Ariane-5-Rakete brachte auch Messgerät der Uni Kiel ins All

Stand: 05.07.2023 17:03 Uhr

Zwei Forschungsgruppen der Uni Kiel haben sich zusammengetan und einen Plasmasensor für den Kommunikationssatelliten Heinrich Hertz entwickelt. In der Nacht zu Donnerstag ist er auf der letzten Ariane 5 Rakete ins All gestartet.

von Anne-Dorette Ziems

Kurz vor dem Raketenstart steigt die Aufregung in den Forschungsgruppen Plasmatechnologie und extraterrestrische Physik der Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU). Ihr Plasmasensor fliegt nach vier Jahren Planung, Entwicklung und Bau in den Weltraum.

Die Gruppen haben für das Projekt zusammengearbeitet und Kompetenzen gebündelt. Die einen bringen die Expertise in Plasmaphysik mit, die anderen die Erfahrung darin, Instrumente so zu bauen, dass sie den Raketenstart und die Umgebung im Weltraum überstehen. Insgesamt arbeiten fünf Leute vier Jahre lang an dem Messgerät.

Kieler Forschungsgruppe entwickelte schon Messgerät für NASA-Mission

Für die Arbeitsgruppe extraterrestrische Physik ist es nicht das erste Instrument, welches sie in den Weltraum schickt. Sie hat beispielsweise auch ein Messgerät zum NASA-Mars-Rover Curiosity beigesteuert. "Aber es ist einfach immer aufregend", gesteht Gruppenleiter Robert Wimmer-Schweingruber kurz vor Raketenstart. "Man fiebert jedes Mal mit."

Die beiden Forscher Dr. Thomas Trottenberg (links) und Prof. Robert Wimmer-Schweingruber mit ihrem Messgerät. Das Messgerät ist Handgroß und besteht hauptsächlich aus Aluminum. Die Forscher tragen Kittel, Hauben und Handschuhe, weil das Messgerät im Reinraum aufbewahrt wird. © NDR Foto: Anne-Dorette Ziems
Dr. Trottenberg (links) und Prof. Wimmer-Schweingruber mit ihrem Messgerät. Dieses Exemplar liegt im Reinraum der CAU und ist ein Reservemodell.

Im November 2022 schicken die Kieler ihren Plasmasensor los. Wichtigster Zwischenstopp ist Kourou in Französisch-Guayana. Dort liegt der Weltraumbahnhof der ESA. Das Messgerät ist Teil des Heinrich-Hertz-Satelliten – ein Kommunikationssatellit, der unter anderem einen elektrischen Antrieb für Bahnkorrekturen testet.

Was der Plasmasensor aus Kiel kann

Die neuen Triebwerke nutzen Solarenergie. Dabei stoßen sie Plasma mit einer hohen Geschwindigkeit aus. Plasma enthält geladene Teilchen und ist eine Art Aggregatzustand wie fest, flüssig oder gasförmig. Das macht den Antrieb effizienter. Denn der Treibstoff wird bis zu zehnmal schneller ausgestoßen als bei chemischen Triebwerken, die über Verbrennung funktionieren. So muss weniger Treibstoff mitgenommen werden - und auf dem Satelliten ist mehr Platz für Nutzlast.

Die Triebwerke haben allerdings auch einen potenziellen Nachteil: Durch Wechselwirkungen mit dem sehr dünnen Weltraumplasma kann es sein, dass ein kleiner Teil des Plasmas zum Satelliten zurück beschleunigt wird. Und hier kommt der Plasmasensor aus Kiel ins Spiel. "Unser Instrument bestimmt, wie viel Plasma zurückkommt und mit welcher Energie. Dann können wir die Folgen für den Satelliten abschätzen", erklärt Thomas Trottenberg von der Arbeitsgruppe Plasmatechnologie.

Die Forschenden sind sich ziemlich sicher, dass der Antrieb funktioniert, ohne den Satelliten zu beschädigen. Der Plasmasensor soll diese Vermutung bestätigen. "Wir erwarten nicht, dass die Triebwerke sich in irgendeiner Weise schädlich auf den Satelliten auswirken", sagt Trottenberg. In der Raumfahrt sei es üblich, alles ganz genau zu testen.

Die Heinrich-Hertz-Mission

Heinrich Hertz ist eine Mission der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. In Auftrag gegeben hat sie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter Beteiligung des Bundesministeriums für Verteidigung. Sie startet zusammen mit dem französischen Satelliten SYRACUSE 4B auf einer Ariane 5 Trägerrakete. Es ist der letzte Start einer Ariane 5. Ariane ist eine Serie europäischer Trägerraketen. Frühestens Ende 2023 wird der erste Start der Nachfolgerin Ariane 6 erwartet.

Start der Ariane-5-Rakete zwei Mal verschoben

Nachdem der Raketenstart zweimal verschoben worden ist, hat es in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli dann endlich geklappt. Die Kieler Forschungsgruppen können durchatmen. Jetzt heißt es warten, bis sie die ersten Daten von ihrem Messgerät erhalten. "Die Daten werden wir sicher hier auch auswerten. Wir wissen nicht, wie diese Triebwerke auf den Satelliten wirken. Und von daher sind das auch wissenschaftlich sehr interessante Fragestellungen", erklärt Wimmer-Schweingruber.

15 Jahre lang soll der Satellit Heinrich Hertz jetzt in einem sogenannten geostationären Orbit verbringen. Das bedeutet, er bleibt immer über der gleichen Stelle an der Erdoberfläche. Damit wird sich zeigen, ob elektrische Antriebe für Satelliten in Zukunft häufiger zum Einsatz kommen können.

Währenddessen wird in Kiel übrigens schon an dem nächsten Instrument für den Weltraum gearbeitet - und zwar für das Athena Röntgen-Teleskop der ESA. Der Raketenstart für das Weltraumteleskop ist allerdings erst für 2035 geplant. Die Entwicklungen stehen also noch ziemlich am Anfang.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.07.2023 | 13:07 Uhr

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