins All. Daran beteiligt ist auch das Institut für Angewandte und experimentelle Physik der Uni. Der Beginn der Weltraumforschung in Kiel, die bis heute andauert.
Zwei Amerikaner betreten am 21. Juli 1969 zum ersten Mal den Mond, als die Bundesrepublik Deutschland auch den Schritt ins Weltall macht: Am 8. November des Jahres startet der erste deutsche Forschungssatellit AZUR in den Weltraum. Und Wissenschaftler aus Kiel arbeiten daran mit.
Kiel ist nicht Cape Kennedy
"Kiel ist nicht Cape Kennedy", heißt es in einem Film von 1969 über die Anstrengungen der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt, einen Platz im All zu erobern. Gleichzeitig wird in dem Film betont, dass die Christian-Albrechts-Universität (CAU) sich damit von ihrem akademischen Alltag befreit und einen "Schritt in die Zukunft" wagt.
Es habe damals ein Misstrauen gegenüber den deutschen Forschern gegeben, erzählt Professor Robert Wimmer-Schweingruber. Der Verantwortliche für die Extraterrestrische Physik an der Kieler Universität sagt zur Erklärung, dass der Zweite Weltkrieg zu dem Zeitpunkt noch nicht so lange her gewesen sei und sich immer noch einige Amerikaner gefragt hätten: Kann man denen trauen? Zugleich ist der Austausch mit den amerikanischen Wissenschaftlern kompliziert. Es gibt natürlich noch keine E-Mails. Die Wissenschaftler sind auf die Post angewiesen und wenn es ganz dringend ist, schickt man ein Telegramm.
Zukunftsmarkt Weltraum
Die Bundesregierung ist fest entschlossen, sich am "Zukunftsmarkt" Weltraum zu beteiligen und investiert in den 1960er-Jahren eine Milliarde D-Mark in die Forschung. Als es darum geht, welche Experimente mit dem Satelliten AZUR in den Weltraum geschickt werden sollen, beteiligen sich 100 Einsender an einem Wettbewerb. Sieben werden bewilligt, auch das Kieler Projekt.
"Ich denke, der Einstieg in die Hochtechnologie war sehr wichtig", sagt Robert Wimmer-Schweingruber. Neben den Amerikanern, Sowjet und Engländern wollen auch die Deutschen damals in den Weltraum. Die Kieler Forscher leisten dabei Pionierarbeit. Sie entwickeln ein Protonenteleskop, das die Weltraumstrahlung messen kann. Zusammengesetzt werden die verschiedenen Experimente bundesdeutscher Hochschulen in Bayern. Aus 80 Kilogramm Blech, Draht und Elektronik wird so der damals leistungsstarke Forschungssatellit AZUR.
Initialzündung für Kieler Projekte
Der Satellit startet am 8. November 1969 mit einer amerikanischen Scout-Rakete vom kalifornischen Vandenberg aus in das Weltall. Auch wenn die Sonde nur acht Monate arbeitet, bevor wahrscheinlich Weltraumstrahlung den Datensender beschädigt, gilt AZUR als ein großer Erfolg. Die Bundesrepublik beweist, dass sie bei der Weltraumforschung mithalten kann.
Für die Kieler Universität ist AZUR die Initialzündung für viele weitere Einsätze im All: mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der NASA oder auch der chinesischen Raumfahrtbehörde. Und alle von Kiel gebauten Geräte funktionieren noch, freut sich Professor Robert Wimmer-Schweingruber, und senden ihre Ergebnisse auch nach Schleswig-Holstein.
