Helmut Schmidt vor der Linse
Er hat Helmut Schmidt mehr als 20 Jahre lang immer wieder vor der Linse gehabt: der Hamburger Fotograf Ronald Sawatzki. Ob an der Kaffeetafel im Schmidtschen Reihenhaus in Langenhorn, in Schmidts Büro bei der "Zeit", oder auch im Krankenhaus - Sawatzki hat ihn an den verschiedensten Orten fotografiert. Zum 95. Geburtstag des Alt-Kanzlers hat der freiberuflich arbeitende Fotograf eine Auswahl seiner Schmidt-Bilder für NDR.de zusammengestellt und erzählt von seinen Begegnungen mit Schmidt.
Das erste Mal im Rollstuhl
"Im Oktober 2009 bekam ich den Auftrag, eines der ersten Bilder von Schmidt im Rollstuhl zu machen. Das Interview, bei dem ich fotografieren sollte, fand in seinem Büro in dem Gebäude der "Zeit" statt. Schmidt war locker und bot sogar scherzhaft an, für mich im Rollstuhl eine Pirouette zu drehen. Doch die Bilder wirkten nicht, das Büro war einfach zu klein. Also fuhr ich abends noch zur Helmut-Schmidt-Journalistenpreis-Verleihung. Ich saß zwischen den Tischen auf dem Boden und hielt mein Tele-Objektiv auf Schmidt. Er schaute nach rechts, er schaute nach links, nur bloß nie zu mir. Dann auf einmal - ich weiß nicht, ob es noch die Erinnerung an den Tag war - blickte er mich direkt an und schmunzelte. Nach dem Motto: 'Mensch, jetzt war er heute Nachmittag schon da und jetzt sitzt er hier auch schon die ganze Zeit. Nun schenk ich ihm doch mal einen Blick.' Da hab ich mich schon geehrt gefühlt."
Ein Handkuss für Loki
"Das Foto ist im Sommer 2007 entstanden. Loki lag damals im Krankenhaus St. Georg. Nichts Ernstes, aber ein Redakteurskollege und ich wollten mal schauen, wie es ihr geht und ein paar aktuelle Fotos machen. Wir saßen kaum zehn Minuten im Zimmer, da ging die Tür auf und Helmut Schmidt kam rein. Wir hielten kurz Smalltalk und ließen die beiden alleine. Doch beim Kaffeetrinken in der Krankenhauskantine bin ich nervös geworden. Wo Schmidt schon mal da war, wollte ich die beiden natürlich unbedingt gemeinsam fotografieren. Auf dem Rückweg ins Zimmer kamen uns die beiden schon entgegen. Da hab ich draufgehalten. Zum Schluss gab er ihr einen Handkuss. Eine tolle Geste! Das Foto sagt viel über die beiden aus: Sie sind immer sehr, sehr herzlich mit einander umgegangen, und der Handkuss ist sicherlich eine Hommage an Loki gewesen."
Ein Moment des Innehaltens
"Eines der bewegendsten Bilder, das ich je von Helmut Schmidt gemacht habe, ist am Tag von Lokis Trauerfeier im Jahr 2010 entstanden. Ich habe mit anderen Fotografen draußen vor der Kirche auf ihn gewartet. Als sich die Tür des Hamburger Michels öffnete und er rausgeschoben wurde mit dem Rollstuhl, da hab ich gesehen, wie er einmal innehielt. Er sah die ganze Presserunde versammelt und schloss die Augen. Das Foto zeigt einen Moment, in dem er völlig in sich gekehrt ist und dieses ganze Geschehen drumherum gar nicht wahrnehmen will. Es braucht eigentlich keine Worte."
Ein Rüffel von Schmidt
"Das Bild ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil ich hier einen Rüffel von Schmidt kassiert habe. Es war der Geburtstag des ehemaligen Bürgermeisters Peter Schulz. Schmidt sollte die Laudatio halten. Als er ankam, ging er schnurstracks an seinen Platz, setzte sich hin und machte sich eine Zigarette an. Weil die Zeitung bald angedruckt wurde, brauchte ich schnell ein aktuelles Motiv von Schmidt und Schulz. Also ging ich hin und bat ihn, nochmal aufzustehen. Das verneinte er entschieden und sagte: 'Das mache ich jetzt ganz bestimmt nicht.' Das hieß für mich: abwarten bis er Schulz nach seiner Rede gratuliert. So kann er eben auch sein."
Die neue Freundin
"Dieses Bild entstand beim ersten gemeinsamen Auftritt von Schmidt und seiner neuen Partnerin Ruth Loah. Ein Gymnasium in Wilhelmsburg wurde im September 2012 nach ihm benannt. Die Aula der Schule war voller Fotografen. Jeder wollte ein Bild von den beiden haben. Zuerst wirkte Schmidt ein bisschen mürrisch. Aber dann taute er auf, weil natürlich viele nette Worte im Rahmen der Reden über ihn gesagt wurden. Irgendwann warf er Ruth Loah diesen Blick zu, und ich drückte ab. Ein schönes Bild! Er war wohl nicht aufgeregt, seine Freundin das erste Mal der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich glaube, dafür ist er zu souverän. Er denkt sich bestimmt: 'Naja, lass die doch reden.' Das ist genauso wie mit seinen Zigaretten, die er sich überall ansteckt."